Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

DOI Artikel:
Werner, Bruno E.: Herbstschau Akademie und Sezession in Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0218

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
fragmentarische Einzelwerke eine Aufstellung
in diesen Räumen in keiner Weise legitimiert.
Natürlich ist die Lage heute schwierig. Die Se-
zession, hervorgegangen aus einer oppositionellen
Haltung gegen die Akademie, hat heute in keiner
Weise Grund, einen Gegensatz zwischen sich
und der Akademie festzustellen. Aber wenn schon
diese Momente fortgefallen sind, so müßte man
doch den Versuch machen, Ordnung in das be-
stehende Chaos zu bringen, die Ausstellungen
unter einen Gedanken stellen, Gesichtspunkte
herausschälen und den Besucher durch die Strenge
der Auswahl zu fesseln. Denn es ist heute durchaus
der Augenblick gekommen, wo man nicht mehr
ängstlich besorgt sein sollte, daß unbekannten
Talenten der Weg zur Öffentlichkeit verschlossen
wird (es gibt heute mehr Wege wie Talente),
sondern, wo es wichtiger ist, daß einer den Vor-
wurf der Einseitigkeit auf sich nimmt, einer
Ausstellung seinen Stempel aufdrückt und ihr
so ein charaktervolles Gesicht gibt.
In der Akademie findet man ausgezeichnete
Federzeichnungen von Alfred Kubin. Ein kräf-
tiges, atmosphäregeladenes Aquarell „Straße von
Romanshorn"' von Erich Feyerabend, einen Rü-
genschen Rauernhof mit düsterer Regenschwere
von Egon v. Kamecke. Eine Kollektivausstellung
von Hans Meid, bei der der Maler und Zeichner
mit viel Phantasie und starkem Können die Eigen-
art der italienischen Straßen festhält. Ein herr-
liches Selbstbildnis von Käthe Kollwitz, Kalt-
nadelradierungen von Heinrich Ehmsen und
Theo Stark, Aquarelle von Moritz Melzer und
Rudolf Jacobi und eine kleine Kollektivschau
des toten Heinrich Zille. Den drei bekanntesten
Simplicissimuszeichnern Th. Th. Heine, Karl
Arnold und Olaf Gulbransson hat man ein Sonder-
kabinett gewidmet, das nicht nur das amüsanteste,
sondern auch das interessanteste der ganzen Aus-
stellung ist.

Unter den Bildhauern fällt wieder Fritz Koelle
auf. Fritz Klimsch hat mit feiner Reobachtung
den nervös gestrafften Kopf des Dirigenten Oskar

Fried festgehalten. Herbert Garbe zeigt eine ver-
gnügte Holzplastik einer sitzenden Frau, der
Weimarer Richard Engelmann eine Kollektiv-
ausstellung, Paul Weiling Frauenakte mit an-
mutiger, barocker Fleischlichkeit, Anton Graue!
die Rronze eines liegenden Mädchens und der
Zeichner Rudolf Großmann kleine, satirische
Terrakottaköpfe.

In der Sezession erscheinen besonders beachtens-
wert die neuen in Dänemark entstandenen Bilder
von Charlotte Berend, die mit sauberer, nüchterner
und doch leuchtender Farbigkeit und dabei mit
einer fast männlichen Kraft die nordische Land-
schaft wiedergeben. Max Pechstein fesselt so
stark wie seit Jahren nicht durch das Rild eines
ertrunkenen Fischers. Man konstatiert dies mit
Genugtuung, da er zu den wenigen gehört, die
aus einer inneren Fülle des Volumens heraus
schaffen. Rudolf Schlichter fällt auf durch ein
Rild, das er ..Stacheldrahtgerede" nennt. Magnus
Zeller durch ein Hafenbild von träumerischer
Zartheit. Der Bildhauer de Fiori hat ein großes
Gemälde ..Die Mannequins'' ausgestellt, ein groß
angelegter Entwurf, der durch sein lebendiges
Raumgefühl Aufmerksamkeit verdient. Max Kaus
zeigt ein Mädchen mit Turban und starker, far-
biger Eigenart, H. W. Glaser eine Straße in
Thüringen und Kandinsky eine abstrakte Kompo-
sition, die klug und farbig reizvoll ist. Schließlich
sind no"h die kleinen illustrativen, heiteren Rilder
von Walther Trier zu erwähnen, eine Araberin
von Georg Kars, ein Rlumenstilleben GustavWieh-
tüchtler und vor allem zwei außerordentlich zarte
und ausgewogene Gemälde des meist nur durch
seine Holzschnitte bekannten Masareel, ein See-
stück und ein Matrose mit einem Mädchen.
Es bleibt zu hoffen, daß die Akademie und die
Sezession sich nicht mit den billigen Erfolgen
begnügen, die ihnen vielleicht auch diese Aus-
stellungen noch bei den Unkritischen bereiten
werden, und daß sie im Frühjahr durch neue
Wege und durch strenge Selbstkontrolle ihre
Lebensfähigkeit erweisen. Bruno E. Werner

194
 
Annotationen