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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Koldewey, Robert: Die Architektur auf Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5804#0133

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253

Die Architektur auf Kunst-Ausstellungen.

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tonischer Leistungen nach Plänen und Photographien
gegangen.

Der dreidimensionale 9taum wirkt eben nnr durch
stch selbst; die schönsten und größten Photographien,
selbst unter dem Stereoskop in voller Körperlichkeit
betrachtet, geben immer nur eine Ansicht vom Raum
vder 2, 3, 4, aber immer zählba re, ohne Uebergang
^uf cinander folgende, und die Ansichten eines,
selbst des kleinsten und einfachsten, Raumes sind un-
Zühlbar, der Eindruck eines Raumes also ist iibcr-
haupt durch Abbildnngen nicht wiederzugeben.

Daher denn so häusig das Verwundern, wenn
Utan nach Besichtigung eines Bauwerks, die Pläne zur
Hand nimmt, wie Alles in den wirklichen Maßen
anders ist, als man nach der Natur erwartet hatte.
Sv macht St. Pcter in Nom nicht den Eindruck,
man nach den vorhandenen Maßen erwarten
solltc; so macht der Parthenon (rein linear genommen)
oinen viel größeren Eindruck, als seine Abmessungen
orwartcn ließen; so machen Photographien Vvn beiden
^ast gar keinen Eindruck, gegemiber dem bei beiden
wächtigen in der Wirklichkeit. Wer also nach den
Plänen St. Peter benrtheilt, stellt ihn sich größer
dvr; mer nach den Plänen deu Parthenon beurtheilt,
'uuß ihn sich kleiner vorstellen, als der wirkliche Ein-
^ruck ist; wer bcide nach der Photographie benrtheilt,
rrinnert sich beim Anblick der Wirklichkeit gar nicht
uwhr an das gesehene Bild.

Kehren wir von eincr Reise zurück, im Besitz
Photographien nach gesehenen Architekturen, so
tritt der Fall cin, daß nach längerer Zeit der Ab-
^esenheit vom Originale allmählich das materielle
^ild selbst in unscrer Phantasie an Stelle des gei-
^igen Bildcs vom Original tritt, ich meine, daß,
bwnu wir uns an das Original zu erinnern glauben,
^ir eigentlich die nach der Trennung vom Originale
Aler angesehene Phvtographie ini Gedächtniß haben;
lreten wir dann einmal wieder vor das Original, so
lritt der längst vergessene Eindruck auf's Neue hervor,
^n das Werk beim ersten Anblick auf uns machte.

Wir schieben diesen Einsluß gewöhnlich auf den
^insluß der Zeit, wir „sehen es mit anderen Augen
un." Gewiß kvmmt das mit hinzu; die Hauptsache aber
daß die Bilder, welche wir zur Unterstütznng
unseres Gedächtnisses mit nach Hause nahnien, nur
rnieu unbedeutenden Theil des eigentlichen Kunstwerkes
ä"r Anschauung bringen, daß der eigentlich ästhctiscke
^indruck, den das Werk bcim Ansehen auf uns machte,
^ nicht dnrch die Photvgraphie bannen läßt, daß
ulso dieser unter der Zeit und ihrer abschwächenden
^rast leideu und daß dcr so geschwächte erst vor
Originale wicder in ganzer Kraft zur Wirkung
lvuiuien kvnnte.

Nun frage ich, wenn schon Photographien (also
die doch immer noch der Natur am nächsten kommende
Darstellungsart) von gesehenen architektonischen
Werken das Gedächtniß so schwach zu unterstützen im
Stande sind, daß man im Besitz derselben nach längerer
Trennung von dem Wcrke, dieses bei abermaligem Be-
suche mit „vollständig anderen Augen ansieht", d. h.
daß uns das Kunstwerk wie noch nie gesehen erscheint,
wie wird dann die Wirkung der selbst natur-
getreusten Abbildungen auf ein Auge sein, das dem
Original noch nicht gegenüber gestanden hat?

Und weiter: wenn dic naturgctreuste Abbildung
von einem ausgeführten architektonischen Kunst-
werke nicht im Stande ist, durch sich allein einen des
Originals würdigen Eindruck zn machen, was läßt
sich dann von der Wirkungsfähigkeit architektonischer
Pläne (also Abbildungen, welche noch außerdem mit
allen möglichen technischen Mängeln und Unbeholfen-
heiten behaftet sind), von noch nicht ausgeführten
Bauten aus den Beschauer erwarten?

Es ergicbt sich aus dem ersten Theil unserer Be-
trachtung, daß die Eindrucksfähigkeit einer Kopie von
einem Kunstwerke vor Allem von der Bewahrung der
natürlichen Größe abhängt, und daß schon deswegen
eindruckssähige Darstellnngen architektonischer Kunst-
werkc unmöglich sind; aus dem letzteren Theile folgt
^ zur Bekräftigung, daß auch reducirte Kopien ausge-
führter Bauten, also Photographien u. s. w., nicht im
Stande sind, durch sich allein einen wesentlichen Eindruck
des betreffenden Kunstwerks auf den Beschauer hervorzu-
bringen, und daß folglich Darstellungen von noch nicht
ausgesührten Bauten absolut keinen ästhetischen Ein-
drück machen können.

Die Erfahrnng lehrt, daß auch wirklich das Publi-
kum schon beim bloßen Ansehen architektonischer Pläne
ein Gähnen kaum zurückhalten kann, daß es aber
gleichwohl angesichts ausgcführtcr Bantcn ebensowenig
im Stande ist, sich cinem ästhetischen Eindruck zu ent-
ziehen. Das Ausstcllen architektonischer Zeichnungen
ist also, weil diese wirkungslos sind, — nutzlos.

Die Architektur erwehre sich eines Kampfplatzes,
welcher der Entfaltung ihrer Mittel so hinderlich ist,
wie die engen Räume selbst des größten Ausstellungs-
palastes! Der Kricger gehört in's Feld, die Archi-
tektur in Stadt und Land, — sonst nirgends kann
man Beider Kraft und Schulung crproben!

Man glaube nicht, daß die Architektur und die
Architekten durch diese Berbannung von den Ausstel-
lungen irgend welchen Schaden nchmen. Denn der
rückwirkende Nntzen der Ausstelliingen auf die Künste
ist durchaus nicht erwicscn. Der Nutzcn aber, welchcn
Künstler aus Ausstellungcn ziehen, ist zum Theil ma-
^ terieller Natur; und diesen könnte die Architektur
 
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