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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0187

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Licht- und Schatten-, ja Weiss- und Schwarzwirkungen
noch mehr in die Gefolgschaft von Rembrandt zu setzen.
Man muss speciell an den Rembrandt der Anatomie des
amsterdamer Museums denken, wenn auch eine be-
sondere Anschmiegung — dem durchaus persönlichen
Naturell Trübners gemäss, die „touche" ist eine völlig
verschiedene, — nicht nachzuweisen ist.

Eine unendliche Weite scheidet diese schönen Ge-
mälde des „Mohren" und des „Christus" von den jetzt
oder vor kurzem entstandenen lebensgrossen Bildnissen:
einem Leutnant zu Pferde und einer berittenen Dame vor
einem Waldhintergrund. Man kann den Unterschied
nur so charakterisieren, dass die Erzeugnisse der ersten
Epoche Trübners aus den Zeiten eines instinktiven
SchafFens stammen, und dass in die Arbeiten der letzten
Jahre das Bewusste und die Sicherheit des Könnens
eines reifen Meisters eingetreten ist. „Kam Sommer
Herbst und Winterszeit . . . wem's dann noch will ge-
lingen" . . . usw. — wie's in den Meistersingern heisst!

Einige schöne Landschaften aus neueren Tagen ver-
ringern beiSchulte dieKluft, die sich zwischen den alten
und den neuen Figurenbildern ergiebt. Wir finden da
einen „Blick auf den Odenwald", mit prachtvollen Tönen
im Mittelgrund, mit einem gesättigten koloristischen
Leben in den Hügeln und der Luft, so dass man über die
Steifheit der an sich gleichgültigen StafFagefigur im
Vordergrund hinwegkommt; und eine Rasenfläche mit
einem Hintergrunde, der durch die weissen Mauern des
Klosters Herrenchiemsee gebildet wird, erfreut uns.
Einige schöne kleinere Arbeiten aus der alten Epoche
von Trübner ergänzen diese Sammlung.

An der gegenüberliegenden Wand breitet der Schwede
Karl Larsson eine Reihe seiner Arbeiten aus. Ich weiss
nicht recht, warum, doch hier gefallen sie mir nicht,
obwohl sie die gleiche Faktur — vielleicht weil sie die
gleiche Faktur verraten wie die, die Larsson auf der
Schwarz-Weiss-Ausstellung der berliner Secession zeigte.
Es mag sein, dass hier verhältnismässig zu viele Arbeiten
Larssons vorgeführt werden; jedenfalls scheint es jetzt,
als hätte der schwedische Künstler ein Patent auf diese
Zimmer mit Kindern genommen, in denen immer ein
rotes Möbel steht oder wenigstens eine roteThürfüllung
das bekannte LarssonscheRot ergiebt. Entsetzlich, dieses
Rot, ein etwas schreiendes Rot moderner, kunstgewerb-
licher Ausstellungskojen. Man denkt etwas an von weib-
lichen Händen vollzogenes Kunstgewerbe. Als ob Möbel,
die erträglich waren, wenn sie während einiger Monate
die Ausstellungskojen füllten, nach demSchlusse der Aus-
stellung wirklich in eine Privatwohnung aufgenommen
wären. Man möchte schwerlich in einer solchen Privat-
wohnung leben und erträgt die Bilder, die ihr Andenken
festhalten, auch nicht lange. Ein helles, nicht immer
durch Harmonie zusammengehaltenes Getriebe ist in den
Larssons chen aquarellierten Bildern. Es fällt auf, dass
die Luft aus diesen Bildern ferngeblieben ist. Die
Gegenstände der Bilder: die roten Sophas, die weissen

Lehnstühle, die kleinen Kinder, die auf ihnen sitzen oder
sich unter ihnen verstecken, sind wie der Luft beraubt,
die um sie wallen müsste. Die Luft ist, man möchte
sagen, von ihnen abgezogen. Die Bilder sind gleichsam
Gerippe: das heisst Stühle und Sophas und Kinder ohne
die sie umgebende Luft, die sie mit Leben umkleidet.

Bei Paul Cassirer war eine wunderschöne van Gogh-
Ausstellung. Man kann von diesem herrlichen Maler,
dessen Werke uns packen, ergreifen, zerreissen, auf-
wühlen, keine bessere Beschreibung geben als indem
man die Worte wiederholt, die er von sich seinem Bruder
schrieb und die wir im vorigen Heft mitteilten:

„Ich brauche nicht ins Museum zu laufen und Tizian
und Velazquez zu sehen. Bei der Natur habe ich meine
Studien gemacht und weiss nun ... worauf es ankommt...
Es ist doch ein schnurriges Ding mit dem Auftrag, dem
Pinselstrich, draussen, bei Wind und Sonne, wenn einem
die Leute über die Schulter gucken. Da malt man drauf
los bis die Leinwand voll ist, als ob der Teufel hinter
einem stände. Und gerade dabei erwischt man das,
worauf es hauptsächlich ankommt, und das ist das ganze
Kunststück.

„Nach einiger Zeit nimmt man dann die Studie wie-
der vor und streicht alles mehr nach der Form, dann
siehts ja allerdings netter und harmonischer aus und man
legt auch etwas von seiner Freudigkeit und seinem
Lächeln hinein. . .

„Hast Du das Porträt gesehen, das Gauguin von mir
gemacht hat, während ich Sonnenblumen malte? Mein
Gesicht ist ja seitdem heiterer geworden, aber so sah
ich damals aus, so bis zum Äussersten ermüdet und mit
Elektrizität geladen. — Hätte ich damals die Kraft ge-
habt, auf meinem Wege weiterzugehen, ich hätte Hei-
ligen-Gestalten, Männer und Frauen, nach der Natur
gemalt. Sie hätten wie aus einer anderen Zeit ausgesehen.
Es wären Menschen von heute gewesen und hätten doch
etwas von den ersten Christen gehabt, . .

„Ich finde, dass alles, was ich in Paris gelernt habe,
zum Teufel geht und ich wieder auf das zurückkomme,
was mir auf dem Lande vor meiner Bekanntschaft
mit den Impressionisten das Richtige schien. Es sollte
mich gar nicht wundern, wenn die Impressionisten
binnen Kurzem an meiner Arbeit viel auszusetzen hät-
ten, die ja auch mehr durch Delacroix'Einfluss als durch
den ihren bestimmt worden ist. Denn statt genau das
wiederzugeben, was ich vor mir sehe, gehe ich eigen-
mächtig mit der Farbe um. Ich will eben vor allem einen
starken Ausdruck erzielen. Doch lassen wir lieber die
Theorie beiseite, ich will Dir lieber an einem Beispiel
klar machen was ich meine.

„Denk Dir, ich male einen befreundeten Künstler,
einen Künstler, der grosse Träume träumt, der arbeitet,
wie die Nachtigall singt, weil es just seine Natur ist.

„Dieser Mann soll blond sein. Alle Liebe, die ich
für ihn empfinde, möchte ich in das Bild hineinmalen.
Zuerst male ich ihn also so wie er ist, so getreu wie

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