FRANZ MARC, DREI PFERDE
SAMMLUNG KLUXEN. MIT ERLAUBNIS DER KUNSTAUSSTELLUNG „DER STURM", BEKLIN
Doch kann man nicht sagen, er ermangle der kolo-
ristischen Begabung. Er ist ein Kolorist im Münchner
Sinn. Aus seltsamen Konstruktionen grüsst wie ein
alter Bekannter oft ein Stück münchnerisch tem-
peramentvoller Malerei, ein Fuchskopf, ein heller
Vogel vor atelierfarbigem Hintergrund. Man denkt
an Slevogt, an Zügel. Da ist die Farbe ansprechend;
will sie sich aber idealisieren, so wird sie abstrakt;
nicht Naturlaut, sondern Berechnung.
Auch dann aber ist sie nicht dekorativ; wie
es überhaupt falsch wäre, die Tendenz dieser Kunst
nur im Dekorativen zu suchen. Soweit sie es zu
Resultaten bringt, also vor allem in der Linie, ist
sie wohl dekorativ, aber im guten Sinne. Sie ist
weder eine Geschmackskunst noch eine gedank-
liche Kunst; sie wird es nur in ihren Entgleisungen.
In wie engem Zusammenhang sie noch mit der
Natur steht, sieht man schon daraus, dass Marc ein
ausgesprochner Tiermaler ist. Nur für das Tier findet
er das ausdrucksvolle Ornament, beim Menschen ver-
sagt seine Fähigkeit vollkommen. Und diese Fähig-
keit ist durchaus keine spielerische; sie ist genährt
und erzogen an einem sehr gründlichen Naturstu-
dium. Dass Marc sehr viel und eingehend nach der
Natur zeichnete, errät man, auch wenn man diese
Zeichnungen nicht gesehen hat. Gewiss fehlt es
bei ihm auch nicht an alter, besonders assyrischer
und japanischer Kunst entnommenen Formeln. Sie
werden aber nicht entscheidend, ebensowenig wie
sie es im französischen Impressionismus wurden.
Etwas Eigenes macht sich geltend. Freilich ist es
nur ein Kern, der von einer ungeniessbaren Schale
befreit werden muss.
Dass Marc es nicht zu vollkommeneren Resul-
taten gebracht hat, liegt an der Begrenztheit seiner
Begabung. Er war sicherlich kein grosses, sondern
nur ein sympathisches Talent. Weder an Können
noch an Intelligenz war er der Aufgabe, die er sich
gestellt hatte, ganz gewachsen. Der Entgleisungen
sind — abgesehen von der konstanten Entgleisung
der Farbe — sehr viele in seinem Scharfen, so weit
es im „Sturm" gezeigt wurde; sie überwiegen wohl
sogar. Immerhin ist er doch bei uns der einzige,
der etwas von dem, was so viele predigen und
prophezeien, wirklich vor uns hingestellt hat, der
die Möglichkeit des Gelingens wenigstens ahnen
lässt. Vielleicht ist er der Vorläufer einer vielen
zugänglichen Kunst.
i Te^
207
SAMMLUNG KLUXEN. MIT ERLAUBNIS DER KUNSTAUSSTELLUNG „DER STURM", BEKLIN
Doch kann man nicht sagen, er ermangle der kolo-
ristischen Begabung. Er ist ein Kolorist im Münchner
Sinn. Aus seltsamen Konstruktionen grüsst wie ein
alter Bekannter oft ein Stück münchnerisch tem-
peramentvoller Malerei, ein Fuchskopf, ein heller
Vogel vor atelierfarbigem Hintergrund. Man denkt
an Slevogt, an Zügel. Da ist die Farbe ansprechend;
will sie sich aber idealisieren, so wird sie abstrakt;
nicht Naturlaut, sondern Berechnung.
Auch dann aber ist sie nicht dekorativ; wie
es überhaupt falsch wäre, die Tendenz dieser Kunst
nur im Dekorativen zu suchen. Soweit sie es zu
Resultaten bringt, also vor allem in der Linie, ist
sie wohl dekorativ, aber im guten Sinne. Sie ist
weder eine Geschmackskunst noch eine gedank-
liche Kunst; sie wird es nur in ihren Entgleisungen.
In wie engem Zusammenhang sie noch mit der
Natur steht, sieht man schon daraus, dass Marc ein
ausgesprochner Tiermaler ist. Nur für das Tier findet
er das ausdrucksvolle Ornament, beim Menschen ver-
sagt seine Fähigkeit vollkommen. Und diese Fähig-
keit ist durchaus keine spielerische; sie ist genährt
und erzogen an einem sehr gründlichen Naturstu-
dium. Dass Marc sehr viel und eingehend nach der
Natur zeichnete, errät man, auch wenn man diese
Zeichnungen nicht gesehen hat. Gewiss fehlt es
bei ihm auch nicht an alter, besonders assyrischer
und japanischer Kunst entnommenen Formeln. Sie
werden aber nicht entscheidend, ebensowenig wie
sie es im französischen Impressionismus wurden.
Etwas Eigenes macht sich geltend. Freilich ist es
nur ein Kern, der von einer ungeniessbaren Schale
befreit werden muss.
Dass Marc es nicht zu vollkommeneren Resul-
taten gebracht hat, liegt an der Begrenztheit seiner
Begabung. Er war sicherlich kein grosses, sondern
nur ein sympathisches Talent. Weder an Können
noch an Intelligenz war er der Aufgabe, die er sich
gestellt hatte, ganz gewachsen. Der Entgleisungen
sind — abgesehen von der konstanten Entgleisung
der Farbe — sehr viele in seinem Scharfen, so weit
es im „Sturm" gezeigt wurde; sie überwiegen wohl
sogar. Immerhin ist er doch bei uns der einzige,
der etwas von dem, was so viele predigen und
prophezeien, wirklich vor uns hingestellt hat, der
die Möglichkeit des Gelingens wenigstens ahnen
lässt. Vielleicht ist er der Vorläufer einer vielen
zugänglichen Kunst.
i Te^
207