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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Benno Elkan
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Kehrer, Hugo: Italien und das deutsche Formgefühl, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0411

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trieb zu betätigen. Ein Städtebiicl oder ein
Landschaftsausschnitt auf der Rückseite einer
Medaille wirkt mehr erzählt als plastisch ge-
formt. Und die symbolhafte Deutung von Per-
sönlichkeiten ist von einer so naiven Unbe-
fangenheit, die man bei dem klaren und strengen
Charakterinterpreten nicht vermutet. Es ist ein
Schuß rheinischen Blutes., der darin zum Durch-
brach kommt. Der Grundzug seines V\ esens
aber ist nicht die Heiterkeit. Seine schwere
Lebensauffassung neigt viel eher zur Melan-
cholie. Nicht dem Zufall des Auftrags allein ist
es zuzuschreiben, daß Benno Elkan so viele
Grabmäler gemacht hat. In der Paraphrasierung
des Todesmotives, abgestimmt zu der jeweiligen
Persönlichkeit des Verstorbenen, wirkt sich die
eigene Gedankenwelt des Künstlers aus. Das
Schicksalbeschwerte., das unentrinnbar dem
Tode Zustrebende des Lebens formt sich in
vielfältigen Abstufungen immer wieder zum
Motiv der Klage, mit dem Elkan einst seine
künstlerische Laufbahn begonnen hat.
Einen Künstler, dessen Innenleben so stark um
das Denken an den Tod kreist, mußte es aus
seinem tiefsten VN esen heraus drängen, die
Trauer und den Schmerz um die Massen opfer
des Weltkrieges zu gestalten. Die klagenden
Frauen seiner Kriegsopfer-Denkmäler sind das
ins Monumentale gewachsene allgemeine Leid.
Diese Denkmäler, bei denen in jeder Linie der
Silhouette, des Körpers und des Gewandes der
Schmerz mitklingt, bedeuteten für Elkan Auf-
gaben, durch die sich sein eigenes Zeitbild und
Weiterleben zum plastischen W erk kondensie-
ren durfte. Und es ist daher gewiß kein Zufall,
daß diese Monumentalfiguren, die erwachsen
sind aus der Weltanschauung ihres Schöpfers,

im Gegensatz zu den Bildnisarbeiten, eine ganz
eindeutige formale Entwicklungslinie erkennen
lassen, die schon in dem Frühwerk der Perse-
phone beginnt und ihre letzte und auch stärkste
Entfaltung in dem Mainzer Befreiungsdenkmal

c p

gefunden hat. Es ist selbstverständlich, daß
Elkan die Befreiung des Bheinlandes nicht in
siegfriedhafter Phrase darstellen konnte. Die
Mainzer Figur ist eine Schwester der trauern-
den Frauen in Frankfurt und Völklingen. Nur
mühsam ringt sie sich los von der Last der
Leidensjahre. Sie ist das Erwachen aus einem
schweren, albbelasteten Schlaf. Dieses Nieder-
ringen der dunklen Kräfte in sich zu hoffnungs-
vollem Erwachen des Selbstgefühls in dem
Mainzer Denkmal, das ist vielleicht die stärkste
Form der Lebensbejahung, deren Elkan fähig
ist. Die Denkmäler von Frankfurt, Völklingen
und Mainz zeigen den Weg des deutschen Vol-
kes in den Jahren 1918—1930, darum mußten
sie in Granit gemeißelt werden, um die Größe
dieses Schicksals auch durch die Unvergäng-
lichkeil des Materials auszudrücken.
W er so wie Benno Elkan in sich seine Zeit
erlebt und zum stärksten Impuls seines
Schaffens gemacht hat, der muß zeitgebunden
und zeitverbunden sein. Das Zeiterlebnis äußert
sich bei ihm nicht in der formalen Geste, son-
dern im Seelentum, das sich in den Köpfen der
geistigen Führer ebenso wie in den symbol-
haften Gestalten spiegelt. Und weil Benno Elkan
das W esen der Menschen seiner Zeit gedeutet
und das seelische Bingen des gesamten "\ olkes
gestaltet hat, darum ist er der Gegenwart viel-
leicht stärker und inniger verbunden, als der
flüchtige erste Eindruck der fast zeitlosen Form
vermuten läßt. Dr. W. Seh.

ITALIEN UND DAS DEUTSCHE FORMGEFÜHL

(Fortsetzung von Seite 332/

So wird das Studium des Italienischen zum
Schicksal der deutschen Kunst. Gerade das ist
das Interessante in diesem Buche, daß es unter-
sucht und fragt, warum und inwieweit der Nor-
den auf italienische Klassik eingehen mußte!
Y\ ölfflin läßt uns durch Dürer die Antwort er-
teilen: Dürer hätte die italienische Form gar

nicht sehen können, wenn er nicht eine irgend-
wie verwandte Einstellung von sich aus mitge-
bracht hätte, das neue Welsche ist ihm nicht
ein ausschließender Widerspruch zur traditio-
nellen deutschen Gotik gewesen, sondern nur
eine Schönheit mehr: „es gibt eben im deut-
schen Formgefühl den Doppelcharakter!"'

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