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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

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Heft 6
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Scheffler, Karl: Reise in Süddeutschland, [2] : München
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0233

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Residenz unberührt geblieben ist, daß fremdartige
Gegenstände des Kunsthandwerks nicht hineinge-
gestellt worden sind, daß Vitrinen den freien Um-
blick nicht stören. Um so genußreicher ist die
lange Wanderung durch die Säle, von den Raum-
schöpfungen der Spätrenaissance, dem vom Kur-
fürsten Maximilian erbauten Teil des Schlosses, bis zu
der vollblütigen, anmutig überschäumenden Pracht
der „Reichen Zimmer" Francois Cuivillies (dessen
Rokokophantasie ja auch im Residenztheater
nebenan ein wahrhaft hinreißendes Werk hinter-
lassen hat), und weiter bis zu Klenzes antikisie-
renden Königsbau. Diese Residenz ist eines der
schönsten und aufschlußreichsten deutschen
Schlösser. Der Besuch wäre schon fruchtbar
genug, wenn nichts anderes zu sehen wäre, als
die Folgen von Wandteppichen, die der Nieder-
länder Hans van der ßiest nach Entwürfen Peter

U N S T A U S

BREMEN, KUNSTHALLE

Die Bremer Kunsthalle eröffnete
am 15. Januar unter dem Titel „Kunst
Ostasiens und Kunst der Naturvölker"

eine Ausstellung, die neben chinesischen, japanischen und
siamesischen Werken, Erzeugnisse der Negerkunst, Proben
altperuanischer und mexikanischer Keramik und eine reiche
Auswahl von Schnitzereien der Südseevölker zeigt.

Die zur Schau gestellten Dinge stammen mit wenigen
Ausnahmen aus dem städtischen Museum für Völkerkunde
in Bremen, das sie in bereitwilligster Weise zur Verfügung
stellte. Kunstwerke, die im Rahmen und in der für ein
Völkerkunde-Museum maßgeblichen gedrängten Aufstellung
zwischen künstlerisch Minderwertigem oder überhaupt nur
als Ethnographica Interessierendem, eine Würdigung als
das, was sie sind, als Kunst, kaum aufkommen ließen,
nach rein ästhetischen Gesichtspunkten auszuwählen und
aufzustellen, war der leitende Gedanke der Ausstellung.
Daß indische und ostasiatische Kunst für uns ein unmittel-
bares ästhetisches Interesse hat, steht jenseits jeder Dis-
kussion. Einige Stücke der Bremer Ausstellung erweisen
sich als Werke hervorragender Qualität. So der hier abge-
bildete bronzene „Buddhakopf" aus Siam, in dem der ähn-
lichen siamesischen Dingen, mit denen er die technische
Vollendung und den feinfühligen ornamentalen Sinn teilt,
häufig eigene etwas leere Schematismus zu einem bei aller
Vereinfachung der Form beseeltem „Klassizismus" geworden
ist. Der beschränkte, hier zur Verfügung stehende Raum

Candids in der von Maximilian I. gegründeten
Manufaktur gewebt hat. Es haben aber, neben
diesen herrlichen Tapisserien, auch sonst Kunst
und Handwerk, in allen Möbeln allem Gerät, in
den Malereien und Stuckarbeiten an Wand und
Decke durch zweieinhalb Jahrhunderte, so viele
Beweise reicher Erfindungskraft und höchster sach-
licher Tüchtigkeit hinterlassen, daß das Schloß
ohne alles Zutun den Wert, wenn auch erfreu-
licherweise nicht den Charakter, eines Museums
ersten Ranges erhält. Eines Museums zudem, in
dem der Geist Münchens sich lebendig offenbart,
sowohl in seiner Bodenständigkeit wie in seiner
akademischen Künstlichkeit, das aber über diese
Bedeutung eines Gleichnisses für den Stadtgeist
hinaus, dem ganzen Deutschland so wichtig ist, wie
nur irgend eines der berühmten Kunstdenkmale.

(Fortsetzung folgt.)

STELLUNGEN

verbietet es, mehr als noch einige besonders schöne Stücke
zu nennen: so einen gleichfalls siamesischen Bronzetorso,
einen indisch-hellenistisch anmutenden frühen japanischen
Bodhisattva, einen gefühlvollen Jizo aus Holz und zwei
chinesische Kalkstein-Lohanköpfe, deren einer eine ebenso
zufällige wie auffallende Ähnlichkeit mit jonischen Köpfen
des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts aufweist, und ein
kleines chinesisches Gemälde von Qualität, das früher Alfred
von Heymel gehörte.

Eine Art Brücke von diesen Dingen hoher Kunst zu der
Kunst der Naturvölker bedeuten die peruanischen Tongefäße,
von denen, ebenso wie von einem mexikanischen Tonkopfe,
neben Fremdartig-Groteskem und Genremäßig-Individuellem
uns bisweilen etwas wie Ahnung von einer im antiken
Sinne idealen Schönheit entgegenweht.

Die Negerplastik vermag sich neben der der „Neger"
der Südsee nicht zu behaupten. Sie erscheint dumpf und
im Chaotischen steckengeblieben, während die Südseekunst
bei allem, was auf den ersten Blick schreiend und exaltiert
anmutet, doch immer strenge Logik, ein sicheres, Material
und Technik erschöpfendes, in der Hauptsache dekoratives,
Stilgefühl aufweist. Mögen es die geschlossenen Formen
neu-guinäischer Tanzmasken oder die ausschweifenden, von
in grellem Schwarz-Weiß Rot bemalten, von phantastischen
Tierdarstellungen wie umsponnenen Ahnenfiguren der Neu-
mecklenburger, oder die eleganten und kriegerischen ihrer
Masken sein, stets herrscht diszipliniertes Wollen, daß der
vorhandenen Vorstellungswelt konzentrierte und adäquate
Gestalt zu geben vermochte. Eine ornamentschöne Maori-

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