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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Gravenkamp, Curt: Corot und Vermeer van Delft: zwei Frauenbildnisse
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Wolfradt, Willi: Otto Rodewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0337

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schwert die Seele dieses Mädchens aus der Däm-
merung emportaucht. Auch\ ermeer ist vielleicht
ebenso wie Corot von dieser Perle ausgegangen.,
als er anfing zu malen; aber sicher kamen dann
gleich die Augen und das Gesicht, alles übrige
erst ganz am Ende. Je weiter der Maler sich von
der Perle entfernte, um so farbiger wurde sein
Bild.

Wenn man von Corots Bildnis im ganzen sagen
könnte, seine Form sei gesucht worden und im
Suchen für immer beweglich geblieben, so wurde
das Bild Yermeers sicher gefunden, und eine

große Ruhe herrscht darum in ihm. Es ist ein

c

Akkord von tiefen Farben, die im Grau einander
finden, so wie Corots Bildnis einer Melodie ver-
gleichbar ist, in der die Töne sich aneinander-
reihen. Es ist die Schwere der Seele Hollands,
die aus \ ermeers Bildnis leuchtet, und es ist die
Leichtigkeit französischen Geistes, die Corots
Frauenbild belichtet, bei Vermeer eine Stille,
die vielleicht einmal zum großen Glück er-
wachte, bei Corot eine Beweglichkeit, die in
unbeschwerter Heiterkeit schon gegenwärtig

Werden durfte. Dr. Curt Gravenkamp

OTTO RODEWALD

W enn das Zurückgreifen auf eine Bildmethode
gewissenhaftester Gegenstandstreue und penibler
Ausführlichkeit vor einer Reihe von Jahren zu-
nächst etwas ^ erblüffendes hatte, so ist der
Kunstbetrachter inzwischen vollauf vertraut ge-
worden mit einer Darstellungsweise, der die
saubere und genaue Feinarbeit detailgerechter
Wiedergabe obenan steht. Minutiöse Sachklar-
keit der zeichnerischen oder malerischen Diktion
ist uns mittlerweile eine recht geläufige Erschei-
nung, und der von ihr schwerlich noch befrem-
dete Blick vermag bereits wohl unterscheidend
festzustellen, daß es im Bereiche dieses künst-
lerischen Prinzips neben vielerlei Abstufungen
des Schärfegrades faktischer Erfassung alle mög-
liehen generellen Abwandlungen gibt. So setzt
sich gegen die kalt registrierende Bestandsauf-
nahme deutlich ab die schneidende Grausamkeit
und Bloßstellungslust gewisser Bilder, so ein
spielerisches Aufsuchen winziger Einzelheiten
gegen jene bescheiden an das Objekt hingege-
bene Eindringlichkeit eines frommen Bealismus.
Es zeigt sich, daß die gleiche Methode einer bis
ins Kleinste sorgfältigen Sicherstellung weit aus-
einander liegende Ausdrucksziele verfolgen kann
und durchaus verschiedenen künstlerischen Auf-
fassungen zu dienen vermag.
Auch das Bildschaffen des Hamburgers Otto
Rodewald wird wesentlich bestimmt durch jenes
\ erlangen nach minutiöser Ausführlichkeit. Aber
es grenzt sich offensichtlich ab ebensowohl von
nüchterner Strenge und Pedanterie des Abschil-
derns wie von fanatischer Übersteigerung und

schroffer Akzentuierung des Details. Es hat
nichts zu tun mit kleinlicher Aufzählung von
[Nebensächlichkeiten, nichts mit der Indizien
sammelnden Spürsucht einer die häßliche Rea-
lität denunzierenden Erbitterung. Rodewald tritt
an die ATaturerscheinung vielmehr mit einer Art
von andächtigem Eifer und mit dem Zartgefühl
einer Bewunderung heran, die nichts übersehen
und übergehen möchte. Er baut sie nachgestal-
tend aus ihren feinsten Partikeln zusammen,
ohne sich je zu ungefährer Darstellung zu ent-
schließen. Denn kein Fleckchen scheint ihm
untergeordnet, und sein Bild soll gerade die
subtile Gerechtigkeit der Anschauung spiegeln,
vor der es kein Nebensächliches gibt.
Deutlicher noch als im Ölbilde offenbart sich
diese Auffassung in Bodewalds Zeichnungen,
vornehmlich in jenen, die er von einer nord-
afrikanischen Reise unlängst heimgebracht hat.
Der Aspekt sucht meist ein Panorama vieler hin-
gebreiteter oder aneinandergedrängter Formen
einzufangen, ein möglichst reich gegliedertes
Kompositgebilde, dessen vollkommen gleich-
mäßig ausgeführte Teile nicht anders verkettet
sind wie die Summanden einer Addition. Die
Unermüdlichkeit dieses Zusammensetzverfah-
rens ist das Gesetz, nach welchem nun wiederum
jeder Bildteil als ein Mosaik zahlloser zeichne-
rischer Moleküle durchgestaltet ist. Es wird nicht
nur das Mauerwerk körnchenweise Stein um
Stein zusammengetragen, sondern es besteht auch
etwa die windgekrauste Fläche des Meeres oder
die Himmelskuppel aus Tausenden kommaför-

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