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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Wolf, August: Die Markuskirche in Venedig und der englische Protest gegen die Neuaufführung ihrer Façade, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5804#0141

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269

Die Markuskirche in Venedig und der englische Protest gegen die Neuaufführung ihrer Fayade.

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Verständigen waren betrogen, die Leiter der Restau-
ration aber wurden mit Orden beglückt.

Es ist somit als ein wahres Glück zu betrachten,
^aß, zwei Jahre nachdem der junge venezianische Pa-
tnzier sich zum Apostel der Wahrheit gemacht, um
eines dcr interessantesten Monumente Europas zu retten,
i)ic Engländer zu gleichem Zwecke in's Feld riickten.

Die ganze Bewegung nahm solgendermaßen ihren
Anfang:

Am 13. Novcmber des vergangcnen Jahres
nchtete der englische Maler Wallis eiu Schreibe» an
den Berleger der „Times", in welchem er mittheilte,
das; Sir John Gilbert ein Mceting der Gesellschaft
der Aguarellmaler einberusen, um iu eiuer Adresse an
i)en italienischcn Knltnsminister gegen die bevor-
stehende „Demolirnng" der Markusfayade zu pro-
tcstiren. Obgleich diesc Gesellschaft sich vor Allem
Hierzu veränlaßt fühlen müsse, so sei doch zu hoffen,
daß auch uoch Andere sich dem Schritte anschließen
^'iirden. Wallis spricht von weiter einzuberusenden
Meetings in Cambridge und Oxford. Er hofft schließlich,
daß der Einfluß so bedeutender Namen, wie der-
jenigen Männer, welche diescn Meetings vorstehen
'niirden, iedenfalls ein Borhaben nnmögtich machen
iverde, welches das künstlerische Gefühl von ganz Enropa
beleidigen müssc. Jn einem weiteren osfeuen Briese
^esselben Malers an die „Times" bcgründet er seine
^rsönlichen Ansichten über das Gefährliche der in
Aussicht stehenden Restauration und beklagt mit ties
kiiiistlerischem Gefühl alles, was bisher Uebles ge-
jchehen: cr erschrickt vor dem Gedanken, daß nun anch
öald die köstliche Fac^ade der Restauration zuin Opfer
jallen nnd ihr so überaus malerischer Ton für inimer
öerloren sein solle. Am 14. Nov. erschienen beide
^^iese im „9iinovamcntv" übersetzt und zugleich dieBiit-
kheilung, daß uun auch in Frankreich eiue Bewegung
k'evorstehe; die Herren Engländer nnd Franzosen sollten
jeboch mohl bedenkcn, daß man nicht die Nase in die
Häfen anderer Leute stecken dürfe, und daß niau, so
jehr nian auch deu Fremden sür sihr warmes Juteresie
au deni ivunderbaren Bauwerke danke, doch schließlich
j^bst Herr im eigcnen Hause sei und ebcu deshalb
"'u so niehr zu schätzen und zu schlltzen wisie, was der
^k)vfnrcht würdig sei.

Tn diesem und ähnlichem Tone ward dann die
^ugelegenheit in allen venezianischcn und italieuischen
^kättern behandelt und oft sehr eingehend mit mehr
uder weniger Geschick besprochcn. Es wurden Artikel
aus englischen Zeitungeu iibersetzt, in wclchen das
' utervenircn der Ausländer als nngehörig, weun auch
aus warmem Jntcressc für die Sache hcrvvrgcgangeu,
'"rückgciviesen ward. Am 21. Novcmbcr theilte sodann
'"r »Ninvvamcntv" einen Erlaß der kgl. Präsektur vom

Jahre 1876—77 mit, in welchem Rechenschaft von
der Thätigkeit des Provinzialrathes abgelegt wird. Jn
diesem Berichte ist folgende Stelle interessant: „Man
machte im Allgemeinen einen Ueberschlag, so wie ein
in's Einzelne ausgeführtes Projekt für die Vollendnng
der Restauration von S. Marco, indem man besonders
alles Augenmerk auf Erhaltuug des Alten richtete und
so nur an Ausbesserung dachte, Wiederherstellung,
Rettung und nicht ein „Neumachen" beschloß und so-
mit diese Restauration nach den gesundesten Ergeb-
nisien der Wissenschaft und dcs künstlerischcn Ge-
schmackes fortsetzte, so weit ihn diejenigen besitzen, welche
vom Kultus für das Schöue nnd Vaterländische durch-
Lrungen sind."

Wir erfahren aus eineni ähnlichen Recheuschafts-
berichte späterer Zeit, daß dem Prvvinzialausschusse
noch 2j., Millivnen Francs nöthig erscheinen, welche,
auf 23 Jahre vertheilt, in Raten von 50,000 Frcs.
ausbezahlt und verwendet werden sollen. Von Neüem
wird großes Gewicht darauf gelegt, alles zu erhalten,
was möglich sei, aber gänzliche Neuaufführung
des inneren Baukörpers als unumgänglich nothwendig
dargestellt. — Am 21. Nov. bringt dann die eben ge-
nannte Zeitung einen Brief des Restaurationsarchitekten
G- B. Meduna. Das lange Schriftstück, in trockeuem,
ost sehr uuhöslichem Tone, richtet sich vornehmlich gegen
den Maler Wallis und W. Mvrris, soivie gegen
die Ausführungen in dcn „Daily News".

Meduna sucht die Kritik seiner Restanration Vvn
S. Aiarco als Verläumdnng znrückzuweisen, welche
Absicht ihm jedoch, wie mir schcint, nicht gelingt. Er
verstrickt sich bci seiner Vertheidigung zusehcnds in
Jrrthümer, leere Phrasen und falsche Behauptnngen.
Er sagt z. B., daß die neumosaicirten Theile des Fnß-
! bodens besier, solider gearbeitet seien, als es die altcn
je gewesen, daß die Reproduktion dersclben ganz genau
! in demselben Material geschchen sci, Ivelches die altcn
bewunderungswürdig gemacht habe: Behanptnngen,

^ welche, wie andere, absolut der Wahrheit zuwiderlaufen.
Am 23. Nov. bot sich in einem langen gcgen
Meduna gerichteten offenen Schreibcn der Antignar
Guggenheim an, zwei der Sänlen aus Berde antico
an der zuletzt restaurirten Südseite ans seine cigcncn
Kosten poliren zu lassen, um ihnen so die durch
Schuld Mcduua's unnöthiger Wcise abhandeu gekom-
mene tiefe, prächtigc Farbe wiederzugeben: eine
^ Stimme, welchc in der Wüste verhallte. Mednna
antwortcte auf dieses Schreiben und sührte unter Anderem
als Vertheidignng der dnrch ihn vorgenvmmencn Ab-
reibung der Säulen Folgendcs an: „Er habe einzelne
noch haltbare Theile dcr altcn Seitenfayade ivicder in
den neuen Bau eingefügt, wie z. B. eine große An-
! zahl vvn Kapitälcn, Bvgcnlaibnngeu, Fricscn n. s. w.
 
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