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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

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Heft 10
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Künstler-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0385

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PROGRAMM-SÄTZE DES ARCH

(aus der von Bruno Taut herau:

„Im Innenraum des neuen Hauses wird man sich nicht
nur als Insasse einer märchenhaften Kristalldrüse fühlen,
sondern als interner Bewohner eines Organismus, . . . Möbel
— wie wir sie in unsere großen Wohnschachteln kleben,
müssten im neuen Raum wirken als störendste, zerstörende,
leidreizende Fremdlinge. Sagt mir, ob Euch nie das ge-
walttätige Schema Eurer sechs Wände irritiert und die in-
jizierten Sachsärge Eurer tausend Notwendigkeiten, — ob
nie die geheimnisvolle Lust an Euch herankroch, Euch zu
umräumen nach dem Rhythmus Eurer atmenden Seele; ob
Ihr Euch nie wie ein oxygenes Geschöpf einbohren und
einfressen wolltet in das trotzige Massiv eines erratischen
Methusalems und Eure Impulse spielen lassen im mürben
Stoff des Steins? Möbel des neuen Zimmers werden Im-
mobilien sein müssen, Unterformen, Divertikel der häus-
lichen Organe, untrennbar und unverrücklich von und in
ihnen, Organe im Organ, Gefäße im Gefäß. Daß ihr Grund-
material sodann identisch oder mindestens verwandt sein
muß, ist selbstverständlich. So kann sich zum Beispiel ein
Schrank mit seiner Wurzel aus der Wand eines Beton-
Baues herausblähen, übergehend in Majolika, und nur für
seine Zierummantelungen können andere Materialien in Be-
tracht kommen. Man denke sich Majolika-Betten, die mit

'EKTEN HERMANN F1NSTERLIN

igebenen Zeitschrift ,,Frühlicht")

ihrem Fuße ihrem Substrate entwuchern und in ihrem
Kelche den Flaum tragen wie Pilze den Mulm ihrer näch-
sten Generationen. Wie »draußen« werden sich dem ruh-
sehnenden Leibe mollige Mulden entgegenkratern, der Fuß
aber wird wandeln auf glasig durchsichtigen Böden. Durch
das transparente Boden-Material kann das alldimensionale
Raumgefühl diffundieren, und den Wohnling in ungeahnter
Balance halten. . . . Diesem Bodenspiegel aber werden
Teppiche neuer Farben und Formen durchqueren wie Ve-
getationsstraßen, auf denen das erste Licht spielt, der durch
„organische" Fenster flutet durch die dünnsten Stellen der
Wände, die Stellen, die durch die Möbelwucherungen bis
zur Transparenz, zur Glashaftigkeit entstofflicht werden.
Oder der nackte Fuß wird Boden-Skulpturen umschmeicheln
bei jedem Schritte, den stiefmütterlichen Tastsinn neu be-
lebend. . . So könnte das Haus zum Erlebnis werden, . .
zur lebendigen Marsupalienmutter, die uns hegt und bildet,
wie der Saftdom eines Gallwespenbabys, ein Gral, der
täglich neu sich füllte mit den Kräften unserer pulsenden
Erde, und nicht ein Sarg für ein Prokrustesbett auf Größe
vier eingestellter — und zurechtgeschnittener Stoffmumien,
transplantierter, fremder Geschöpfe, deren Vorwurf wir
stündlich in uns zu saugen haben . . . ."

LISTE EINGEGANGENER BÜCHER

Carljusti, Briefe aus Italien. Verlag Friedrich Cohen.
Bonn 1922

Menzel, von Karl Scheffler. 8 —11. Tausend. Bruno
Cassirer Verlag, Berlin.

Russische Baukunst. Bei Georg Müller in München,
1922.

Francois Rabelais, Gargantua et Pantagruel. Illu-
striert von Joseph H^mard. G. Cres & Co., Paris 1922.

Die Kunst des Ostens:

Band 5: Friedrich Sarre. Die Kunst des alten Persien.
Band 6: Ernst Grosse. Das ostasiatische Tuschbild.
Band 7: Ernst Kühnel. Miniaturmalerei im islamischen
Orient.

alle im Verlag Bruno Cassirer, Berlin 1922.

ZWANZIGSTER JAHRGANG, ZEHNTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 12. JUNI. AUSGABE AM 1. JULI NEUNZEHN-
HUNDERTZWEIUNDZWANZIG. REDAKTION: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN.
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER, G.M.B.H., LEIPZIG
 
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