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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Nolde, Emil: Aus Emil Noldes Briefen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0357

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dann mag alles recht und gut sein. — Vielleicht
wird eine kommende Zeit grade das isolierte
Alleinstehen der Künstler als das Besondere und
Gute dieser Epoche ansehen.
Es kommt so oft so manches anders, als Men-
schen es lieben und gern es wollen.
Daß im späteren Alter die Anerkennung seiner
Zeit dem alten Rembrandt versagt war, ist wohl
uns Menschen heute ein großes Glück. In seiner
Vereinsamung malte er diese unsagbar schönen
Bilder, — wäre es geschehen, wenn die Welt mit
ihren tausend Armen ihn als Mensch und Künst-
ler hätte haben wollen ?

*

Du kennst meine Neigung, gern zwischen dem
Künstler und dem Menschen scheiden zu wollen.
Der Künstler ist mir etwas wie eine Zugabe zum
Menschen und ich kann von ihm sprechen, wie
von etwas anderem als dem Selbst und das darf
ich gewiß auch. —

Es ist der Künstler ein sensibles, licht- und lärm-
scheues Wesen, oft leidend, sich verzehrend in

Sehnsucht. Die Menschen fast alle sind seine
Feinde, die Freunde, seine nächsten, die schlimm-
sten. Wie eine Polizei sind sie dem Lichtscheuen,
er sieht ihre Laterne. Der Teufel in ihm wohnt
im Gebein, die Gottheit im Herzen. \\ er ahnt
diese Mächte, die sich streiten und die entste-
henden Konflikte! Hinter Mauern lebt der Künst-
ler, zeitlos, selten im Flug, oft im Schneckenhaus.
Seltsames, tiefstes Naturgescheheil liebt er, aber
auch die helle, offene Y\ irklichkeit. die ziehen-
den Wolken, blühende, glühende Blumen, die
Kreatur. Unbekannte, ungekannte Menschen sind
seine Freunde, Zigeuner, Papuas, sie tragen keine
Laterne. Er sieht nicht viel, andere Menschen
aber sehen gar nichts. Er weiß nichts. Er glaubt
auch nicht an die W issenschaft, sie ist nur halb.
Wie die Sonne nicht kennt die Dämmerstunde,
den Hauch, das Zarte, den seltsamen Zauber
dieser Stunde — wenn sie erscheint ist alles längst
scheu entflogen — so kennt auch die V\ issen-
schaft mit ihrer Lupe dies alles nicht.
Besser kann ich nicht sagen, was ich sagen
möchte, nur zuweilen kann ich es malen.

PAUL C O R X E T. K I X D MIT BALL

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