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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Durach, Felix: Arbeiten des Bildhauers H. W. Brellochs, Stuttgart
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Gravencamp, Curt: Das Marienbild bei Mantegna und Dürer
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0128

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allseits blicken muß, um seine Lebenssituation
beherrschen zu lernen. H. W . Breilochs hat eine
besondere Veranlagung für die Gestaltung des
bildkünstlerischen Problemes, das im Porträt
und der freien Darstellung des menschlichen
Kopfes vorliegt wobei seine Arbeiten jedoch den
ganzen Lmkreis bildhauerischer Arbeiten um-
fassen. Es möge nur eine Reihe von ganz reizen-
den, so nebenbei entstandenen Kleinplastiken
erwähnt sein. Die plastischen Bedingungen des
Aufbaues, der Bewegung, der Komposition, der

Spannung jeder einzelnen Fläche usw., sie sollen
sich als selbstverständlich gekonnt unterordnen.
Darüber hinaus soll das wirklich künstlerische
Porträt eine Sprache sprechen, die vom Wesen
eines Menschen etwas ahnen läßt, die im tieferen
Sinne gültig ist als die sich dauernd wandelnde
Erscheinung des sogenannten natürlichenGesich-
tes. Darin liegt nun eine Aufforderung an den
Beschauer: nicht den Maßstab desVorübergehen-
den an den Gestaltungsversuch desW esenhaften

anzulegen. Dr. Felix Dnrach

DAS MARIENBILD BEI MANTEGNA

UND DÜRER

Mantegna — Dürer: vielleicht ist über das, was
diese beiden Meister voneinander scheidet, etwas
ausgesagt, wenn man sich besinnt, daß der eine
zu der Skulptur seines Zeitalters in einem inne-
ren Verhältnis stand, während der andere —
selbst ein Meister der Graphik — auch in seinen
Gemälden graphische Formelemente eigentlich
nie vermissen läßt. Es ist möglich, daß sich in
diesem grundsätzlichen Lnterschied der Persön-
1 j <dikeiten zugleich auch ein genereller ausspricht,

•■■ Gegensätzlichkeit der Nationen, denen Man-
na und Dürer angehören, die Gegensätze von

den und Norden, von Italien und Deutschland
im Zeitalter der Renaissance. Es darf jedoch
dabei nicht vergessen werden, daß zwischen ihnen
auch ein Unterschied der Generationen besteht,
dantegna gänzlich ein Meister des Quattro-
cento gewesen ist, während Dürer, in der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts beginnend, dazu
berufen war, die deutsche Hochrenaissance im
:fi. Jahrhundert zu ihrem Gipfel emporzuführen.
Das Marienbild war schon seit dem frühen
Mittelalter mehr als ein bloß künstlerisches
Thema. Es war zugleich auch Ausdruck von
der Auffassung einer der wesentlichsten Seiten
des menschlichen Lebens überhaupt: das Ideal
der Frau hat sich in ihm jeweils unmittelbar
verkörpert. Als italienisches und als deutsches
Ideal des Frauentums — so darf darum wohl
auch die Madonnengestaltung bei Mantegna und
Dürer ausgelegt werden. Das Persönliche wird
dabei überwiegend in dem besonderen Ausdruck
zu finden sein, das Nationale aber in der Form.
Marienbilder der beiden Meister (S. 118/119)

zeigen bereits klar die Lnterschiede. Mantegnas
Madonna ist ganz einsam und in sich versunken,
in streng geschlossener, fast sakral-hieratischer
Haltung bietet sie sich dar. Die Augen sehen
schwermütig über das Kind hinweg, als ob es
gar nicht da wäre, der herbe Mund ist geschlos-
sen und nach unten gesenkt. Wie ein Relief —
fast im Profil — von strengen Linien umrissen,
in gebundenen, in sich geschlossenen Flächen,
so baut das Bild sich auf. Bei Dürer ist dem-
gegenüber alles offen und gelöst. Die Augen
Mariens sehen heiter in die Welt, der Mund ist
froh lächelnd geöffnet, das Haar fällt in einer
großen Welle auf die Brust herab. Eine welt-
lich unbefangene Bürgerlichkeit sjDricht aus die-
sem ganz der Erde zugewandten Gesicht. Eine
heiligeJungfrau bei Mantegna — eine glückliche
Mutter bei Dürer.

Auch in späteren W erken bleibt sich dieses Ideal-
bild der Muttergottes bei beiden Meistern nahezu
gleich. Das Mittelbild von Mantegnas Altar in
S. Zeno stilisiert nur das Melancholische, Wel-
tenferne in den Rhythmus der Komposition
hinein, und das Jungfräuliche ist fast zu einer
göttlichen Erhabenheit erhoben. Bei Dürers
Holzschnitt „Maria von zwei Engeln gekrönt",
ließe sich eher von der ^ ielstimmigkeit eines
volltönenden Orchesters reden oder besser noch
von einem Jubilate, einem freudig angestimm-
ten hymnischen Chorgesang. Der grenzenlosen
Stille auf Mantegnas Bild entspricht wohl auch
eine gewisse innere Ruhe, die in dem Gesicht
Mariens unantastbar liegt, aber das graphische
Linienspiel übertönt gotisch-ekstatisch mit

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