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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Förster, Bernhard: Baubeamte und Baukünstler in Preußen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5804#0172

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Baubeamte und Baukünstler in Preußen.

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soldatischer Charakter aufgedrückt wird, wenn alle vom
Staate in Anspruch genommenen Gelehrten und Künstler
möglichst in die Kategorie der Beaniten geschoben
werden, so ist dies eben eine Reminiscenz aus einer
Zeit, da dieGründung diesesStaatesdurch andereMittel
als durch administrative und militärische nicht möglich
war. Als jene nüchternen Hohenzollern in ungeheurer
Anstrengung aus den derwahrlostcn Nordostmarken
unseres Baterlandes das Rückgrat des neuen Deutsch-
lands schufen, durften sie nicht das unerreichbare
Bessere zum Feind des erreichbaren Guten machen.
Es wäre kurzsichtig, was freilich noch kürzlich einem
großen Kritikus der Preußischen Hauptstadt passirt ist,
diese „Einseitigkeit" anders aufzufassen, als die unweg-
deukbare Voraussetzung des preußischen Staates, und
sofern Menschen wie Staaten immer einen Beigeschmack
von den Bedingnngen haben werden, unter denen sic
entstanden sind und sich entwickelt haben, müssen wir
auch den vielberufenen und nicht immer verstandenen
MilitarismuS und die Bureaukratie Preußens als noth-
wendig anerkennen. Vor Allem muß es der Kunst-
historiker in Hinsicht auf die Thatsache, daß echte Kunst
erst da wachsen kanu, wo ein gesundes nationales
Leben bcsteht und daß zur Begründung einer wie auch
immer beschaffenen nationalen Kultur der Hohen-
zollerustaat in Deutschland die unerläßlichen pvlitischen
Voraussctzungen geliefert hat. Diese Thatsache ist so
schlicht, daß sie von sehr geistreichen und gelehrten
Mäunern übersehen werden konnte, und wir möchten
deshalb in recht deutlichem Gegensatz etwä zu der Auf-
sassung des hochverehrten Justi das Paradoxon hin-
stcllcn: Die preußischen Kvnige im vorigen Jahrhun-
derte standen in viel höherem Sinne im Dienste der
Kunst als die polnischen Kvnige und sächsischen Kur-
fürsteu trotz altes Meißener Porzellans, trotz Mcngs ic.

Obwohl die Denkschrift auch den eben entwickelten
Gedanken nicht unberührt läßt, so wollten wir doch die
Gelegenheit nicht verpassen, eine ebenso einsache wie
verständliche, aber eben wcgen ihrer Schlichtheit nicht
immer verstandene geschichtliche Thatsache ein klein
wenig näher zu erörtern.

Die Gründe der oben erwähnten unzulänglichen
banlichen Leistungen des preußischen Staates suchen
die Petenten mit Recht in dem Umstande, daß das
vsfizielle Bauwcsen ganz einfach nach der Schablone
der sonstigen Verwaltungszweige geordnet ist, mit drei
Jnstanzen, den nvthigen Rescripten, Revisionen, Schrei-
bereien :c. Daß bei dem Architekten als Baubeamten
die Qualität dcs Architekten als Bauckcki nstler fast in
allen Fällen rettungslos nntergeht, ist eine Thatsache,
die keinem Kundigen bcwiesen zu werden braucht.
Der vom Staat beschäftigte prenßische Architekt befindet
sich in der That in einem oircmkus vitiasns eigener

! Art. Häufig an kleinere, keinerlei knnstlerische An-
regung bietende Orte verwiesen, mit Bureau-Arbeiten
überhäuft, in seiner Fortbildung gehemiiit, steht er,
wenn dann wirklich einmal dcr seltene Fall eintritt,
daß ihni eine eigenthümliche höhere architektvnische
Aufgabe gestellt wird, derselben meist unfähig gegen-
über; sein Projekt Ivird in den höheren Jnstanzen
modifizirt oder anfgegeben. Und weil nnn im tri-
vialen Dienst und „Geschäst" der künstlerische Geist in
ihm erdrückt ist, stellt man ihm von oben her keine
höhercn Themata mehr.

Wenn bei sothanen offenbaren Uebelständen die
Forderung der oben genannten Baukünstler dahin
geht, dem Privatarchitekten, der augenblicktich haupt-
sächlich die künstlerische Seite der Technik verträte,
die Ausführung der grvßeren Staatsbauten zu über-
tragen, so ist das freilich, wie Jedermann sieht, eine orntio
xro äoino, aber die angeführten Gründe fordern nichts
desto weniger unseren Beifall heraus, mindestens so-
wcit sie sich mit einer Kritik dcs bestehenden Zu-
standes befassen. Was die positivcn Vorschläge an-
langt, so scheinen einige Bedenken nicht abzuweisen.

Hinsichtlich dtr Prüfung der Bauentwürse soll das
schon bestehende Verfahren nicht einfach beseitigt, son-
dern zweckmäßig rcformirt werden. Die schon seit
dreißig Jahren bestehende „technische Baudeputation"
des Handelsiiiiiiisteriiims soll dnrch eine cntsprechende
Anzahl hervorragender Privatarchitekten verstärkt und
durch eineu pcriodischen Wechsel dcr Persönlichkeiten
vor Schablonenhaftigkeit und Einseitigkeit gesichert
werden. Neben ihr sollen in den Provinzen analogc
Körpcrschaften eingerichtet werden, um den spcziellen
Bcdürfnissen der einzelnen Landschaften besser zu ge-
nügen, als dies durch eine in solcheu Fällcn gewiß
übel angewandte Centralisation möglich ist. Die
Thätigkeit dieser Korporationen könnte sich dann leicht
eine solche Autvrität erwerbeu, daß auch alle anderen
größeren Bauten, z. B. kirchliche, kvmmunale, militä-
rische rc. ihr zur Prüfuug vorgelegt lverden lvürden.

Ob diese Wünsche der Petcnten iu Erfüllnng gehen
werden, ist freilich zweifelhaft: wir niiißten uns aller-
dings sehr geniale und gewaltige Künstlcrnaturen in
jenen Provinzial-Baukollegien sitzcn denken, Wenn es
ihnen gelingen sollte, dcn Eigensinn und die künstlerische
Jndifferenz sv manchcr dentscher Korporationen nnd
Behörden zu überwinden.

Noch unsichercr scheint uns die in der Denkschrift
gefundene Beantwortung der zlveiten, weit Ivichtigere»
Frage: wem denn nnn fortan dcr Entlvurf und die
Ausführung der monumentalcn Staatsbanten zu übcr-
tragen sei? Mit der zunächst aufgestellten Autlvvrt:
„demjeuigen Architekten, der hierzu am meisten gecignet
erscheint", ist offenbar nvch uicht viel gelvounen.
 
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