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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Heimeran, Ernst: Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0213

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ANEKDOTEN

Hipponikus, des Kallias Sohn, -wollte seiner
Vaterstadt zu Ehren eine Bildsäule errichten.
Als ihm nun jemand riet, diese von Polyklet ver-
fertigen zu lassen, sagte er: „An ein solches Ge-
schenk werde ich nie denken, von welchem nicht
der, der es aufstellt, sondern der, der es verfertigt
hat, den Ruhm einerntet. Denn es ist offenbar,
daß, wer das Kunstwerk sieht, den Polyklet und
nicht den Hipponikus bewundern wird."

In Theben war durch ein Gesetz den Künstlern,
Malern sowohl als Bildhauern, ausdrücklich
vorgeschrieben, ihren bildlichen Darstellunsen
etwas Idealistisches zugeben. Für Darstellungen,
die etwas Unschönes zeigten — sei es auch ein
ganz der Wirklichkeit getreues Gesicht oder
Geschehnis — drohte das Gesetz mit einer je-
weils zu bestimmenden Geldstrafe.

Der berühmte französische Zeichner Paul Gavarni
erklärte, seine beste Arbeit sei ein Fächer, den
er für die Kaiserin Eugenie gemalt habe. Fortan
hießen die Kollegen Gavarni einen Y\ indmacher.

*

Neue Sachlichkeit im Altertum: Diogenes be-
hauptete, sogar Sokrates selbst sei üppig gewe-
sen. Denn an seinem Häuschen, an seinem Ruhe-
bette und an den Pantoffeln, die er zuweilen
getragen, habe er Überflüssiges gehabt.

Der Maler Pauson, ein Zeitgenosse des Spötters
Aristophanes, übernahm einmal von jemandem
den Auftrag, ein sich wälzendes Pferd zu malen,
stellte es aber im vollen Laufe dar. Als der Be-
steller die Arbeit erhielt, äußerte er seine Un-
zufriedenheit darüber, daß der Maler sich nicht
an die getroffene Übereinkunft gehalten habe.
Dieser aber versetzte: ,,W ende das Bild nur um,
so muß sich das Pferd wälzen." Man nannte
seitdem den Pauson einen sokratischen Maler:
denn auch des Sokrates Reden, kehrte man sie
um, ergäben erst den gewünschten Sinn.

Der Münchner Akademiedirektor X. X. charak-
terisierte die ganze weite Kunst mit einem kurzen
Wort. Er pflegte zu sagen: „Die Kunst ist schwer
aber sehr interessant."

Der auch als Lebemann berühmte Berliner Maler
Z. war gestorben unter Hinterlassung einer ge-
waltigen Schuldenlast. Da taten sich einige
Freunde zusammen zur Tilgung der Verpflich-
tungen. Man trat an verschiedene als großzügig-
bekannte Männer heran, unter anderen auch an
den Bankier F. Dieser jedoch lehnte es ab, sich
an der Sammlung zu beteiligen, indem er be-
merkte, er fände es pietätlos, so gegen die Inten-
tionen des Verstorbenen zu handeln.

Polvgnotus von Thasos und Dionysius aus
Kolophon waren beide Maler. Polvgnotus arbei-
tete seine inhaltsarmen Gemälde in Lebensgröße
aus. Die Arbeiten des Dionysius aber waren bei
aller Genauigkeit und höchstem Ausdrucke in
einem bescheidenen Maßstabe gehalten. Daher
sagte er: Polvgnotus sei in einer großen Kunst
klein: er aber in einer kleinen groß.

Dies wird von zwei Malerfürsten unserer Zeit
berichtet: Sie hätten darum gewettet, wer sich
den wertvolleren Mantel leisten könne. Der erste
stellte sich darauf mit einem kostbaren Zobel
ein, der mit brillantenbesetzten Spangen versehen
war; der andere aber trat in einer schlichten
Lodenpelerine auf und gewann die^Yette. Denn
er hatte als Futter ein Gemälde Botticellis darein
genäht.

Eines Tages ging Leibi mit Perfall auf die Jagd.
Perfall, das Gewehr über die Schulter gehängt,
schritt voraus und blieb einen Augenblick stehen.
„ Halt", rief Leibi, „bleib so stehen, ich mal dich ",
rannte nach Hause, holte sein Gerät und fing
an. Nach einiger Zeit wurde es Perfall zu dumm:
aber Leibi bedrohte ihn so ernstlich mit Ohr-
feigen, daß der schwächere Baron nachgab. Als
er endlich beinahe umfiel vor Mattigkeit, da war
auf der riesigen Leinwand nichts anderes zu
sehen, als ein kleines Stück Lodenhut — kein
Strich, keine Komposition ansonsten, nichts als
dieses sorgfältig ausgeführte Fleckchen Stirn-

c o o

mung, aus dem dann allerdings das berühmte
Bild entstand.

Ein Patzer zeigte Menzel eine seiner Arbeiten
und erklärte selbstbewußt, er male alles, was er
sehe. „Schade, daß Sie nicht auch sehen, was
Sie malen"', antwortete Menzel.

. E. Henneräa

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