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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Huschke, Konrad: Anselm Feuerbach und Johannes Brahms, [2]
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resigniert: ..Ich suche ihn recht oft in seinem
Haus vergebens. Soviel ich weiß, verbringt er
viel Zeitin V\ irtshäusern, wohin ich freilich nicht
viel suchen gehen kann."' Dann faßte er ihn aber
doch wieder und brachte ihn vor allem in den
fröhlichen Kreis bei Gause. Dort brach auch zu-
weilen die zweite Natur Feuerbachs durch, die
heitere, froh genießende, die den Scherz liebte
und sich den Freuden einer edlen Geselligkeit
hingab, und die Musik war gewöhnlich das Heil-
mittel, das den Bann hob, der sein Gemüt be-
klemmte. Durch Taktlosigkeiten zweier niedriger
Spottnaturen wurde ihm leider auch diese Stätte
der Freude verleidet. Mit dem einen, einem ver-
trauten Freunde, ist Brahms deswegen für immer
auseinandergekommen.

Als Feuerbach nach Aufgabe seiner Stellung
Wien für immer verlassen hatte und in \ enedig
lebte, ersah man schon aus Äußerlichkeiten, daß
er die so licht und hoffnungsstark begonnene
und so tiefschmerzlich und trübe zu Ende ge-
gangene Y\ iener Zeit nicht verwinden konnte.
W as der von der Natur gröber geschnitzte Brahms
leicht ertragen hatte, brachte ihm schließlich
das Verderben. Er hatte allerdings auch fast sein
ganzes Leben unter Verkennung leiden müssen.
„Die Anweisung auf die Nachwelt", klagte er,
„ist kein Ersatz für den lebendigen Pulsschlag
verwandter Herzen und für liebevoll ermun-
terndes Eingehen und Aufnehmen, dessen der
Künstler für sein Schaffen bedarf wie die
Pflanze des Lichts der Sonne zum Wachsen."
Am 4- Januar 1880 ist er in ^ enedig einsam am
Herzschlag gestorben.

Brahms'ungeheure Erschütterungläßt sich schon
daraus erkennen, daß er der schwergeprüften
Mutter kein Zeichen der Teilnahme zu geben
vermochte. Es schien ihm unmöglich, mit Wor-
ten das auszusprechen, was er fühlte. Aber nicht
lange danach schuf er im Gedenken an den Freund
ein Meisterwerk, nämlich die \ertonung von
Schillers „Nänie", auf die Hanslick später den
Ausspruch angewandt hat, den Feuerbach über
sein Bild „Poesie"' getan hatte: „Es ist kein Bild
nach der Mode, es ist streng und schmucklos.
Ich erwarte kein \ erständnis dafür, aber ich kann
nicht anders. Und wer sich die Mühe nimmt, es
lanee anzusehen, den wird daraus etwas an-
wehen, als ob das Bild kein Bild unserer Zeit
sei." Auf Feuerbachs geliebter Antike bauen sich
Schillers erhabene Worte auf. Und ein „bedeu-
tungsvoller Zufall" wollte es außerdem, daß
gleich das erste mythologische Beispiel Schillers:

Orpheus, der Eurydike dem Schattenbeherrscher
entführen will, eines seiner herrlichsten Bilder
berührt. Gab es also eine beredtere, schönere
Totenklage für den großen Heimgegangenen
als die Vertonung dieses Gedichts'?
„Hochgeehrte Frau!", schrieb Brahms an Hen-
riette Feuerbach, ..Erlauben Sie, daß ich ohne
weitere Vorrede Ihnen eine Bitte vortrage. Ich
habe in der letzten Zeit das Gedicht Nänie- von
Schiller für Chor und Orchester komponiert.
Gar oft mußte ich, wenn mir die schönen Worte
durch den Sinn gingen, Ihrer und Ihres Sohnes
gedenken, und ich empfand unwillkürlich den
Wunsch, meine Musik seinem Gedächtnis zu
widmen. Damit dies ein äußeres Zeichen habe,
erlaube ich mir die Frage, ob ich das Stück,
falls ich es veröffentliche, Ihnen zueignen darf.
Es ist möglich, daß Sie das nicht wünschen, ja
daß Sie sogar nicht gerade gern an mich erinnert
sind, denn u. a. haben Sie in einer Zeit, in der
Ihnen gewiß viele Zeichen der Teilnahme wurden,
von mir kein Wort gehört. Und doch werden
wenige herzlicher Ihrer gedacht haben und gewiß
wenige Ihren herrlichen Sohn ernstlicher ver-
ehren als ich. Falls mir Ihr Wohlwollen ein
wenig erhalten blieb und falls es Ihnen kein
unangenehmer Gedanke ist, Ihren und den Namen
Ihres Sohnes mit dem meinen in der angedeu-
teten Weise verbunden zu sehen, bitte ich um
ein Wort der Einwilligung. In hoher Verehrung
Ihr ergebener Johannes Brahms."
Henriette Feuerbach sagte zu. Im Frühjahr 1886
war sie mit Brahms das letztemal zusammen.
In Berlin unter Joachim hat sie im gleichen
Jahre die „Nänie- erklingen hören. 1892 ist sie
hochbetagt gestorben, von Brahms bis zuletzt
hoch verehrt und bewundert.
Um ganz wenige aber hat er tiefer und leiden-
schaftlicher getrauert als um ihren Sohn, den
großen, hochgesinnten Schüler der Griechen,
der sich, trotz aller Freundschaft, auch ihm im
Letzten versagthatte. Er erlebtenoch mit schmerz-
licher Freude, wie der Buhm des Freundes end-
lich emporstieg. Das Buch Allgeyers hat er mit
Inbrunst gelesen. Es erschien ihm „so ganz er-
füllt von seinem stillen, schönen, ernsten Geist,
als wär's ein Stück von ihm". Als er 1897 heim-
gegangen war, konnte sich Allgeyer in einem
Gedenkworte tiefbewegt glücklich preisen, „im
Lichte des schönen Doppelgestirns Feuerbach
und Brahms"' den größten Teil seines Daseins
gewandelt zu sein.

Dr. Konrad Huschke-Weimar

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