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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Seybold, Cattina von: Erinnerungen an Wilhelm Leibl: zur 30. Wiederkehr seines Todestages am 4. Dezember 1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0121

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„is so was no net da g'wesen. Und für wen denn Hatte der schweigsame Maler sich auch Schillers
nachher?" „Für'n Leibi!" Kaum unterbricht er Mahnungzum Leitwort erkoren: „Bilde, Künstler,
sein Spiel, seelenruhig überfliegt er das Biatt, gibt rede nicht!", so entbehrte er doch nicht eines
es an Freund Sperl weiter: „Also meine Herren, trockenen Humors. Jüngst sitze ich vor meiner
ich spiel! Herz ist Trumpf!" So wenig berührt Staffelei im Freien. Kommt ein Bauernknecht
ihn die Nachricht, daß seine „Dorfpolitiker" um desWegs. ..Gel, malen", sagt er, „dabrauchst scho
einen damals unerhörten Preis nach Amerika ver- an Kopf dazua. I hab a ein' kennt, an Maler."
kauft sind. Aus zweiter Hand allerdings. Nichts „So, wen denn?" ..An Leibi hab i kennt. G'malen
für ihn als die Ehre. Da dämmert's den Honora- hat er mi wiari Hüatabua g'wen bin auf der
tioren: „Also so einer is dös, einer, der einmal ins Schuhbräu-Alm. .Geh her", ruft er mi, ,halt ein-
Lexikon hineinkommt." „Alsdann weiter! V\ er mal den Ochsen, aber fest!' Und an ganzen Vor-
kommt dran?" mittag hab i dös Viech g'halten, und wia's aus is.
So merken sie es allmählich, welche Ehre es ist, da san mer alle zwei dag'standen, einer schöner
wenn der Leibi einen von ihnen malt oder zeich- als der ander, der Ochs und i. ,Sakra', sag i, ,dös
net. Und nach Jahr und Tag, da verstehen sie auch, kunnt i net machen, net um hundert Taler!' ,Um
daß man damit Geschäfte machen kann. Nur die hundert Taler', meint der Leibi, ,da könnt'ich es
Hausmagd beim Kaufmann Meyer, wo er wohnt, auch nicht machen.'"

die kann es nicht begreifen: „Alles muß er ver- So bescheiden das jetzt gern besuchte Moorbad
schmieren, der Herr Professor! Hat er net gestern Aibling damals noch war, diesem einsiedlerischen
den ganzen Eichentisch in der Stuben verschan- Sonderling war es dennoch allzu großstädtisch
delt mit die Köpf von seine Freund, die bis in die und er zog sich nach Kurterling zurück, einem
Nacht hinein mit ihm bokuliert haben. Und wia in Obstgärten vergrabenen Bauerndorf am Fuße
san's zum Kennen: der Tierarzt Pieindl, der Kauf- des Wendelstein. Sein einziger Begleiter Freund
mann Meyer, der Apotheker Bieder aus Bosen- Sperl, der feine Landschafter, der sich selbstlos
heim." Gradrüppeln muß sie, daß sie's wegbringt. in den Schatten des großen Freundes stellte. Wie
dös G'schmier. eine gute Mutter nahm er dem Gefährten alle
Der alte Briefträger Wild, der könnte sich noch kleinlichen Sorgen des Alltags ab und wachte mit
heute alle Haare ausraufen, wenn er daran denkt, rührender Sorge über dessen Gesundheit,
wie er einmal die Post bringt in das Atelierhäusl In der einfachen Bauernstube, in welcher einzig
an der Glonn, — und da kniet der Leibi vor dem ein breites Fenster die Malerwerkstatt verrät,
riesigen Kachelofen und heizt mit Studien und steht ein behaglicher Kachelofen, darum nach
Skizzen ein. Eben soll eine Kohlenzeichnung von bäuerlicher Sitte eine Ofenbank läuft, darunter
König Ludwig ins Feuer wandern: „Oder magst die Hühnersteige mit den gackernden Bewohnern,
vielleicht du sie behalten, Wild?" „Ja, mögen tät Auf der Bank liegt ein harter Holzpfühl, auf dem
ich's schon, aber Sie wissen ja selber, Herr Leibi, der schon Kränkelnde die Mittagsruhe hält. „Aber
wie eng daß es in meiner Stuben is, und alle W änd daß Sie sich kein Kissen anschaffen, Herr Pro-
voll Heiligenbilder und Kameraden vom Militär. fessor, Sie könnten sich das doch leisten?" fragt
und dann derschöneÖldruck vom König, denkann die Nachbarin. ..Nein, das könnte ich mir nicht
idonet wegtunwegen soraschwarzen Zeichnung." leisten", erwidert der Maler, „denn wenn es gar
„Nein, deris freilich noch schöner." — Lud schon zu bequem wäre, würde ich gar nicht mehr auf-
lecken die Flammen giei'ig am König Ludwig. stehen zum Arbeiten."

E. WEN Z-YIETOR. AUS ..SCHELM EXGESINDEL'
Verlag W. Lange wiesche-Brandt, Eben hausen

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