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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Heilmaier, Hans: Giorgio de Chirico
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0175

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Metaphysique" sind die gegebenen Titel für die Raffinesse in Ausführung gebracht. Das uner-
makellose Romantik, den irrealen Charakter.. schöpflich dünkende Inventar einer krausen Ar-
die allem Wirklichen in diesen frühen Bildern chäologie geistert vor den Augen des unvorbe-
ihren Stempel aufprägen. So fern und fremd reiteten Beschauers auf der Leinwand. Manne-
die von Chirico gebrauchten malerischen Mittel quins zyklopischen Ausmaßes und vonhierarchi-
im Vergleich zu jenen seiner französischen Kolle- scher Gebärde halten die desperaten Trümmer
gen (der Kubismus stand im Zenith seiner Reali- undFragmenteeinesinEilegeplündertenForums
sationen) scheinen mögen, die Wirkung der aus auf den mächtigen Knien. Ein Raum mit einem
großen farbigen, in eine gähnende Perspektive Tisch als einzigem Möbel, auf dem Kapitale,
einmündenden Flächen gestalteten Kompositio- Giebelzierat und antike Objekte — verwunschene
nen bleibt überaus packend. Beute eines Pompeji-Streifzugs — in kunter-
Die Surrealisten haben den Chirico dieser Epoche buntem Nebeneinander existieren. Dann wieder
als Führer ihrer Schule proklamiert, was sie je- springende, sich bäumende Pferde am Meeres-
doch nicht hinderte, sein späteres Werk als \ er- ufer, steil ragende Felsen und Tempelbauten als
rat an ihren ins exzessiv Literarisch-Symbolische theatralischer Hintergrund,
umschlagenden Ideen zu brandmarken. Die teils graphische, teils auf starken Schwarz-
Die Jahre nach dem Kriege kennzeichnet das Weiß-KontrastenberuhendeMalweiseistevident.
sichtlicheBemühenumeinebessereBeherrschung In voller Meisterung des Metiers erlaubt sich
der Mittel, wenn man will, der Technik. Eine Chirico manchmal allzu leichte Kombinationen,
Zeitlang lassen sich die Arbeiten Chiricos mit die zu virtuosen Resultaten führen: ein Minus, das
den Recherchen und Ideen der „Valori Plastici" man Malern seines Lmfangs ungern verzeiht,
identifizieren und gewisse Leinwände Carräs Chirico ist das glänzende Beispiel, der besondere
aus jener Epoche haben denn auch viel Gemein- Fall des fatalen Gesamtaspekts der vom Gestern
sames damit. bedrohten und doch nur von diesem Gestern
Wie fast alle italienischen Künstler, so beschäf- zehrenden italienischen Kunst. Er zieht daraus
tigte sich auch Chirico eingehend mit den Ar- die richtigen Konsequenzen. Er befreit sich von
beitsweisen und Theorien der Alten. Lms Jahr einem übermächtigen Erbe, indem er die Mög-
1925 etwa besucht er wieder eifrig die Museen lichkeiten sucht und findet, die brauchbaren
seines Landes und steht eine Weile ganz unterm Elemente dieses Erbes mit denen seines eigenen
Bann der Renaissancemalerei. Er malt Porträts, VS erkes zusammenzuschweißen. So spiegelt sich
deren Realismus eine nicht sehr glückliche Ehe das \ergangene in seinen Bildern und wir neh-
mit der Gestaltungsweise des Cinquecento ein- men es halb melancholischen, halb ironischen
geht. Lächelns hin. Über den mit Gegenwartsaugen
In den Bildern der letzten vier Jahre kommt der geschauten Schädelstätten der Antike wölben sich ,
alte Chirico, wenn auch gehäutet, wieder zum das Einst mit dem Heute versöhnend, die strah-
Durchbruch. Seine Palette ist differenzierter, lenden Firmamente Griechenlands und Roms,
die kompositioneilen Einfälle sind mit mehr Heilmai«

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