Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

DOI Artikel:
Huschke, Konrad: Anselm Feuerbach und Johannes Brahms, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0167

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Natur. Dies leuchtet nicht allein aus seinen
Briefen und Schriften, sondern auch seine
Schöpfungen zeigen es uns auf Schritt und Tritt,
ja eine der letzten und ergreifendsten, das „Kon-
zert", ist sogar nichts anderes als eine Allegorie
der Musik, ein Werk, in dem das Intime und
Seelenvolle, das das Wesen aller echten Musik
ist, schönsten Ausdruck findet.
Dazu kommt, daß eine größere Harmonie der
künstlerischen Grundsätze als die zwischen ihnen
auch im einzelnen sich kaum denken läßt. Über-
blicken wir die Charakteristika der Feuerbach-
schen Kunst, ihren allem theatralischen Pathos
und aller Banalität fernen vornehmen Adel,
ihren feierlichen Ernst und ihre tiefe Poesie, die
Plastik ihrer Gestalten, ihre von allem Sinnen-
reiz geläuterte reine Schönheit, ihr jeder auf-
dringlichen Pose in Farbe und Beleuchtung,
jeder Übertreibung im Ausdruck abholdes hohes
Ebenmaß, ihre nie versagende, aber von aller
Phantasterei freie, von einem klar abwägenden
Verstand geleitete Phantasie, ihren der weichsten
Empfindung und edelsten Anmut fähigen und
doch keiner ungesunden Y\ eichlichkeit auch nur
irgendwie zugeneigten, vielmehr allein auf wahre
Schönheit gerichteten Seelenausdruck, der nie
einen Zug von Süßlichkeit und Frivolität hat
und gewiß oft von größter Leidenschaft bewegt,
aber stets formal gebändigt ist.
Ist es uns da nicht, als sähen wir im Spiegel
dieser Kunst dieBrahmssche Kunst, ihre schlichte,
innige Größe, ihre herbe Schönheit, ihren unver-
gleichlichen Adel, ihren stolzen Verzicht auf Pose
und Phrase, ihren Mangel an jeder Sentimen-
talität, ihre große Zurückhaltung im Kolorit,
ihre tiefe Innerlichkeit und ihre starke, aber
beherrschte, nicht hinausgeschriene Leiden-
schaft, endlich die plastische Schärfe ihrer Um-
risse und die \ollkommenheit ihrer formalen
Gestaltung?

Ganz feuerbachisch klingt es auch, wenn Brahms
sagt: ..Das. was man eigentlich Erfindung nennt,
also ein wirklicher Gedanke, ist höhere Ein-
gebung, Inspiration, d. h. dafür kann ich nichts.
Von dem Moment an kann ich das Geschenk gar
nicht genug verachten, ich muß es durch un-

aufhörliche Arbeit zu meinem rechtmäßigen,
wohlerworbenen Eigentum machen." Bei dem
hohen Wert, den Feuerbach auf das Ausbauen
der ihm „von der Gottheit geschenkten" genialen
Einfälle legte, könnte er das gleiche geschrieben
haben.

Brahms sagt weiter: „Erst durch vieles Hin und
Her, Prüfen und Erwägen, Verwerfen und Um-
gestalten gewinnen Sie den richtigen Einfall,
und das Thema kommt. Alles muß notwendig
sein und an der rechten Stelle stehen, jeder zu-
fällige Effekt sorgfältig vermieden werden. Um
aber zur Erkenntnis dessen zu kommen, was
notwendig ist, bedarf es heißen Bingens."
So dachte auch Feuerbach. Und außer in der
zuweilen fast überspannten Gewissenhaftigkeit
und Gründlichkeit in ihrer Kunst waren sich
die beiden Meister, was bei ihrer Auffassung
von deren hohem Ernst nicht verwunderlich ist,
auch darin einig, daß sie platte Schmeicheleien
und wortreiche Phrasen von Begeisterung ver-
ächtlich fanden und solche Schwätzer mit rück-
sichtsloser Schärfe abfertigten, wie sie auch
keinen Sinn für die banale Gemütlichkeit der
Mittelmäßigen und Faulen hatten, die über alles
Außerordentliche lachend hinwegscherzt, und
dergleichen Naturgebilden weit aus dem Wege
gingen.

Es bleibt darum immer wieder zu bedauern,
daß sie zufolge der wenigen disharmonierenden
Züge ihres Wesens sich persönlich nicht so nahe
kamen, wie es hätte sein müssen. Brahms ließ
sich durch Feuerbachs menschliche Absonder-
lichkeiten nicht abschrecken. Er vertiefte sich
seit seiner Bekanntschaft mit ihm sogar noch
mehr in seineYV erke, gerade als fände er in ihnen
seine Kunst wieder. Die antike Kunst und das
Gebiet des griechischen und römischen Mythos,
denen Feuerbach glühend ergeben war, ge-
wannen nun auch auf ihn bedeutsamen Einfluß :
man denke nur an seine in antiken Anschau-
ungen wurzelnden Tondichtungen, wie die Bhap-
sodie, das Schicksalslied, den Parzengesang und
endlich die Nänie, die noch eine besondere Be-
deutung für sein V erhältnis zu Feuerbach er-
langen sollte. Dr. Konrad Huschke-TVeimar

(Fortsetzung dieses Aufsatzes folgt)

155
 
Annotationen