Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

DOI Artikel:
Thorak, Josef: Über Plastik
DOI Artikel:
Schultze-Naumburgs Kampf um die Kunst, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0267

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
vor., daß ein Bildhauer vor eine Aufgabe gestellt
wird, an der er sich entfalten könnte, denn das
Bildwerk hat aufgehört, wie früher einem Zweck
zu dienen, seitdem die Architekten — aus lauter
Sachlichkeitsgefühl — sich von Plastik und
Malerei abgewendet haben. Sie schaffen keine
Flächen mehr, an denen der Bildhauer sich im
Großen erproben könnte. Größere Komposi-
tionsaufgaben für den Plastiker gibt es nicht
mehr, statt dessen werden höchstens Fragmente
und Torsi als Plastiken geboren. Wie bedeu-
tungsvoll ist es jedoch für den Bildhauer, ge-
meinschaftlich mit dem Architekten zu arbeiten.
Wie fruchtbar eine solche gemeinschaftliche
Arbeit ist, beweisen die schön abgestimmten
Größen- und Kompositionsverhältnisse zwischen
Plastik und Architektur der Antike.
Aus diesen Gesichtspunkten heraus versuchte
ich, gemeinsam mit dem Architekten, die Auf-
gabe der Charlottenburger Platzgestaltung zu
lösen. Sich ins Ganze einordnend und die
Bauanlage abschließend, sollten die Figuren
wirken.

Daß ich meine Arbeiten gleich in einem festen
Material, wie z. B. W achs herstelle, hat den
Zweck, die Eignung des Materials von vorn-
herein zu erproben. Denn meistens ergeben
sich Widersprüche, wenn man eine Plastik von
Gips in Bronze überträgt. Durch das längere
Arbeiten im festen Material reift auch der
Gedanke mit dem Handwerklichen im gleichen
Schritt.

Die Abbildungen des Grabmals L. beweisen
den Kompositionsunterschied zwischen Skizze
und freier Ausführung in Stein. An Hand dieser
Abbildunsen ist zu ersehen, zu welchen ?ewal-
tigen Vereinfachungen, Formenbehandlungen
und Abweichungen mich das Material während
der Ausführun;? geführt. Ich verleugne dabei
nicht meine ersten Gedanken, vernachlässige
auch nicht die Studien hierzu. Der Wert
eines Kunstwerkes beruht in der Komposition.
Man schöpfe immer aus der Natur, denn
die Natur ist das wichtigste Modell und führt
allmählich zur \ollkommnung und zur großen
Form.

SCHULTZE-NAUMBURGS
KAMPF UM DIE KUNST

Schultze-Naumburg ist bekanntlich von dem
thüringischen ^ olksbildungsminister Frick zum
Direktor der Weimarer Bauhochschule und
Kunstschule ernannt worden. Zwecks ..Reini-
gung"' der Weimarer Schulen hat Schultze
verdiente Architekten und Künstler entlassen.
Ferner hat das thüringische Yolkshildungs-
ministerium im Einvernehmen mit Schultze
eine Reihe moderner Kunstwerke aus dem
Weimarer Schloßmuseum entfernenlassen. Dazu
nimmt der Deutsche Museumsbund in folgender
Erklärung Stellung:

„Obwohl in einer offiziellen Begründung vom 27, JSov. 1950
diese Maßnahme als notwendig und in der Tendenz unpolitisch
bezeichnet wird, charakterisiert sich die Maßnahme durch die
folgenden Worte derselben Erklärung als eine parteipolitische:
,Dr. Frick ist der Anschauung, daß die ausgeschiedenen Künst-
ler in ihrer Kunst nichts gemeinsam haben mit nordisch-deut-
schem Wesen, sondern sich darauf beschränken, das ostische
oder sonst minderrassige X. ntermenschentum darzustellen'! Der
Weimarer Vorgang hat inzwischen durch die Gründung des

,Kampfbundes für deutsche Kultur' und die programmatische
Berliner Ausstellung im Parteihaus der TSSDAP, der weitere
Ausstellungen im Reich folgen sollen, eine charakteristische
Verallgemeinerung erfahren.

Demgegenüber sehen sich die beauftragten Träger und Führer
der Kunstpflege zu folgender Erklärung veranlaßt:

i.Ohne sich in eine Erörterung der besonderen in diesem
Falle betroffenen Kunstwerke einzulassen, erklären sie es
für ungewöhnlich und bedauerlich, daß eine Landes-
regierung, um in einer rein künstlerischen Frage ihren Ein-
fluß geltend zu machen, solcherweise in eine Museumsver-
waltung eingreift.

2, Mit der Sammeltätigkeit eines öffentlichen Museums ist
Parteipolitik grundsätzlich unvereinbar; das Museum hat
allen Bevölkerungsschichten zu dienen. Entscheidend für
die Bewertung eines Kunstwerkes kann lediglich sein künst-
lerischer Wert sein.

Der Deutsche Museumsbund erhebt vor der Gesamtheit des
deutschen Volkes mit aller Entschiedenheit Einspruch gegen
jede voreingenommene und unsachliche Einstellung der Be-
hörden zur Kunst der Gegenwart und zu ihrer Pflege in den
Öffentlichen deutschen Museen.''

250
 
Annotationen