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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

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Heft 9
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0339

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CHRONIK

Dr. W. R. Valentiner schreibt uns:

Gestatten Sie mir eine Bemerkung zu dem Bericht über
den Neu-Yorker Lionardo-Prozeß in der April-Nummer dieser
Zeitschrift. Der Fall liegt keineswegs so kompliziert wie
es nach dieser Schilderung aussieht. Es handelt sich bei
dem „Lionardo aus Kansas City" einfach um eine späte,
unbedeutende Kopie auf Leinwand, nach dem auf Holz
gemalten weiblichen Bildnis im Louvre (Nr. 1600), das als
la belle Ferroniere bekannt ist. Die Kunstkritiker, die um
ihr Urteil gefragt wurden, kamen unabhängig voneinander
zu demselben Resultat, daß die Kopie nicht älter als das
17. Jahrhundert sein könne. Um die Frage der Fingerab-
drücke haben sie sich dabei natürlich nicht gekümmert.
Ob das Original im Louvre von Lionardo selbst oder einem
seiner nächsten Schüler herrührt, ist für den vorliegenden
Fall ohne Belang. Daß es ein Lionardo sehr nahestehen-
des hervorragendes Werk aus der Zeit um 1500 ist, hat
bisher noch niemand bezweifelt. Der Prozeß dreht sich
nur um die Frage, ob die Behauptung Dr. Joseph Duveen's
zu Recht bestehe, daß das Bild in Kansas City kein Lionardo
sei, sondern eine wertlose Kopie nach dem unter dem
Namen la belle Ferroniere bekannten Bild im Louvre. Wie
Ihr Berichterstatter dazu kommt, zu behaupten, Duveen
habe nicht gesagt, ob es sich um eine Kopie nach diesem
Bild oder um einem anderen im Louvre-Katalog der Schule
Lionardo's zugeschriebenen weiblichen Bildnis (Nr. 1605)
handle, ist mir unerfindlich. Dieses Porträt galt allerdings
im 18. Jahrhundert einmal als „la belle Ferroniere", es kennt
heutzutage aber kein Mensch mehr unter diesem Namen.

Darf ich gleichzeitig dem Bedauern darüber Ausdruck
geben, daß in dem folgenden Bericht über Rembrandt-
Untersuchtungen in halbzustimmender Weise über die an
Rembrands „Landschaft mit der Mühle" geäußerten Zweifel
einiger Kritiker hingewiesen wird. Man mag sich zu der
Skepsis, die neuerdings an anderen weniger bedeutenden
Werken Rembrandts geübt wird, stellen wie man will (nach
Dr. Martin, dem Dou-Biographen, sind sogar eine Anzahl
echt bezeichneter Werke Rembrandts minderwertige Schüler-
arbeiten, die Rembrandt selbst mit seinem Namen versehen
habe und als echte Werke seiner Hand in den Handel ge-
bracht habeil) man sollte aber doch die größten Meister-
werke der Kunst — und zu diesen gehört die Landschaft mit
der Mühle — mit solchen Schnüffeleien verschonen, durch
die sich die Kritiker nur ein Armutszeugnis über ihren
mangelnden Oualitätssinn ausstellen. Man möchte sich wohl
fragen, wieviele von denen, die Zweifel an der Echtheit
dieses eindrucksvollsten Landschaftsbildes Rembrandts ge-
äußert haben, Gelegenheit hatten, sich ein eingehendes Ur-
teil von dem Original selbst zu bilden. Es scheint eben
für jedes Meisterwerk der Vergangenheit einmal eine Zeit
zu kommen, in der Zweifler es zu entwürdigen trachten,
damit es, wenn es wieder zu Ehren gelangt ist, eine um
so größere Wirkung auf empfängliche Gemüter ausübe.

Darauf entgegnet Dr. Emil Waldmann: Zu Dr. Valentiners
Entgegnung habe ich Folgendes zu bemerken:

Ich möchte dem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß
das Wort „Schnüffeleien" gefallen ist im Hinblick auf die

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