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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Ottmann, Franz: Wir und Amerika
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Esswein, Hermann: Joseph Damberger
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0343

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im Gange sind, wollte man sich drüben nicht
einmal entschließen. Landschafter aus verschie-
denen europäischen Ländern zu berufen? Wir
kennen die unvergleichlich schönen Landschaf-
ten Amerikas nur aus Photos und Kinos: Yel-
lovvstone Park, die Allegany-Mountains, Collo-
rado-Canon, Niagara, die großenStröme undSeen,
aber auch Kanada, die Mittelstaaten und Süd-
amerika mit ihrer tropischen Pracht, ihren wil-
den Kordilleren und verwirrend farbigen Buchten
— was für überwältigende Themen für unsere
Maler! Mehrere Museen in verschiedenen Städten
Amerikas, nur mit diesen Landschaften gefüllt,
würden sie nicht Millionen von Besuchern diese
Schönheiten erst recht sehen lehren und ihnen

so eine bedeutungsvolle Steigerung des Lebens-
gefühles vermitteln? Dem Lande selber hoch-
ragende Monumente seiner eigenartigen Schön-
heit und Größe bedeuten?

Ladet hundert Künstler auf ein, zwei Jahre ein
und dann wieder hundert andere und so fort
durch einige Jahrzehnte! In Abständen ausge-
stellt, dann gesichtet, in vorbereiteten Museums-
gebäuden zur Schau gebracht — was könnte das
Land, das leidenschaftlich verlangt, sich eine
große Tradition, ein breites Fundament aller
\ olksbildung zu schaffen, für geeignetere Stätten
ersinnen, um von hier aus, durch Belebung des
Kunstsinnes der gesamten Bevölkerung, das kul-
turelle Niveau gradweise zu heben? Franz Ott mann

JOSEPH DAMBERGER

Der sinnlichen und besinnlichen Kunst des
Malens ist die Tempobeschleunigung der Zeit-
entwicklung nicht zum besten bekommen. Ein-
zelne haben ihr persönliches Recht auf persön-
liche Kunst überzeugend nachgewiesen, die
meisten aber rangen vergeblich um den Geist
und verloren das Handwerk. Unter den Über-
lebenden aus klassischer Zeit der Münchner
Malerei ist kaum noch einer der Beirrung durch
die Zeitlage so heil entgangen wie Joseph Dam-
berger !geb. 1867 zu München), der uns gele-
gentlich seiner Jubiläumsausstellung in der
Galerie Heinemann (Januar 1928} durch die
vorbildliche Ausgewogenheit von Geist und
Handwerk in seiner intimen, jedoch keineswegs
Spezialistenhaft beengten Bilclform erfreute.
Der Spezialist des Gebietes, das hier in Rede
steht, der Bauernmaler, sammelt anekdotische
oder ethnographische Sensationen, erzählt, illu-
striert, bevor er sein Malertum zu dem Bericht
auf die Wagschale legt. Wir haben im ig. Jahr-
hundert im Verlauf der breiten Bewegung zum
Sittenbild zuletzt und am deutlichsten an
Defregger gesehen, welch köstliche Fülle male-
rischer Ursprünglichkeit durch diesen litera-
risch-illustrativen Zeitgeschmack gehemmt,
auf bestenfalls halbe VS irkung zurückgedrängt
wurde. Wir haben dann am Ausgang des alten
Jahrhunderts die Abkehr vom Genre und vom
Genre im Großen, vom Historienbild, als die
Befreiung, als die wesentlichste Vorbedingung

aller Kunst erkannt, die uns als moderne Men-
schen, als Kinder einer neuen Zeit anging.
Damberger, der bei W ilhelm von Diez lernte,
kommt damit noch aus der Nähe der Genre-
bewegung, doch stehen gerade jene Jahre, die
uns auch Max Slevogt als Diez-Schüler zeigen,
schon in vollem Umbruch zu der neuen Ent-
wicklung. Das Intime, Preziöse der Bildform
und die Freude am Delikaten der Pinselarbeit
— siehe dazu auch Slevogts Frühwerk, die
seinerzeit nur wegen des Themas als natura-
listisch verketzerte Danae — sind das einzige
Schulgut, welches Damberger aus dieser Nach-
barschaft, oder wenn man will Nachfolge, in
die anbrechende Epoche mit hinübernimmt,
um es in seiner ganz persönlichen Art umzu-
bilden. Er teilt alsbald die Abkehr der neuen
Zeit von der Ateliermalerei zugunsten des Frei-
lichts, wendet das Thema des Figurenbildes
zum bäuerlich Proletarischen, setzt sich mit den
älteren Kompositionsprinzipien auseinander zu-
gunsten des Ausschnitts und jener Präzisions-
beobachtung des Statischen und Motorischen,
die, angeregt durch die Pinselzeichner Japans,
dem einsetzenden Impressionismus des Lichtes
und der Farbe vorausging. Auch diese für die
weitere Entwicklung der europäischen Malerei
entscheidende Wendung hat Damberger erlebt
und bei mehrfachen Aufenthalten in Frankreich
und Paris eindringlich studiert, aber nicht, wie
Leibi und mehr noch sein Werkstattgenosse

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