Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Purrmann, Hans: Aus der Werkstatt Henri Matisse
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0185

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HENRI MATISSE, STILLEBEN

Diskussionen heraustorJerte und vor eine Wand
mit Cezannes; zuletzt führte man mich zu dem
stärksten Effekt, in einen kleinen Saal, wo ich
mich sicher kaput lachen würde. Dort hatte man
zum ersten Mal jener Gruppe von Malern Platz
gegeben, der später die Bezeichnung „les Fauves"
beigelegt wurde. In einer Ecke hing ein Bild,
eine Dame mit Fächer darstellend, und nebenan
noch ein kleines Bildchen, ein Fenster, das divisio-
niert gemalt war. Vor der „Dame mit Fächer"
frappierte mich das energische Gegeneinanderstellen
von Linien — die Farbe weniger; und auch das
„Fenster" gefiel mir sehr: statt zu lachen stritten
wir. Die Abende im „Dome" wurden mit mäch-
tigen Reden ausgefüllt. Weisgerber, zum Beispiel,

der später von Cezanne so
viele Anregungen nahm, be-
handelte diesen Künstler in
laut geführten Reden, mit
innerer Wut und krasser Miß-
deutung.

Bald konnte ich den
„Salon" allein aufsuchen.
Und jeder Besuch brachte
mich in einen ständigen Wi-
derstreit. Begeisterte ich mich
an Manet, so konnte ich die
„Dame mit Fächer" nicht
schön finden; und umge-
kehrt, möchte ich fast sagen,
gefiel mir Manet nicht. Aber
der Vorgang wurde mir nicht
klar, ich vergaß wieder. Bald
darauf wurde ich in einem
Cafe mit einem amerikani-
schen Maler (Sterne) bekannt.
Unsere Ansichten über Malerei
waren ähnlich, und so kam
es, daß er mir die Sammlung
eines Freundes zeigte. Be-
fangen und neugierig ging
ich mit in ein Atelier, dessen
Wände behängt waren mit
Bildern von Picasso — der
mir durch Uhde bereits be-
kannt geworden war —, von
Cezanne, Renoir, Valloton;
und da war auch jene „Dame
mit Fächer". Ich war wie
vor den Kopf geschlagen; wie konnte ein Sammler
diese Bilder aufnehmen! Geld dafür ausgeben! Erst
jetzt erwachte ich. Es erregte Aufmerksamkeit, daß
ich mich so lange mit dem Bild beschäftigte; und
so ergab es sich, daß ich mit dem Maler zusammen-
geführt wurde: es war Matisse. Er machte Ein-
druck auf mich und es begann eine lange Freund-
schaft.

Zu dieser Zeit malte ich wenig, besuchte viel
die Museen und zeichnete Abendakte. Was ich sah,
warf mich fast um, es versetzte mich mehr in ein
Decouragement, als daß es mich produktiv machte.
Der vorhin erwähnte Sammler hieß Stein. Dessen
Bruder begann damals fast ausschließlich Bilder
von Matisse zu sammeln. Seine überaus geist-

168
 
Annotationen