JULIUS WOLFGANG SCHÜLEIN. DIE BRIENNER STRASSE IN MÜNCHEN
Aus der Ausstellung der Neuen Secession, München
Großartigkeit der Leistung, zuweilen der Schutt
dem Werk im Wege. Dörnhöffer erkannte dies
und stellte es fest in seiner geistreichen Katalog-
Einleitung: ..Anders wie bei anderen schöpferi-
schen Naturen war Feuerbach mit den Zielen
keineswegs auch das sichere Gefühl für die dahin
führenden Wege eingeboren. Eine ungewöhn-
liche Reizbarkeit und Empfänglichkeit verlockte
ihn zu weitabführenden Versuchen, bei denen er,
namentlich auf dem Gebiete der Farbe, zeitweise
in hilf- und ratlose Abhängigkeit von fremden
Einflüssen, sei es von Rubens, den modernen
Belgiern, den Franzosen oder den Venezianern ge-
riet. Von diesen Entwicklungsabschnitten bringt
die Münchner Ausstellung höchstens einmal eine
Probe, wie sie auch die malerisch noch ganz un-
gelockerte, allzu herbe Frühzeit nur durch Werke
belegt, die sozusagen biographisches Interesse
haben. Ebenso sind jene Werke ausgeschaltet ge-
blieben, über deren Authentizität die Meinungen
geteilt sind. Dörnhöffer wollte und will zwar den
Debatten darüber nicht aus dem Wege gehen,
aber er steht auf dem richtigen Standpunkt, daß
solche Auseinandersetzungen nicht in eine Jubi-
läums-Ausstellung gehören.
Der Erfolg dieser Maßnahmen zeigt sich aufs vor-
teilhafteste darin, daß alles Wesentliche in reinen
und klaren Hauptwerken in den großen Sälen und
Kabinetten in splendider Anordnung, wirkungs-
voll gehängt, gezeigt werden kann. Auch das
Karlsruher „Gastmahl des Plato" und die beiden
großen Nürnberger Bilder, die große Darmstädter
„Iphigenie"', die „Medea" der Pinakothek selbst,
das Berliner „Konzert", das unvollendete letzte
Werk Feuerbachs, kommen in diesen Räumen
zu der Entfaltung ihres monumentalen Charak-
ters, der in engeren Gelassen leicht unterdrückt
bleibt.
Die Ausstellung, die auch bei der Auswahl der
Graphik sehr vorsichtig verfuhr, zeigt so Feuerbach
in seiner ganzen Größe, befreit von Schlacken,
strahlend, klassisch und innerhalb dieser Klassi-
zität nicht etwa kühl und herb, sondern voll Feuer
und Rasse.
Es war ein feiner und glücklicher Gedanke, dem
Meister selbst wesensverwandte Geister in aus-
gezeichneten graphischen Werken zu gesellen;
die hier versammelten Künstler von J. A. Koch
und den Nazarenern bis zu Böcklin und Marees,
der natürlich über Feuerbach hinauswächst und
uns viel gegenwärtiger und dem eigenen Empfin-
den näher anspricht, sollen allerdings nicht als
eigene künstlerische Individualitäten erklingen,
sondern nur den Chorus bilden, der sich um
Feuerbach schart, sollen die feine, stimmungs-
volle Begleitmusik zur Solostimme sein. w.
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Aus der Ausstellung der Neuen Secession, München
Großartigkeit der Leistung, zuweilen der Schutt
dem Werk im Wege. Dörnhöffer erkannte dies
und stellte es fest in seiner geistreichen Katalog-
Einleitung: ..Anders wie bei anderen schöpferi-
schen Naturen war Feuerbach mit den Zielen
keineswegs auch das sichere Gefühl für die dahin
führenden Wege eingeboren. Eine ungewöhn-
liche Reizbarkeit und Empfänglichkeit verlockte
ihn zu weitabführenden Versuchen, bei denen er,
namentlich auf dem Gebiete der Farbe, zeitweise
in hilf- und ratlose Abhängigkeit von fremden
Einflüssen, sei es von Rubens, den modernen
Belgiern, den Franzosen oder den Venezianern ge-
riet. Von diesen Entwicklungsabschnitten bringt
die Münchner Ausstellung höchstens einmal eine
Probe, wie sie auch die malerisch noch ganz un-
gelockerte, allzu herbe Frühzeit nur durch Werke
belegt, die sozusagen biographisches Interesse
haben. Ebenso sind jene Werke ausgeschaltet ge-
blieben, über deren Authentizität die Meinungen
geteilt sind. Dörnhöffer wollte und will zwar den
Debatten darüber nicht aus dem Wege gehen,
aber er steht auf dem richtigen Standpunkt, daß
solche Auseinandersetzungen nicht in eine Jubi-
läums-Ausstellung gehören.
Der Erfolg dieser Maßnahmen zeigt sich aufs vor-
teilhafteste darin, daß alles Wesentliche in reinen
und klaren Hauptwerken in den großen Sälen und
Kabinetten in splendider Anordnung, wirkungs-
voll gehängt, gezeigt werden kann. Auch das
Karlsruher „Gastmahl des Plato" und die beiden
großen Nürnberger Bilder, die große Darmstädter
„Iphigenie"', die „Medea" der Pinakothek selbst,
das Berliner „Konzert", das unvollendete letzte
Werk Feuerbachs, kommen in diesen Räumen
zu der Entfaltung ihres monumentalen Charak-
ters, der in engeren Gelassen leicht unterdrückt
bleibt.
Die Ausstellung, die auch bei der Auswahl der
Graphik sehr vorsichtig verfuhr, zeigt so Feuerbach
in seiner ganzen Größe, befreit von Schlacken,
strahlend, klassisch und innerhalb dieser Klassi-
zität nicht etwa kühl und herb, sondern voll Feuer
und Rasse.
Es war ein feiner und glücklicher Gedanke, dem
Meister selbst wesensverwandte Geister in aus-
gezeichneten graphischen Werken zu gesellen;
die hier versammelten Künstler von J. A. Koch
und den Nazarenern bis zu Böcklin und Marees,
der natürlich über Feuerbach hinauswächst und
uns viel gegenwärtiger und dem eigenen Empfin-
den näher anspricht, sollen allerdings nicht als
eigene künstlerische Individualitäten erklingen,
sondern nur den Chorus bilden, der sich um
Feuerbach schart, sollen die feine, stimmungs-
volle Begleitmusik zur Solostimme sein. w.
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