187
Korrespondenz.
188
aus dem Thierleben. Vvn Eastman Johnson, dem
Maler deS amerikanischen Volkslebens, zunial des
Treibens der Kinder, sinden wir ein reizendes, hell-
farbiges klcines Mädchen, das in der Scheune im
Stroh drei Eier gefunden hat und im Begriff ist,
die Beute vergnügt fortzutragen, dabei aber doch eine
gewisse Besorgniß verräth, sci es nun Furcht vor der
bestohleuen Mutter Henne oder vor dercn Besitzerin.
— Ein ansprechendes Genrebild Vvn Cham, „Zweitc
Kindheit" benannt, stellt ein liebenswürdiges altcs
Paar dar, welches sich mit dem allbekannten Kinder-
spiel unterhält, einen über die Hände geschlungenen
Bindfadeu durch vorgeschriebenes Abnehmen in neue,
abwechselnde Verschlingungcn nnd Formen zu bringen.
Die alten Leute sind übrigeus keineswegs kindisch, sondern
zeigcn durch ihr Lächeln deutlich, daß das Spiel nur
eine Reminiscenz aus ihrer Jugendzeit ist, in der sie
sich vor mehr als sechzig Äahren schon als gute Ge-
fährten damit unterhielten. — Der Fortschritt in der
Genremalerei unter den hiesigen Künstlern giebt sich
überhaupt in jeder Ausstellung kund. Guy, Dielman,
I. G. Brown und Morgan haben hübsche Kinder-
bilder ausgestellt, der Letztere auch einen Karnevalszug
mit Fackelbeleuchtung vor Notre Dame in Paris, Louis
Tifsany eine Straßenansicht, Baird, I. O. Wovd
und die beiden Hart Viehstücke, de Haas, Nicoll,
Linford, Mc. Entee und die beiden Richard Ma-
rinen und Landschaften.
Jn der Knoedler'schen Galerie, die nie der
Anziehungspunkte ermangelt, bcsindet sich diesen Herbst
eine Sammlung so auserlesener Werke ansgezeichneter
europäischer Künstler, daß man sich wahrhaft daran
erfrischcn kann. Wo die Namen Duprö, Daubigny,
Corot, Voltz, Munkacsy, Maure, Bvuguereau, Schreyer,
ilimenes y Aranda, Monike, Perault, Jague und
Seignac sich vereinigt finden, da ist man sicher, in gute
Gcsellschaft zu kommen. Als ein ersreulicher Bcweis
der Würdigung von Seiten der wohlhabenden kauf-
fähigen Kunstsreunde ist zu erwähnen, daß mehrere
der werthvollsten Bilder bald nach ihrem Erscheinen
wieder verschwanden, weil sie sofort verkauft worden
waren.
Seit Kurzem isi auch die Lenox Gallery nach
ihrer llebersührung in die neuen ihr bestimmten Räume
wieder dem Publikum zugänglich. Diese Sammlnng,
bestehend aus 146 Bildern und einigen Skulpturen,
wurde von James Lenox, einem warmen Kunstlieb-
haber angelegt, der sie sammt einer wcrthvollen Biblio-
thek der Stadt vermachte, und dieser Hinterlassenschaft
noch die Mittel hinzufügte, um ein entsprechendes Ge-
bäude dafür herzustellen. Dies ist nun schon seit
einiger Zeit vollendet; in der fünften Avenue, dem
Centralpark gegcniiber, erhebt sich ein hoher, stattlichcr
Mittelbau mit zwci vorspringenden Flügeln, in welchem
augenschcinlich reichlich Naum ist, um noch grvßerc
Sammlungcn unterzubringen. Der erste Stock ist für dic
Bibliothek bestinnnt, dic aber noch uicht vollständig
gcordnet und daher dem Publikum vorläusig nicht
zngänglich ist. Eine schvne Trcppc führt in die obereu
Räume, zuerst in den Vorsaal, ivo die Skulpturen
aufgestellt sind, und aus diesem in die Galerie, ivelchc
mit Oberlicht versehen ist. DaS Matcrial ist einfach
und gediegen, der Fußboden namcntlich geschmackvoll
in Holz eingelegt. Zu bedaucrn ist es, daß die Bronzc-
barriere, welche die Bilder vor Berührung und Be-
schädigung schützen soll, so weit vorspringt, daß es
unmvglich ist, so nahe hcranzutrcten, als zum Anschaucn
der zahlreichen kleinen Darstcllungeu unerläßlich ist.
Viele dcrsclben hängen auch viel zu hoch, ciu llebcl-
stand, der hvchstenS in alten, übcrfüllten Räumen zu
cntschuldigen wäre. Die Gegenwart Jakob und Sa-
lomonRuysdael'S erfährt man cigentlich nur aus dem
Kataloge. Deu HauPtanziehungSpunkt bildet gegeu-
wärtig Mnnka csy's „Milton, scinen Töchtern diktirend",
welches Bild nach seinen Reisen durch Europa hicr
eine bleibende Stätte gefunden hat; denn Robcrt
Lenox Kennedy, auch ein hiesiger Kunstfreund, hat es
der Stadt zum Geschcnk gcmacht. Welchen Eindruck
es auf das Publikum macht, läßt sich nach der kurzen
Zcit scit derEröffuung der Galerie noch nicht mitSicher-
heit sagen, keincnfalls lautct das Urtheil der Kritik
besonders günstig. Man erkennt die technischc Vir-
tuosität an, die Meisterschaft in dcr Behandlung dcr
äußeren Umgebung, abcr nian beklagt dcn Mangcl
au inncrem Lebcn uud eigentlichem Jnhalt, mau ver-
mißt Porträtähnlichkeit und historische Trene in dcr
Ansfassung der Gestalten, welche ivcnig oder nichts vou
ihrcn historisch festgestellten Eigenthümlichkeitcn wiedcr-
spiegeln. Ein längerer, eingehender Artikel in dcr
New-Dork Tribune, offcnbar vvu kundiger Hand gc-
schricben, beleuchtet dicse .schwachen Seiten ziemlich
scharf, uud man muß zugeben, daß der Kritiker rccht
hat; man bewundert dieVirtuosität, und bleibt ciskalt*)-
DicSanimlung verdient übrigens alsdieSchöpsung
eines Liebhabers alle Anerkennung. Wcnn sie auch nicht
durch Meisterwerke überwältigt, und wenn auch bedcu-
tendere Resultate mit den darauf verwandten Mitteln
hättcn erreicht Iverden könncn, sv enthält sie doch so
manche Bilder, die nicht ohne kunstgeschichtliches und
historisches Jnteresse sind. Dazu gehören die altcn,
hier typisch gewordcncn Darstellungcn Washingtvn's
und einiger andercn bckannten Persönlichkcitcn von
Gilbert Stuart, zwei Porträts von JohnTrumbull,
*) Jn Europa hat das Bild bekamitlich eine iveit gün-
stigere Aufnahme gefunden. A. d. Red.
Korrespondenz.
188
aus dem Thierleben. Vvn Eastman Johnson, dem
Maler deS amerikanischen Volkslebens, zunial des
Treibens der Kinder, sinden wir ein reizendes, hell-
farbiges klcines Mädchen, das in der Scheune im
Stroh drei Eier gefunden hat und im Begriff ist,
die Beute vergnügt fortzutragen, dabei aber doch eine
gewisse Besorgniß verräth, sci es nun Furcht vor der
bestohleuen Mutter Henne oder vor dercn Besitzerin.
— Ein ansprechendes Genrebild Vvn Cham, „Zweitc
Kindheit" benannt, stellt ein liebenswürdiges altcs
Paar dar, welches sich mit dem allbekannten Kinder-
spiel unterhält, einen über die Hände geschlungenen
Bindfadeu durch vorgeschriebenes Abnehmen in neue,
abwechselnde Verschlingungcn nnd Formen zu bringen.
Die alten Leute sind übrigeus keineswegs kindisch, sondern
zeigcn durch ihr Lächeln deutlich, daß das Spiel nur
eine Reminiscenz aus ihrer Jugendzeit ist, in der sie
sich vor mehr als sechzig Äahren schon als gute Ge-
fährten damit unterhielten. — Der Fortschritt in der
Genremalerei unter den hiesigen Künstlern giebt sich
überhaupt in jeder Ausstellung kund. Guy, Dielman,
I. G. Brown und Morgan haben hübsche Kinder-
bilder ausgestellt, der Letztere auch einen Karnevalszug
mit Fackelbeleuchtung vor Notre Dame in Paris, Louis
Tifsany eine Straßenansicht, Baird, I. O. Wovd
und die beiden Hart Viehstücke, de Haas, Nicoll,
Linford, Mc. Entee und die beiden Richard Ma-
rinen und Landschaften.
Jn der Knoedler'schen Galerie, die nie der
Anziehungspunkte ermangelt, bcsindet sich diesen Herbst
eine Sammlung so auserlesener Werke ansgezeichneter
europäischer Künstler, daß man sich wahrhaft daran
erfrischcn kann. Wo die Namen Duprö, Daubigny,
Corot, Voltz, Munkacsy, Maure, Bvuguereau, Schreyer,
ilimenes y Aranda, Monike, Perault, Jague und
Seignac sich vereinigt finden, da ist man sicher, in gute
Gcsellschaft zu kommen. Als ein ersreulicher Bcweis
der Würdigung von Seiten der wohlhabenden kauf-
fähigen Kunstsreunde ist zu erwähnen, daß mehrere
der werthvollsten Bilder bald nach ihrem Erscheinen
wieder verschwanden, weil sie sofort verkauft worden
waren.
Seit Kurzem isi auch die Lenox Gallery nach
ihrer llebersührung in die neuen ihr bestimmten Räume
wieder dem Publikum zugänglich. Diese Sammlnng,
bestehend aus 146 Bildern und einigen Skulpturen,
wurde von James Lenox, einem warmen Kunstlieb-
haber angelegt, der sie sammt einer wcrthvollen Biblio-
thek der Stadt vermachte, und dieser Hinterlassenschaft
noch die Mittel hinzufügte, um ein entsprechendes Ge-
bäude dafür herzustellen. Dies ist nun schon seit
einiger Zeit vollendet; in der fünften Avenue, dem
Centralpark gegcniiber, erhebt sich ein hoher, stattlichcr
Mittelbau mit zwci vorspringenden Flügeln, in welchem
augenschcinlich reichlich Naum ist, um noch grvßerc
Sammlungcn unterzubringen. Der erste Stock ist für dic
Bibliothek bestinnnt, dic aber noch uicht vollständig
gcordnet und daher dem Publikum vorläusig nicht
zngänglich ist. Eine schvne Trcppc führt in die obereu
Räume, zuerst in den Vorsaal, ivo die Skulpturen
aufgestellt sind, und aus diesem in die Galerie, ivelchc
mit Oberlicht versehen ist. DaS Matcrial ist einfach
und gediegen, der Fußboden namcntlich geschmackvoll
in Holz eingelegt. Zu bedaucrn ist es, daß die Bronzc-
barriere, welche die Bilder vor Berührung und Be-
schädigung schützen soll, so weit vorspringt, daß es
unmvglich ist, so nahe hcranzutrcten, als zum Anschaucn
der zahlreichen kleinen Darstcllungeu unerläßlich ist.
Viele dcrsclben hängen auch viel zu hoch, ciu llebcl-
stand, der hvchstenS in alten, übcrfüllten Räumen zu
cntschuldigen wäre. Die Gegenwart Jakob und Sa-
lomonRuysdael'S erfährt man cigentlich nur aus dem
Kataloge. Deu HauPtanziehungSpunkt bildet gegeu-
wärtig Mnnka csy's „Milton, scinen Töchtern diktirend",
welches Bild nach seinen Reisen durch Europa hicr
eine bleibende Stätte gefunden hat; denn Robcrt
Lenox Kennedy, auch ein hiesiger Kunstfreund, hat es
der Stadt zum Geschcnk gcmacht. Welchen Eindruck
es auf das Publikum macht, läßt sich nach der kurzen
Zcit scit derEröffuung der Galerie noch nicht mitSicher-
heit sagen, keincnfalls lautct das Urtheil der Kritik
besonders günstig. Man erkennt die technischc Vir-
tuosität an, die Meisterschaft in dcr Behandlung dcr
äußeren Umgebung, abcr nian beklagt dcn Mangcl
au inncrem Lebcn uud eigentlichem Jnhalt, mau ver-
mißt Porträtähnlichkeit und historische Trene in dcr
Ansfassung der Gestalten, welche ivcnig oder nichts vou
ihrcn historisch festgestellten Eigenthümlichkeitcn wiedcr-
spiegeln. Ein längerer, eingehender Artikel in dcr
New-Dork Tribune, offcnbar vvu kundiger Hand gc-
schricben, beleuchtet dicse .schwachen Seiten ziemlich
scharf, uud man muß zugeben, daß der Kritiker rccht
hat; man bewundert dieVirtuosität, und bleibt ciskalt*)-
DicSanimlung verdient übrigens alsdieSchöpsung
eines Liebhabers alle Anerkennung. Wcnn sie auch nicht
durch Meisterwerke überwältigt, und wenn auch bedcu-
tendere Resultate mit den darauf verwandten Mitteln
hättcn erreicht Iverden könncn, sv enthält sie doch so
manche Bilder, die nicht ohne kunstgeschichtliches und
historisches Jnteresse sind. Dazu gehören die altcn,
hier typisch gewordcncn Darstellungcn Washingtvn's
und einiger andercn bckannten Persönlichkcitcn von
Gilbert Stuart, zwei Porträts von JohnTrumbull,
*) Jn Europa hat das Bild bekamitlich eine iveit gün-
stigere Aufnahme gefunden. A. d. Red.