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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Stahl, Fritz: M. v. Schwinds Hochzeit des Figaro
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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0150

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AI v. SCHWINDS HOCHZEIT DES FIGARO

VON

FRITZ STAHL

IE Gesellschaft für vervielfältigende
Kunst hat in diesem Jahre, dem Säku-
larjahre des Moritz von Schwind, in
einer sorgfältigen und prächtigen
Publikation eines seiner Jugend-
werke herausgegeben: den Hochzeitszug des Figaro.
Nicht vielleicht zu „prächtig"? Ich hätte eine
andere Form gewählt. Ein Büchlein nicht viel
grösser als einer dieser anmutigen Almanache der
Biedermeierzeit, in hellgrün glaciertem Papier,
Schrift und Schnitt in Gold. Ein Büchlein, das
man mit zarten Händen anfasst. Das nur Menschen
mit zarten Händen überhaupt anfassen, Frauen und
Dilettanti, das man lächelnd aufnimmt und lächelnd
fortlegt, ansieht und nicht betrachtet. Ein Büchlein,
das unmittelbar etwas von der Stimmung der Zeit
und der Stadt mitteilt, in denen es geboren wurde,
von dem Wien der zwanziger Jahre, wo in den
Salons das graziöseste Empiremöbel stand und auf
Kommoden und in Schränken das schönste Porzellan,
und schwärmerische Frauen in duftigen hellen Klei-
dern und mit kühn gelockten Frisuren am Klave-

zimbel Schubertsche Lieder sangen, von diesem
Wien, das damals vielleicht die feinste Stadt der
Welt war.

Dort hat der Knabe Schwind — er war neun-
zehn Jahre alt und hatte nur zwei Jahre in der Aka-
demie gezeichnet—diese Bilder geschaffen. Schubert
hat sich daran gefreut, was ihn sehr glücklich, und
Beethoven hat sie in seinen letzten Lebenstagen um
sich gehabt, was ihn sehr stolz machte. Die letzte
Tatsache hat er in einer Notiz auf dem Umschlag
verewigt.

Unsere Knaben arbeiten anders. Sie malen
Studie um Studie, und viele bleiben ihr ganzes
Leben lang dabei. Damals gingen auch die Jungen,
von ihrem Standpunkt, auf ein Werk aus. Ich will
hier nicht entscheiden, was besser ist. Ein so
jugendliches und freifröhliches Werk hat jedenfalls
seine Reize.

Freilich, eine eigene Formensprache wird man
bei diesem autodidaktischen Kiinstlerknaben nicht
suchen dürfen. Er selbst suchte sie nicht. In einem
Haus aufgewachsen, in dem die litterarischen und

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