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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Huschke, Konrad: Anselm Feuerbach und Johannes Brahms, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0192

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ANSELM FEUERBACH
UND JOHANNES BRAHMS

(Fortsetzung aus dem Februarheft)

Mit einer leidenschaftlichen Hingabe, die bei
ihm selten war. machte er für Feuerbach Propa-
ganda. Den federgewandten Allgeyer wußte er
zu bestimmen, einen großen Aufsatz über den
nach wie vor gesren Gleichgültigkeit, Unverstand
und Intrige schwer ringenden Künstler zu
schreiben. Anfang 1872 schrieb er ihm nach
Eingang einer neuen Feuerbach-Sendung: „Im
Frühjahr will ich Dir Dank sagen und Dir er-
zählen, was mir Dein herrliches Geschenk be-
deutet. Heute will ich Dir nur mit drei Worten
sagen, daß auch andere Leute entzückt sind von
unserem Meister... Daß Du nicht nur die pracht-
vollen Bilder so schön photographierst, sondern
auch den Leuten darüber etwas Gehöriges sagen
wirst, ist vortrefflich."' Durch den Erfolg seines
Aufsatzes ermutigt, schrieb nun Allgeyer noch
zahlreiche weitere Feuerbach-Aufsätze und als
letzte und belangvollste Arbeit seine umfas-
sende Feuerbach-Biographie. Inzwischen ver-
breitete Brahms seine photographischen Blätter
unter Freunden und Bekannten und bereitete
auch sonst in rührender Fürsorge allenthalben,
vor allem aber in W ien, seinem W ohnsitz, den
Boden für den großen Unverstandenen.
Auch bei einer weiter für Feuerbach wichtigen,
ja ihn zunächst soaar über die Maßen beciücken-
den Tat hat er aller Wahrscheinlichkeit nach
dieHand imSpiele gehabt. Hofrat von Eitelberger
in W ien, der einflußreiche Kunstgelehrte und
Schöpfer des „Österreichischen Museums", war
ihm gut bekannt. Bei ihm bohrte er so lange für
den großen Freund, bis Eitelhergers Interesse
sich zur Begeisterung verdichtete. Eitelberger
aber ist es dann hauptsächlich gewesen, der gegen
alle Schikanen feindlicher Elemente Feuerbachs
Berufung nach Wien durchgesetzt hat. Anfang
August 1873 erhielt der Maler einen glänzenden
Buf als Professor und Vorstand der neu zu er-
richtenden Meisterklasse für Historienmalerei
an die Kaiserliche Akademie der bildenden Künste
in W ien und nahm hocherfreut an. Es war die
erste in wahrhaft ehrender Form erfolgende
offizielle Auszeichnung, die ihm, nach einem
zwanzigjährigen künstlerischen Schaffen ohne-
gleichen, zuteil wurde. Das Deutsche Reich, sein

Vaterland, hatte ihn nicht nur nicht gefördert,
sondern geradezu mißachtet. „Von der Heimat
geächtet und verbannt", schrieb er einst, „kann
ich das Rätsel des Nichtverkommens nur in
meinem biegsamen und doch starken Naturell
gelöst finden, oder besser gesagt, die Rasse hat
mich gerettet und die Kunst." Nun huldigte ihm
Österreich. Seine Not schien geschwunden, der
Ruhm endlich errungen. „Die Wahrheit zu
sagen", jubelte er Anfang Oktober 1873 in einem
Brief an seine Mutter, „war ich nie so heiter
und fröhlich wie jetzt. W as habe ich noch zu
sorgen? Glück und Gelingen liegen in meiner
Hand. Talent und Stellunghabe ich. DieseW oche
geht es an die Arbeit."

Aber die Hoffnung war trügerisch. Fast zwei
Jahrzehnte hatte er in unbeschränkter künst-
lerischer Freiheit gelebt. Rom. sein Dorado, hatte
ihm nicht nur einen vorbildlichen Arbeitsraum
und ein unvergleichliches Menschenmaterial,
sondern neben einer klassischen Natur auch die
anregende Atmosphäre einer großen Kunstüber-
lieferung geboten. In W ien fand er wenig davon,
er war in eine der buntesten und bewegtesten
der modernen Großstädte versetzt, fremd, un-
erfahren und noch dazu nun durch ein Amt ge-
bunden. All das drückte, obwohl ihn seine Schüler
vergötterten und das Ministerium seinen W ün-
schen in ehrendster W eise entgegenkam, bald
schwer und immer schwerer auf seine unge-
duldige, sensible Natur. Dazu kam der Neid
und die Scheelsucht der Kollegen und die Miß-
gunst der einseitig eingestellten Presse, auch seine
in solcher Lage verhängnisvolle Neigung, allen
gegenteiligen Erfahrungen zum Trotz die W elt
in Sachen der Kunst immer wieder in rosenrotem
Licht zu sehen und ihr seine eigenen geläuterten
Ansichten zuzutrauen. Vom Schein der glück-
verheißenden Umstände verführt, spann er sich
in den Glauben ein, daß seine zwei neuesten
Schöpfungen, die er sofort ausstellen wollte,
einen unbestrittenen Erfolg haben mußten. Es
war sein zweites Symposion (Gastmahl des Plato 1
und die Amazonenschlacht, beides hochbedeu-
tende, aber zufolge ihrer Sonderart nicht leicht
zu fassende Schöpfungen.

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