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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Bredt, ...: Peter Trumm
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0148

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schlanken Baumassen zu steilen Prismengebir-
gen, nicht mehr erdrückend, wie sie der Städter
und hastige Amerikabesucher tief unten emp-
findet, sondern breit und einladend zum Ergehen
auf ihren Platten und Stufen.
Er bringt neue \ ariationen in das Thema des
Riesenhaften, associiert das Amerikanische dem
Europäischen. Im ..Straßenbild von Cleveland"
z.B. wird er so etwas wie ein Idealkonstrukteur
von Bauobelisken zu zentraler- Einheit. Zur un-
meßbaren unerschütterlichen Stadtmauer macht
er die lange Front der Biesenbauten Chicagos,
die sich am Strande des Michigansees spiegeln.
Ein Amerikabild also, dessen Nebeneinander von
großer Natur und himmelstürmenden Bauten
lebendigste A orstellung weckt echt amerikani-
scher Gegebenheiten, Energien und Ideale.
In allen Blättern kommt Einer zuYNort, der, bei
starkem künstlerischem A ermögen, Aerständnis
für das jeweils Y\ esentliche der Dinge besitzt.
Brauchte Tromm, um das zu beweisen, nicht erst
Amerika, so wird es gut sein, sich gerade vor
seinen Amerikazeichnungen frei zu machen vom
Gegenstand, sonst könnte Freude am künstlerisch
Wesentlichen vorübergehen. Man muß sich Zeit
lassen, um quasi jeden Strich des Zeichners zu
prüfen, als Mittel, das Geschaute sichtbar zu ma-
chen. Das ist Freude dem, der etwas von Zei-
chenkunst-an-sich hält. Diesen so markanten
Zeichnungen ist eine Fülle rein graphischer Er-
findungsgabe inhärent, die staunen macht.
Nur ein Wort zu den Illustrationen Tramms zu
Euripides, zur Bibel, zu Shakespeare, zu Kleist,
zur Aeneis, zur antiken Mythologie, zu Wehners
Minotaurus. Sie haben als Gemeinsames das
Große. W ichtige, Einfache, Geschlossene. Aber
immer überrascht die geistige Elastizität seiner
Auswahl zum Bilde. Zur Illustration bestimmt
ihn bald ein W ort, eine Situation, eine Tat oder
der Gedanke der ganzen Dichtung, oder die Stim-
mung einer Szene. So fließt bei formaler Har-
monie seinen illustrativen Schöpfungen kom-
positorischer Reichtum zu. weil er auch den
Dichter sieht in seiner ganzen A ielgestaltigkeit.
Tramm exzelliert in kompositorischem Reich-
tum, den die großen Epochen besaßen, der jetzt
noch eine AA eile fast verpönt bleiben mag, an
dessen allgemeiner W iedergewinnung die besten
Künstler mit allen Kräften zu wirken haben.
Freilich keines Malers, keines Dichters komposi-
torische Größe bemißt sich nach der Zahl der
Helden und Figuren. Eine einzige, richtig hin-
gestellt, zeigt erst recht des Erfinders Reichtum.

In ,.Cymbelin" konzentriert Tramm allen Humor
des Spiels in der Figur des tölpischen Sloten.
der mit spannender Aufgeblasenheit die Kapelle
dirigiert. Seine Gestalten sind nie mißver-
ständlich. Er ist bildhaft begabt wie alte Meister
der Gotik, ist ein Meister des verhaltenen Aus-
drucks. Lnsere Augen, verzogen und verdorben
durch den Reiz des A orüberhuschenden, über-
sehen nur leider bei der Hast des Durchblätterns
das, was nicht mit allen Gliedern viel ..Aufhebens -
macht. Ein so scharfer Beobachter wie Trumm
verlangt andere Augen als die eines Bildzeitungs-
lesers, denn die Ökonomie seiner Gebärden läßt
sich kaum übertreffen, seine Gestalten sind be-
redt im Stummen, voll gespannten Lebens in
äußerster Buhe. dem. der Buhe hat zum prü-
fenden Genuß.—

Ist der Ausdruck des hoch zu Boß sich reckenden
Josua zu steigern an A ollgefühl innerer Stärke ?
Trennt ihn doch sehr A ieles von der künstleri-
schen Erfassungs- und Gestaltungsart seiner Ge-
neration, die wohl auch das Theatralische haßt,
und doch Sprache und W echselwirkung der Ge-
stalten zu mißachten scheint ?
Es ist nötig, seinem Entwicklungsgang etwas
nachzugehen. Peter Tramm ist 1888 in Straß-
burg geboren. Sehr früh ist der Knabe von sei-
nem A ater zu all den alten und neueren Kunst-
werken des Oberrheins geführt worden, die in
Museen oder Kirchen, in Stadt und Land zu sehen
waren. Nicht lange hielt er es auf derTechnischen
Hochschule in München aus. Überdies empfing
er gerade zur rechten Zeit von der damals statt-
findenden Ausstellung Schmid-Reuttes einen so
starken Zuruf zu längst gehegten künstlerischen
Hoffnungen und Überzeugungen, daß er nun
doch Maler werden mußte. Er geht also zu dem
bald todkranken, kaum vierzigjährigen Schmid-
Reutte nach Karlsruhe. Bleibt dort vier Semester,
wird dann in München Schüler Hahns und Her-
terichs, Weinholds und schließlich der Privat-
schule Kogan-Caspars. Nach nochmals zwei aka-
demischen Semestern in Karlsruhe beschließt er
mit einem reichen Jahre in Florenz seine ..Stu-
dienjahre". Diesen Daten seiner künstlerischen
Schulung liest sich eine gewisse Unruhe, kein
behagliches Genügen an der oder jener Lehre ab.
Aber er ist doch alles andere als Revolutionär,
ist nicht „rerum novarum cupidus". Wer in
seinem Atelier herumsucht, würde Kubistisches
und Expressionistisches, würde Studien nach
Greco und nach Poussin, würde Konstruktionen
und Impressionen finden: in allem aber das-

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