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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

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Heft 12
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Elias, Julius: Wilhelm von Bode
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https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0439

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EDVARD MÜNCH, SITZENDES MADCHEN

STÄDTISCHE GALERIE

vergleichlich wertvollen Kraft ausgeschlossen sein; hier spielt
sich alles im Halbdunkel des Empfindungslebens ab: heute
glaubt man, morgen zweifelt man und man glaubt und
zweifelt zu gleicher Zeit. In seiner langen Laufbahn hat
Bode manches Fragezeichen gesetzt, wo er selbst glaubte;
und dann wieder anderen ihren Glauben gelassen, wo er
selbst zweifelte. Und wenn er — wie in derselben Affäre
— einmal das aufrecht zu erhalten geneigt ist, was andere
seinen Irrtum nennen, so soll man darin nicht unbelehr-
baren Greisentrotz sehen, sondern die Konsequenz eines
Charakters, der auch den Mut seiner Schönheitsfehler hat.

Solche Eindrücke gewinnt man aus den knappen, sach-
lich skizzierten Erinnerungen, die Bode, als Amtsjubilar, über
seine fünfzigjährige Tätigkeit „cum mentis amabili pondere"
niedergeschrieben hat (Velhagen und Klasings Monatshefte,
39. Jahrgang). Das Helle und Frohe wird von diesem ruhig
überschauenden, mit ungeschwächtem Gedächtnis begabten
Greis unterstrichen, das Dunkle und Häßliche mehr ironisiert
als angeklagt. Ein ununterbrochener Dienst unter drei Fürsten
hat diesen Mann nicht aufgerieben, sondern entwickelt,

eben weil er nicht Fürstendiener, sondern
Diener des Staates, einer Volksgemeinschaft
war. Bode konnte sich nicht mit seiner Um-
welt, sondern mußte sich gegen seine Um-
welt durchsetzen, und ein solcher Erfolg ver-
pflichtet uns, nicht jedes der Mittel, mit
denen er erreicht wurde, auf die Goldwage
zu legen. In der Ära eines Wilhelm des
Zweiten hat er das Unmögliche möglich ge-
macht. Die Prachtliebe dieses Monarchen
kam ihm dabei wider Willen zu Hilfe. Er
konnte sammeln und die Räume wachsen
lassen. Wie er dabei die eigene, zielbewußte,
hartnäckige Persönlichkeit bewahrte, das blieb
sein Geheimnis. Er sammelte sorglos, hie
und da selbst das weniger Beträchtliche, und
daß er auch dieses an sich riß, das kann
sich gerade in gegenwärtiger Situation zum
Vorteil wenden: wenn man nämlich den
Willen hat, so könnte man mit dem Uber-
fluß einen großen Teil der Mittel gewinnen,
die zum summarischen Abschluß der Mu-
seumsbauten erforderlich sind. Den Dank
für seine Herkulesarbeit sieht Bode als etwas
höchst Sachliches: wie Moses das gelobte
Land, so möchte er wenn auch von ferne,
das Gehäuse erblicken, das die Tat seines
Lebens aufnimmt und zur Geltung bringt.
Versperrt man ihm diese Aussicht, so würde
das heiterste Schaffen noch kurz vor dem
Ziel in Tragik umgebogen.

In diesen Blättern hat Karl Scheffler einst
das Talent und die Sendung Bodes so formu-
liert: ,,die Menschen kraft seines Tempera-
ments in Bewegung zu setzen; in Bewegung
zu setzen für eine Aufgabe der künstlerischen
Kultur." Sehr richtig, — eben weil ein Werk mit so triebfähi-
gen Organen niemals das Produkt der Gelehrten- und Amts-
stube sein konnte. Dauer und Zeugungskraft hat es nur da-
durch, daß es ein Werk von Menschen für Menschen ist.
Große Menschenfischer landen am Ende gewöhnlich bei der
Verachtung der Menschen. Bode hat die Menschen gefangen
und benutzt, ja, er hatte zu Zeiten sogar einen großen Ver-
brauch von Menschen, aber er hat sie nie verachtet. Hat
mit ihnen gekämpft, oft wild gekämpft, doch nie verachtet.
Jede neue Enttäuschung wurde ihm eine neue Hingebung.
Die Konflikte, die rasch aus dem Boden wuchsen und die
bewirkten, daß manchmal mehr Mut dazu gehörte, sein
Freund, als sein Feind zu sein, haben ihre stillen Humore:
denn aller Kampf war im Grunde wider die Natur dieses
seltsamen Mannes, dessen wesentliche Eigenschaften eine
große Selbstlosigkeit, Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft sind.

Die Welt, die immer ihre Romantik haben will, macht
ihre selbstständig und überragend schaffenden Geister gern
zu Dämonen. Nun gut: ist Wilhelm Bode ein Dämon, so
ist er ein schöner und unsterblicher.

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