Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

DOI Artikel:
Chronik
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0281

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
berliner Akademie eingeladen worden wäre, sich bei
der Beisetzung durch eine Abordnung vertreten zu lassen.
In der telegraphischen Einladung war gesagt, dass der
Kaiser der Beisetzung beiwohnen würde. Die Akademie
glaubte die Einladung nicht annehmen zu können.
Das Schauderhafteste war aber die Motivirung, die eines
der Mitglieder für die Ablehnung gab: „Wir schätzten
und achteten den in Berlin verstorbenen hervorragenden
Kollegen sehr, aber wir können doch nicht so plötzlich
eine Deputation entsenden. Und dann durften wir keinen
Prdcedenzfall schaffen, man weiss nie, wo die Berühmtheit
anfängt und aufhört, und wir hätten, wenn wir uns in
Berlin hätten vertreten lassen, später moralisch ge-
zwungen werden können, nach allen Weltteilen Depu-
tationen zu schicken."

Der Tod eines Menzel schafFt keine Präcedenzfälle.
Es ist überall dafür gesorgt, dass die Bäume nicht in den
Himmel wachsen. Die Zahl der Genies ist überall über-
aus rar, auch in Frankreich, wo es sicher ein Genie
weniger giebt als monsieur Detaille denkt. Als Detailles
berühmter Lehrer, als der alte Meissonier noch etwas
zu sagen hatte, wäre eine derartige Begründung einer
Weigerung der Akademie nicht erfolgt.

Fritz Werner erzählte jetzt eine übrigens un-
bedeutende Geschichte, die aber für Menzels Art,
Steckbriefe der Natur aufzunehmen und sich weiter
nichts dabei zu denken, überaus kennzeichnend ist.
Menzel hatte Fritz Werner, einen der wenigen Schüler,
die er gehabt hat, in einem Dorfe bei Fontainebleau be-
sucht. Sie hatten zusammen getrunken, französische in
dem Dorfe hausende Maler, von Menzels berühmtem
Namen angezogen, hatten sich dazu gesellt und es war
spät in der Nacht geworden als Menzel und Werner ihr
Lager aufsuchten. Dessenungeachtet war Menzel am
andern Morgen in aller Frühe in den Kleidern. Er stand
neben einem Ziehbrunnen, auf dessen Rand ein Eimer
stand. „Eine lange Stange, an der eine Art Karabiner-
haken, hatte den Ring des Eimers zu fassen, um hinunter-
gelassen zu werden. Zu meinem Erstaunen zog Menzel
ein Notizbuch heraus und zeichnete mit grösster Ge-
wissenhaftigkeit den Karabinerhaken. Man denke, nach
dem Trinkgelage, am kalten Morgen nach Sonnenauf-
gang.

Plötzlich schnarrte er mich an: „Was tust du hier
unter diesen Cretins?"

„Mein Gott," erwiderte ich, „mir fehlte es sehr,
dass ich noch nie Landschaft studierte, und zu dem
Zweck bin ich hier."

„Das ist aber nun genug. Male ein Bild für den
nächsten Salon."

Nun ist der Carabinerhaken Menzels Zeichnungen-
sammlung einverleibt und kein Mensch weiss, welchen
Zwecken dieses Dokument hätte dienen können. .

Unter den vielen Anekdoten, die der Tod Menzels
wieder wachwerden Hess, sind zwei hervorzuheben, die
von Menzels Charakter das Meiste sagen. Die eine ist
die Geschichte, wie Menzel den alten Wrangel zur Thür
hinaus gesetzt hatte, so dass dieser in seiner Wut ihm
ein „on-anjenehmer kleener Kerl" durchs Schlüsselloch
zurief— die zweite, wie Menzel, als ihn der Kron-
prinz Friedrich Wilhelm mitsamt seinem Stuhle auf-
hob, die Bemerkung machte: „Kaiserliche Hoheit, das
verbitte ich mir."

Einblick in Menzels Benehmen giebt die Antwort,
die er einer jungen Dame erteilte, welche zu ihm
gekommen war, um ihm ihre Zeichnungen vorzulegen:
„Dazu bin ich nicht da, dafür ist Herr von Werner da."
Und er gab ihr die Rolle zurück, die ihre Zeichnungen
enthielt.

„Was kann nicht alles in so einer Rolle sein," sagte
er zu einem Bekannten, um zu motiviren, warum er sie
nicht geöffnet habe. „Seien sie nicht liebenswürdig,"
fuhr er zu demselben Bekannten gewendet fort.
„Namentlich diese Damen von den Comites. Hüten
Sie sich vor den Damen von den Comites! Sie kommen
nur zu uns, wenn sie was wollen. Man muss sich nicht
ausnutzen lassen. Man muss unliebenswürdig im Leben
sein," sagte die alte prächtige Kratzbürste.

Das Erstaunlichste in Menzels Arbeiten sind vielleicht
seine Adressen und Diplome; in ihnen war das Feld für
die Aussprache des Geistreichen, wovon er einen Uber-
schuss hatte, ohne Grenzen.

Unser Kaiser hat einige Herren aus München emp-
fangen, die mit der Überbringung eines Geschenkes
für den Kreuzer „München" betraut waren. Bei dieser
Gelegenheit eröffnete er, dass die preussische Gesandt-
schaft in München einen grossen Neubau mit impo-
santen Repräsentationsräumen bekommen werde. In
räumlichem Anschluss hieran solle ein Neubau der
Schack-Galerie erstehen. Das Letztere kann man be-
dauern. Die Schack-Galerie hat schon unendlich dadurch
an Reiz verloren, dass sie unter preussische Verwaltung
kam. Wer sie früher gekannt hatte, als noch der aller-
dings bärbeissige Privatdiener, (der dem Grafen Schack
das Leben gerettet haben sollte und hieraus das Recht
nahm, unausstehlich zu sein) die Tür öffnete, während
gegenwärtig unindividuelle Museumsdiener in Uniform
in der Galerie herumgehen — namentlich aber, wer die
Art, in der die Bilder jetzt aufgestellt sind, mit dem
früheren Zustand vergleicht, kann sich über die Ver-
änderung gar nicht wenig verwundern. Das „cachet"

264
 
Annotationen