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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 12
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Kunstausstellungen
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Die Münchener Ausstellung mohammedanischer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0631

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Petersburg — eine gegossene Silberschale mit Reliefdar-
stellung eines sassanidischen Königs auf der Löwenjagd,
deren künstlerische Ahnen sich in assyrischen Jagdreliefs
wiederfinden. Da sind silberne und bronzene Schalen
und Teller und Kannen, grösstenteils aus russischem
Privatbesitz, die mit ihrem Reliefschmuck von Tieren
und Rankenwerk schon auf die Bronzearbeiten aus Me-
sopotamien und Syrien hinweisen, die sechs Jahr-
hunderte später ihre höchste Vollendung erreichen.

Aus der Fülle der rein islamischen Stücke (der Ka-
talog zählt über 3500 Nummern) einzelnes herauszu-
heben, ist schwer genug. Unter den Teppichen steht an
erster Stelle der wundervolle seidene Jagdteppich des
Kaisers von Osterreich, aus dessen Besitz auch ein nicht
minder herrlicher syrischer Seidenteppich mit geome-
trischem Muster zu sehen ist. Unter den Vasenteppichen
ist das bedeutendste Stück wohl der schöne Teppich,
der, einst im Besitz einer Konstantinopler Moschee, jetzt
dem Ottomanischen Museum gehört. Ausgezeichnete
Tierteppiche, wie alle genannten aus dem 16. Jahrhun-
dert, sandten das Kunstgewerbe-Museum und das Kaiser
Friedrich-Museum in Berlin. Unter den Stoffen ist wohl
das schönste Stück der blaugoldne Mantel aus dem Bam-
berger Domschatz, wohl eine sizilianische Arbeit des
1 i.Jahrhunderts. Andere kostbare Stücke zum Teil in
sassanidische Zeit zurückreichend, stammen aus St. Ur-
sula und St. Kumbert zu Köln, aus der Marienkirche zu
Danzig und der Sammlung Kelekian in Paris.

Neben Teppichen und Stoffen sind die Waffen am
besten vertreten. Aus der kaiserlichen Schatzkammer
zu Konstantinopel ist da der Helm des Schah Tahmasp
(16. Jahrh.), dessen Kappe höchst eigenartig mit Jagd-
darstellungen geschmückt ist, die aus dem Eisen ge-
schnitten sind, während Schriftbänder in Goldtauschier-
ung über den Stirnrand laufen. Nicht minder eigen-
artig ist ein Rundschild aus damasziertem Stahl, bedeckt
mit einem spiralförmigen Ornament, in dem Jagdszenen
dargestellt sind, das ganze mit
Türkisen übersät (aus der
kaiserlichen Rüstkammer in
Moskau). Prachtvolle Säbel
und Dolche, Helme, Streit-
kolben, Pfeile, Jagdspeere
haben das Heeresmuseum
wie das Hofmuseum in Wien,
das Berliner Zeughaus und
zahlreiche private Sammler
gesandt.

Von sonstigen Metall-
arbeiten seien hervorgehoben
die einzigartige Emailschüssel
mit Tierkreisbildern aus dem
Tiroler Landesmuseum, eine
mesopotamische Arbeit des
12.Jahrhunderts, vonMossul-
bronzen der schöne Bronze-

leuchter des Musee des arts decoratifs in Paris, der
grosse Bronzeteller des Atabek Lulu aus dem Besitz
der Münchner Hof- und Staatsbibliothek, dann aus Sy-
rienein silbertauschiertes Becken des Herzogs von Aren-
berg, endlich ein sehr merkwürdiger gegossener Spiegel
— gleich vielen andern Metallarbeiten mit Tierkreis-
darstellungen —, aus dem Besitz des Fürsten Öttingen
Wallerstein. Von Metallarbeiten aus Ägypten sind be-
sonders die tauschierten Bronzen der Mameluckenzeit zu
nennen, Leuchter, Schalen, Kannen, sowie der schöne
Koran-Kasten des Kaiser Friedrich-Museums.

Gleichmässig gut ist die Keramik vertreten: Ragga
in Mesopotamien, Fostat in Ägypten, Rhages und Sul-
tanabad in Persien vertreten die ältere Zeit; ebenso ist
die türkische Keramik (Rhodos- und Damaskusware) in
trefflichen Stücken zu sehen. Unter der spanischen
Keramik fällt als Kuriosum eine Badewanne aus Granada
mit Palmetten und Inschriftenschmuck aus dem Besitz
des Grafen Wilczek auf.

Von Holzarbeiten seien ein paar treffliche Türen
aus Kleinasien (Ottomanisches Museum und Kaiser
Friedrich-Museum) genannt. Unter den Kristallgefässen
ragt die grosse Henkelkanne des Wiener Hofmuseums
hervor, unter den syrischen Emailgläsern eine Kanne
und Pilgerflasche aus St. Stephan in Wien, eine Kanne
und Pokal von Prof. Sarre, sowie einige schöne Moschee-
lampen verschiedener Besitzer.

Reichhaltig und gut ist die Ausstellung von Buch-
kunst. Da ausser den trefflichen ägyptischen Buch-
deckeln von Prof. Moritz in Kairo und der umfang-
reichen Sammlung von Dr. Martin in Stockholm der
bedeutendere Teil heuer im Frühjahr schon in der Aus-
stellung des Berliner Kunstgewerbemuseums zu sehen
war, sei hier nicht weiter darauf eingegangen.

Bei so viel Kostbarem und Wertvollen darf wohl
auch erwähnt werden, was sich von den Absichten der
Ausstellungsleitung nicht hat verwirklichen lassen: da

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A. SCHINNERER, STRASSENSZENE. RADIERUNG

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