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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Linfert, Carl: Landschaftszauber mit neuer Sachlichkeit: zu den Bildern von Franz Radziwill
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0083

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geregt. Es geht nicht mehr um die Selbstherr-
lichkeit der Farbe, die im 19. Jahrhundert bis
zu Cezanne auf allen W egen gesucht wurde.
Sondern hier müht man sich wirklich um eine
Bildvision von neuem Realitätsgrad,, die einige
nervenlose Neusachliche bereits vergessen haben,
indem sie zur Farbskala des 19. Jahrhunderts
zurückkehrten und also ihr eigenes Schema
nicht mehr verstehen konnten. Für Radziwill
aber gelten die Farben nicht um ihrer selbst
willen, sondern erst wenn sie seine fanatisch
gezeichneten Gegenstände bildlich aufzubauen
vermögen: die Farbe trägt er auf wie Striche in
einer Zeichnung. Y\ ohl kennt er auch Einheits-
töne, aber sie sind Hintergründe und werden
von den kleinen Farbstrichen überlagert. Und
das ist das Merkwürdige: es gibt keinen Ge-
samthintergrund, sondern auch wieder nur

Stückhintergründe. Jedes einzelne Stück mit
seiner großen Realzwangsbedeutung, man könnte
sagen „Anstoßkraft", erzwingt sich einen eige-
nen Hintergrund. Also kann hier die Farbe nicht
„in Fluß kommen". Denn jedes Bild hat viele
Hintergründe.

Für diese verbissene Arbeitsweise ist die Gefahr
des Dekorativen, die selbst in der deutlichsten
Objektglätte der jüngsten Malerei bisweilen mit
Politur droht, völlig unvorhanden. Denn die
endlosen Einzelheiten summieren sich nicht zum
Idyll, sondern realisieren ein Experiment des
Geistes mit dem Sichtbaren, das die fugenlose
Bildeinheit bewußt verschmäht und mit seinen
spannunggeladenen Teilgefügen zu überbieten
sucht. Radziwill ist eine der merkwürdigsten
Neubildungen, die aus der festgefahrenen „N euen
Sachlichkeit" hervorgehen. Carl Linfert

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