Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 30.1914-1915
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.13093#0036
DOI Artikel:
Wolf, Georg Jacob: Probleme des Interieurbildes
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.13093#0036
G. FR. KERSTING
STUBE MIT STICKERIN
besondere Meisterschaft besaßen die Holländer
in der Eröffnung von Durchblicken in andere
Räume, die bald in hellerer, bald (wenn auch
seltener) in dunklerer Beleuchtung liegen, wo
man wohl auch andere Gestalten sieht, die
durch ihre verkürzten Körpermaße die von
dem Künstler beabsichtigte perspektivische
Wirkung erzielen helfen. Auch Ausblicke ins
Freie gibt es, und man erinnert sich bei
dieser Gelegenheit, wie manche Maler unserer
Zeit, Wilhelm Leibl voran, in ihre Stuben die
grüne Natur hereinschauen lassen durch ein
Fenster oder eine offene Tür (Abb. S. 21), wie
sie so nicht nur die Helle und die Freudigkeit
steigern, sondern auch den Kontrast von Raum
und Natur in wundervoller Weise andeuten.
Da alle Möglichkeiten der Raumstimmung
in der malerischen Disposition des Raumes
schlummern, können sich viele Künstler im Er-
sinnen neuer Raumsituationen nicht genug tun.
Sie lassen es deshalb nicht bewenden bei dem
Abschildern eines vorhandenen Raumes, den sie
durch Lichtführung und dekorative Arrange-
ments möglichst interessant zu gestalten versu-
chen, sondern sie werden selbst Raumschöpfer,
sie phantasieren neue Räume zusammen, na-
mentlich wenn es ins Monumentale geht, sie
schwelgen in Architekturen — und so ist es
sicher kein bloßer Zufall, daß bei der vor etwa
zwanzig Jahren einsetzenden Bewegung, die
eine Erneuerung und Entnüchterung der Innen-
architektur heraufführte, viele Maler sich be-
26
STUBE MIT STICKERIN
besondere Meisterschaft besaßen die Holländer
in der Eröffnung von Durchblicken in andere
Räume, die bald in hellerer, bald (wenn auch
seltener) in dunklerer Beleuchtung liegen, wo
man wohl auch andere Gestalten sieht, die
durch ihre verkürzten Körpermaße die von
dem Künstler beabsichtigte perspektivische
Wirkung erzielen helfen. Auch Ausblicke ins
Freie gibt es, und man erinnert sich bei
dieser Gelegenheit, wie manche Maler unserer
Zeit, Wilhelm Leibl voran, in ihre Stuben die
grüne Natur hereinschauen lassen durch ein
Fenster oder eine offene Tür (Abb. S. 21), wie
sie so nicht nur die Helle und die Freudigkeit
steigern, sondern auch den Kontrast von Raum
und Natur in wundervoller Weise andeuten.
Da alle Möglichkeiten der Raumstimmung
in der malerischen Disposition des Raumes
schlummern, können sich viele Künstler im Er-
sinnen neuer Raumsituationen nicht genug tun.
Sie lassen es deshalb nicht bewenden bei dem
Abschildern eines vorhandenen Raumes, den sie
durch Lichtführung und dekorative Arrange-
ments möglichst interessant zu gestalten versu-
chen, sondern sie werden selbst Raumschöpfer,
sie phantasieren neue Räume zusammen, na-
mentlich wenn es ins Monumentale geht, sie
schwelgen in Architekturen — und so ist es
sicher kein bloßer Zufall, daß bei der vor etwa
zwanzig Jahren einsetzenden Bewegung, die
eine Erneuerung und Entnüchterung der Innen-
architektur heraufführte, viele Maler sich be-
26