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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Chronik
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CHRONIK

NACHRICHTEN, AUSSTELLUNGEN ETC.

Am 14. Juni stand im berliner Tageblatt eine Korre-
spondenz eines heidelberger Berichterstatters: „Geheimer
Hofrat Professor Dr. Henry Thode, der bekannte tem-
peramentvolle Vertreter der neueren Kunstgeschichte
an der UniversitätHeidelberg, der, einst dazu ausersehen,
die Nachfolge Herman Grimms an der berliner Uni-
versität anzutreten, aus den Prinzipien seiner Welt-
anschauung heraus das hauptstädtische Katheder ver-
schmähte, begann vor Hunderten von Zuhörern aus der
Studentenschaft und hiesigen Gesellschaft seine öffent-
lichen Vorlesungen über „Arnold Böcklin und Hans
Thoma" mit einer Rede, deren aufsehenerregende Ten-
denz nach dem Willen ihres Autors über den Kreis des
zufälligen Publikums hinaus an das ganze deutsche Volk
appelliert und darum auch in der Öffentlichkeit bekannt
und diskutiert werden soll.

Es sei das erste Mal, dass er eine Universitätsvor-
lesung über moderne Kunst halte. Wenn er bisher die
ältere Kunst in den Vordergrund gestellt habe, so habe
er es aus der Überzeugung gethan, dass, wenn wir uns
eine künstlerische Bildung schaffen wollen, eine solche
nur erreichbar sei auf Grund des Feststehenden und des

Unvergänglichen vergangener Kunst. In der Kunst des
1 j.Jahrhunderts bewege man sich nicht auf einem festen
Boden der Betrachtung, das beweise schon die Thatsache
ihrer ganz verschiedenen Auffassung durch künstlerisch
gebildete Geister. Wenn er sich dennoch entschlossen
habe, so liege es daran, dass in der letzten Zeit Ver-
öffentlichungen gemacht worden seien, welche an dem
Grundbestand unserer künstlerischen Überzeugungen
rütteln. Meier-Graefe, der mit scheinbarem Tiefsinn
Thesen und Konstruktionen entwickele, deren Nichtig-
keit sich jedemkünstlerisch empfindenden und gebildeten
Menschen enthülle, überginge man besser mit Still-
schweigen, wenn aus seinen Büchern nicht die Parole
einer grossen, immer mächtiger werdenden Partei spräche,
welche ihren Hauptsitz in Berlin hat. Da er die von
hier drohende Gefahr für sehr bedeutend halte, habe er
sofort nach der Lektüre eine Vorlesung über die grossen
modernen Meister angesetzt. Meier-Graefes „Entwicke-
lungsgeschichte der modernen Kunst" und „Fall Böcklin"
seien eine von ihm „längst erwartete" Konsequenz
künstlerischer Ansicht auf Grund einer schrankenlosen
Bewunderung und Verehrung der modernen französischen
Kunst des Impressionismus. Da die zu Genies erklärten

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