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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Popp, Joseph: Das Kriegsehrenmal in Stralsund
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Gravenkamp, Curt: Corot und Vermeer van Delft: zwei Frauenbildnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0334

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ist nicht dekorativer Art, sondern Äußerung und äußeren Höhepunkt sammelt; das Licht
innerer Spannung, wie in der Gotik — deshalb darüber wie eine Aura, die von hier aus die ganze
ist es vollplastisch durchgeformt und von ent- Erscheinung ahnungsvoll umsäumt. Die monu-
schiedener Prägung. Zugleich wird so ohne das mentale Größe von 3.10m vollendet den Ein-
künstliche Mittel der Stilisierung etwas säulen- druck des Machtvollen und Feierlichen,
haft Unvergängliches, Ewiges in der Figur er- Man darf den Auftraggebern und der Stadt Stral-
reicht: form- und geistesverwandt seiner goti- sund zu diesem eigenartigen und gehaltvollen
sehen Umwelt. Dieser Christus ist eine herbe, Werk von Herzen Glück wünchen. Es ist ein
nordische Gestalt voll innerer Schönheit, die sich würdiger Zeuge gegenwärtiger Kunst, ebenbürtig
formal und inhaltlich im Kopf als ihrem inneren der Größe seiner mittelalterlichen Umgebung.

Prof. Jos. Popp

COROT UND VERMEER VAN DELFT:
ZWEI FRAUENBILDNISSE

Zwei Jahrhunderte stehen zwischen diesen bei- Freilichtstimmung bei Corot — Interieurstim-
den Bildnissen, und zwei Länder Europas tre- mung bei Yermeer: hiermit kommen auch am
ten aus ihnen klar hervor: Holland und Frank- ersten Lnterschiede zutage, welche in der Ma-
reich mit den Hauptepochen ihrer malerischen lerei das 19. vom 17. Jahrhundert scheidet.
Kultur, mit dem 17. und dem ig. Jahrhundert, Corot hat einmal von der Art seines Schaffens
und mit Meistern, die den Geist ihres Vater- gesagt: „Ich male, wie ein Kind Seifenblasen
landes eindeutig und prägnant in ihren W erken macht. Die Seifenblase ist noch ganz klein, aber
verkörpert haben. Und dennoch: es bestehen rund ist sie schon. So male ich an meinem
innere Beziehungen zwischen ihnen, über alle Bilde gleichzeitig immer an verschiedenen Stel-
räumlichen und zeitlichen, über alle nationalen len, bis der Gesamteffekt da ist." Vielleicht ist
und geschichtlichen Unterschiede hinaus. Eine so auch dieses Frauenbildnis entstanden, Yiel-
Verwandtschaft des Temperamentes bindet leicht hat der Meister mit den Perlen und mit
Corot an Venneer, den französischen Meister, den Augen begonnen, vielleicht hat er dann ein
der im Binnenlande, meist in der Nähe von wenig an dem lichten Blau und dem Olivengelb
Paris, seine Werke schuf, an den großen Hol- des Gewandes gemalt, am blaugrauen Hinter-
länder, der zeitlebens im Banne der Meeresküste, grund, und ist dann wieder zu dem Gesicht
in seiner Heimat Delft, seine wenigen Bilder zurückgekehrt, hat es aus dem weißen Mieder
malte. rund und lebendig werden lassen und zum
Zunächst aber will es scheinen, als ob in Corots Schluß die Hände hinzugefügt, die übereinander-
Bild der „Frau mit Perlen im Haar" das liegen wie die Hände der Mona Lisa. Und wenn
Licht und die Luft des Meeres seien und als ob dies alles auch nicht so wäre: es ist wirklich
Vermeers Mädchenbildnis im Mauritshuis von etwas von dem wechselvollen Spiel der Seifen-
der Stille des Binnenlandes getragen werde, blase in diesem Bilde, eine ununterbrochen
W ohl stimmen die beiden W erke in der Farben- fluktuierende Beweglichkeit, mit der die Farben
gebung nahezu miteinander überein : in beiden auch nach der \ ollendung noch ineinander zu
herrscht ein Zusammenklang von Blau und Gelb fließen scheinen.

mit Grau und Braun. Bei Yermeer aber leuch- Auf dem Porträt Vermeers stehen wohl die glei-
ten diese Farben aus dem Dunkel des Grundes chen Farben in einer ähnlichen Harmonie zu-
hervor, aus einem Braun, das, ohne atmosphä- sammen, dieselbe Kühle geht von ihnen aus,
risch belebt zu sein, eine übersinnliche Bäum- aber das Blau und das Gelb, das Grau und das
lichkeit bedeutet ; bei Corot hingegen stehen die Braun sind tiefer, die Stille ist größer, in der
Farben des Bildes selber mitten im Licht, sie sie nebeneinanderstehen, das Leben und der Tag
sind leicht wie der helle Tag, nicht schwer und liegen in weiter Ferne, weil statt ihrer das Schwei-
traumhaft wie auf dem Bildnis von ^ ermeer. gen und die Dämmerung herrschen. Die Perle

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