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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 12
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Gauguin, Paul: Vincent van Gogh
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0591

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VINCENT van GOGH

VON

PAUL GAUGUIN

jeit langem schon habe ich die
Absicht über Van Gogh zu
schreiben, und gewiss thue
ich es auch einmal, wenn ich
recht im Zuge bin; für den
Augenblick aber will ich nur
von gewissen Dingen, ihn
oder vielmehr uns Beide betreffend, erzählen, die
bezwecken sollen, einen Irrtum zu berichtigen, der
in ganz bestimmten Kreisen zirkuliert hat.

Der Zufall hat es gewollt, dass in meinem Leben
mehrere Menschen, mit denen ich verkehrt und in

Anm, d. Red: Dieses ist der Aufsatz, den Paul Gauguin
seinerzeit für den „Mercure de France" schrieb und der als eine
Art von Selbstrechtfertigung zu betrachten ist. Gauguin hat
die Ereignisse durchaus von sich aus geschildert, ohne nur anzu-
deuten, wie aufreizend seine Wesensart auf die in steter Span-
nung befindliche Natur van Goghs wirken inusste und nicht
„ohne der Erzählung eine Nuance seiner Hidalgomanier zu
geben, die man ihm schwer verzeiht", wie Meier-Graefe ein-
mal richtig angemerkt hat. Nach der hier geschilderten

Gedankenaustausch gelebt habe, wahnsinnig ge-
worden sind.

Bei beiden Brüdern Van Gogh ist dies der
Fall; Manche aus Bösartigkeit, Andere in gutem
Glauben, haben mich für ihren Wahnsinn verant-
wortlich gemacht. Fraglos giebt es Menschen, die
einen stärkeren Einfluss auf ihre Freunde ausüben;
jedenfalls liegt aber ein weiter Weg zwischen dieser
Eigenschaft und der Behauptung, den Wahnsinn
eines Anderen verschuldet zu haben. Lange noch
vor dem Einbruch der Katastrophe schrieb mir
Vincent aus der Heilanstalt, in der er in Behandlung

Katastrophe kam van Gogh ins Hospital und ging sodann frei-
willig in's Irrenhaus von Arles, wo in den Jagen lichten
Bewusstseins viele der schönsten Bilder noch entstanden
sind. Am achtundzwanzigsten Juli 1890, ungefähr zwei
Jahre nach der Zeit dieser Schilderung, endete van Gogh
durch Selbstmord, in Auvers-sur-Oise, im Hause des Freundes
Dr. Gachet. Er war etwa fünfunddreissig Jahre alt, als die
hier erzählten Ereignisse sich abspielten; Gauguin war fünf
Jahre älter.

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