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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 12
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Stengel, Walter: Kunst und Künstler in der Karikatur: ein Beitrag zur Psychologie des Laienurteils
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0595

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von Anfang an auch auf dem Gebiete der Kunst in
der jeweils modernen Richtung das Ziel des Witzes.
Besonderen Antrieb gewann diese Tendenz als in
den neunziger Jahren Georg Hirth die „Jugend"
begründete. Wiewohl von einer eigentlichen Kon-
kurrenz nicht die Rede sein kann, so lassen sich
doch die vielen Satiren-auf den Jugendstil, die in
dem nicht ganz berechtigten ironischen Klang des
Wortes heute noch nachwirken, sicher zum Teil
aus einem gewissen Verlegergegensatz erklären.
Das „moderne" Bild ist dann über die Stilwende
hinaus ein dankbares Motiv geblieben, das neuer-
dings Adolf Oberländer und
Eugen Kirchner als expressio-
nistisch-futuristisches Monstrum
weiterführen. Dabei wird Scherz
und Ernst verwechselt. Es han-
delt sich nicht um heitere Ara-
besken. Die Satiren auf alle
anderen Lebensäusserungen kön-
nen als solche gelten. Den künst-
lerischen Fragen indessen steht
der Illustrator nicht mehr als
lachender Philosoph gegenüber.
Hier nimmt er als simpler Fach-
mann Partei, indem der Anti-
zeitgeist mit ihm durchgeht wie
Eduard Ille mit dem Pegasus
der ars vulgivaga (1888). Das
heisst aber schlechterdings die
Naivität des Publikums miss-
brauchen. Es kommt hinzu, dass
gerade der Kranke und der Re-
konvaleszent so gern zu der
leichten Kost der Münchner
Blätter greift: unter der Etikette
der harmlosen Lektüre wird dem
widerstandslosen Unterbewusst-
sein der schablonenhafte Begriff
von der Unverständlichkeit der Gegenwartswerte
und der unbedingten Redlichkeit veralteter Anschau-
ungen eingeimpft. Besonders unverblümt ist die
Absicht in der Nummer 3553, auf die hier ver-
wiesen sei.

Dass man ein neumodisches Gemälde auch ver-
kehrt aufhängen, dass man eine Landschaft mit
einem Porträt verwechseln kann und dergleichen
weiss der Philister mindestens seit 1887 aus den
Fliegenden Blättern, die ungefähr alle 1 o Jahre
darauf zurückkommen: 1898, 1908. Schon 1884,
ebenso 189J. begiebt es sich, dass ein Maler selbst

nicht mehr im klaren darüber ist, was sein Bild
eigentlich bedeutet.

Mancher Tadel, der an sich berechtigt wäre,
wird durch die kritiklose Verallgemeinerung in
dem grossen Leserkreis, an den sich der Komiker
wendet, gefährlich. Dahin gehört die stereotyp
gewordene Verspottung des raschen Modewechsels,
dem ein Künstler folgt: Fliegende Blätter 1895,
Jugend 1896. Wenn der Simplicissimus (1898)
diesen Vorwurf aufgriff (dessen Gegenteil — die
Inzucht verwandter Bildgedanken — die Jugend
gleichzeitig und fünf Jahre später behandelte, wie

ADOLF OBERLÄNDER, STROHFEUER, 1878

Das müsst' doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich's nicht weiter brächte,

als so ein Albrecht Dürer"

(AUS DBN FLIEGENDEN BLÄTTERN, MIT ERLAUBNIS DES VERLAGES
BRAUN UND SCHNEIDER, MÜNCHEN)

das Journal pour rire bereits i 854), so paralysierte
er den verhängnisvollen Einfluss solcher Schlag-
worte wieder durch eine nicht misszuverstehende
Ablehnung altmodischer Formen. Während zum
Beispiel in der berühmten Nummer „Familien-
fromm" (1904) der Parodie auch die Typen des
Druckes angepasst sind,unterstreichen die Fliegenden
jahrelang die Unleserlichkeit der modernen Schrift.
Nur den Typus der Unschuld mit dem Finger am
Mund haben sie, 1894, in dem „Traum eines Malers
nach Besuch der Kunstausstellung" vorgebildet:
das Symbol des Publikumsgeschmacks, das der

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