LUTZ HECK, BERLIN. JUNGE THOMSON-GAZELLE
Ausstellung ., D a s Lichtbild". München
DISKUSSION ÜBER FOTOGRAFIE
Seit Entdeckung der ..Eigengesetzlichkeit" der
Fotografie herrscht einige Verwirrung. Vordem
war die Sachlage zweifellos geklärter: Fotografen
wollten zwar ..Kunst" machen, aber ernsllich
stand niemals in Frage, daß Fotografie etwas
grundsätzlich anderes ist als Kunst.
Heute ist die prätentiös künstlerische Fotografie
von damals in Acht und Bann erklärt. Die Foto-
grafie hat zu den ihr eigenen Mitteln und Wir-
kungsmöglichkeiten gefunden und verabscheut
die Raffinements (Retusche, Bromölverfahren
usw.), mittels deren man einst schummrige
Fotos ä la Rembrandt, ä la Monet usw. zuwege
gebracht hatte. Den Anspruch, als Kunst be-
wertet zu werden, aber hat sie mitnichten auf-
gegeben; nur gründet er sich heute auf den Glau-
ben an ihre Eigengesetzlichkeit. So liest man
im Katalog zu der vom Münchner Bund veran-
stalteten Lichtbildausstellung: die Fotografie stehe
im Begriffe, „eine autonome Kunst" zu werden,
die „sehr bald museumsfähig sein wird".
Nebenbei: der Schrei nach dem Museum nimmt
sich einigermaßen grotesk aus in einem Zeit-
punkt, wo fast sämtliche illustrierten Zeitungen
von der neuen Fotografie noch zu erobern wären.
Immerhin sein Sinn ist klar: das Museum soll
die Fotografie als Kunst legitimieren.
Die in München ausgestellten Fotos — die Aus-
wahl stellte das zweckfreie schöne Lichtbild
heraus aber schloß das Fo;ogramm grundsätz-
lich aus — sind zweifellos von einer ästhetischen
Vollkommenheit und einer Ausdruckskraft, wie
sie die Fotografie der jüngeren Vergangenheit
schlechthin nicht aufzuweisen hatte. (Man ver-
gleiche auch die erheiternde Demonstration des
Fotokitsches in der historischen Abteilung der
Kunst für Alle, Jahrg. lö, Heft ?, November 1930
65
Ausstellung ., D a s Lichtbild". München
DISKUSSION ÜBER FOTOGRAFIE
Seit Entdeckung der ..Eigengesetzlichkeit" der
Fotografie herrscht einige Verwirrung. Vordem
war die Sachlage zweifellos geklärter: Fotografen
wollten zwar ..Kunst" machen, aber ernsllich
stand niemals in Frage, daß Fotografie etwas
grundsätzlich anderes ist als Kunst.
Heute ist die prätentiös künstlerische Fotografie
von damals in Acht und Bann erklärt. Die Foto-
grafie hat zu den ihr eigenen Mitteln und Wir-
kungsmöglichkeiten gefunden und verabscheut
die Raffinements (Retusche, Bromölverfahren
usw.), mittels deren man einst schummrige
Fotos ä la Rembrandt, ä la Monet usw. zuwege
gebracht hatte. Den Anspruch, als Kunst be-
wertet zu werden, aber hat sie mitnichten auf-
gegeben; nur gründet er sich heute auf den Glau-
ben an ihre Eigengesetzlichkeit. So liest man
im Katalog zu der vom Münchner Bund veran-
stalteten Lichtbildausstellung: die Fotografie stehe
im Begriffe, „eine autonome Kunst" zu werden,
die „sehr bald museumsfähig sein wird".
Nebenbei: der Schrei nach dem Museum nimmt
sich einigermaßen grotesk aus in einem Zeit-
punkt, wo fast sämtliche illustrierten Zeitungen
von der neuen Fotografie noch zu erobern wären.
Immerhin sein Sinn ist klar: das Museum soll
die Fotografie als Kunst legitimieren.
Die in München ausgestellten Fotos — die Aus-
wahl stellte das zweckfreie schöne Lichtbild
heraus aber schloß das Fo;ogramm grundsätz-
lich aus — sind zweifellos von einer ästhetischen
Vollkommenheit und einer Ausdruckskraft, wie
sie die Fotografie der jüngeren Vergangenheit
schlechthin nicht aufzuweisen hatte. (Man ver-
gleiche auch die erheiternde Demonstration des
Fotokitsches in der historischen Abteilung der
Kunst für Alle, Jahrg. lö, Heft ?, November 1930
65