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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [1]
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Die JahresauZstellung im Wiener Küustlerhause.

46-l

München, so hat 1880 Diisseldorf sein bedeutendes
Ausstellungsunternehmen ins Werk gesetzt und dadurch
die Masie der dcutschen Künstler von der Beschickung
der Wiener Frühlings - Ausstellung abgehalten. Auch
im außcrdeutschen Auslande regte sich kein Jnteresie
fiir dieselbe. Und in Wien selbst blieb es stiller denn
je. Die Anmeldungen waren bis zu dem Anfangs
festgesetzten Termin so geringfügig, — wir hören, nnr
etwa 150 — daß man sich genöthigt sah, mehrere
Wochen zuzugeben und die Eröffnung erst am
10. April vvrnehmen konntc. Dieselbe ging im Bei-
sein des Monarchen in der llblichen feierlichen Weise
vor sich.

Die Hauptwand des großen Mittelsaales ziert das
mit Spannung erwartete kolosiale Bild von Prof.
Griepenkerl: „Zeus besiegt die Titanen". Wie den
Lesern aus unserer früheren Besprechung des Kartons
bekannt ist, bildet dasselbe ein Glied in Ler Kette der
großen cyklischen Kompositionen aus der Prometheus-
Mythe, welche der Künstler für dcn Sitzungssaal der
von Hansen erbauten Akademie der Wissenschaftcn zu
Athen im Auftrage des verstorbenen Barvn Sina zu
malen hat. Jnnenansichten des Saales mit Griepen-
kerl's farbenprachtigen Aquarellskizzen sind zur Seite
des großen Gemaldes aufgchängt und geben uns einen
Vorbegriff Vvn der edlen und glänzenden Wirkung,
welche das gemeinsame Werk des Architekten und des
Malers unzweifelhaft einst auf den Beschauer ausllben
wird. Losgelöst aus diesem Ensemble, für welches die
Komposition in Anordnung und Ausführung vom
Künstler berechnct ist, und Ubertragen in eine Aus-
stellnng, welche — wenn auch aus diskreter Ferne —
das Fremdartigste mit ihr in Beziehung bringt, kann
die Schöpfnng Griepenkerl's unmöglich zu ihrem Recht
gelangen. Man erkennt auch hier den tüchtigen Aka-
demiker, den geschmackvollen Zeichner nnd stilbewußten
Koloristen aus der Schule Rahl's; aber von der nn-
gewöhnlichen geistigen Pvtenz, welche die Bewältigung
einer so wuchtigen und umfasienden Aufgabe erheischt,
von dem spezifischen Werthe des Kunstwerkes in sciner
Wechselbeziehung zu dem wohlgeordneten Ganzen erhält
der Ausstellungsbesucher keine unmittelbare und klare
Vorstellung. Erst das Studium der Skizzen kann ihm
dieselbe vervvllständigen. Wir glauben auch nicht, daß
der KUnstler an Ort und Stelle sein Werk' ganz so
lassen werde, wie er es jetzt uns darbietet, und zwar
vor Allem in malerischer Hinsicht. Da wird es im
Einzelnen durch Lasuren manches anders zu stimmen,
in Ler Haltung der Massen vielleicht auck nvch hicr
und da eine Aenderung zu trefsen gebeu, wie sie aus
der Gesammtwirkung des Cyklus und seiner malerischen
Gliederung resultirt. Wir können das Bild also jetzt
nur in seiner bedingten und vereinzelten Stellung

würdigen, gestehen llbrigens, daß es uus auch als
solches hohe Achtung vor dem crnsten Wollen nnd deu
gediegenen Fähigkeitcn des Meisters einflößt.

Die Scene führt uns den Moinent vor, in wel-
chem die Wuth des Kampfes zur Entscheidung gelangt;
dic Giganten haben kühn die Höhcn erstiegen, ans
denen die Schaar der Göttcr versammelt ist, nm ihren
Ansturm abzuivehren. Links kämpft Pallas als Vor-
tampferin glücklich; rechts dagegen siud die Unholdc
sicgrcich vorgedrungen nnd haben sich an der Götter-
mutter selbst vergriffen, welche, von eineni der Titanen
davongetragen, mit emporgehvbenen Armeu nm Hilsc
flcht. Da crscheint, von lichtemHimmelsglanz umflosiew
auf einer prächtigcn Ouadriga der jngendliche Zeus,
mit der Linkeu die Ziigel dcr feurigen Nvsse lenkend,
in der Rechten deu flammenden Donncrkcil; und dic
ruhige Majestat, mit welcher er in den Kamps eintritl,
— ein echt Hellenischer Zug in sciner Charaktcristik —
zeigt uns, wvhin dcr Sieg sich neigen wird. Schon
stürzen die Titanen, die sich am weitesten vorgewagl,
vvm Strahl des Himmelsgvttes getrvffen in den Ab-
grund, wv sie von den Hekatoncheiren gcpackt und in
den Tartaros geschleift werden. Bald wird daö neil
erschaffene Geschlecht der Menschen, welches in einci'
Höhle am Abhange des Bergeü auf den Ausgaug dcs
Kampfes barrt, an's Licht hcrvvrtreteu kvnnen, uiid
Hestia, Demeter und Divnysos, die Bringer der Kultur,
welche schon entsetzt vor der Herrschaft der Titane»
fliehen wollten, k'önnen zurückkehren auf dic nun aus
immer gesicherte Erde. Für dic räumlichc Dispositiou
des hiermit kurz geschilderten Gegcnstandes hat Griepeu-
kerl dic Form der gegebenen Wandfläche geschickt be-
nutzt. Jn der Mitte schneidet nämlich eiue vvn Säule»
slankirtc Thür mit hoher architektvnischcr Bekrönuug
in die Wand ein, so daß diese dadurch cine ähnlichc
Gestalt bekommt wie die übcr Len Fenstern gelegcneu
Wandflächen der Stanzen (Parnaß, Petri Befrciuug,
Mcsse von Bolsena). Nach den beiden schmalcn nntcrcu
Seitenflächen wurde demgemäß die lebhasteste Bewcguug,
das Anstürmen und der Absturz der Titancn, hin ver-
legt. Jn der oberen Abtheilung dagcgen bildct Ze»s
das Centrum und zugleich den Ausgangspunt't für dic
Beruhignng und das Endc des Kampfes. Es hat iü
diescr natürlichen Vertheiluug der Masien seinenGruud,
wcshalb Griepenkerl's Werk in den beiden seitlichcu,
unteren Abtheilnngen eine größere Anzahl von lebens-
vollen, durch Kraftausdruck nnd mannigfacke Bcwc-
gung fesselnden Gestalten aufweist, als die vbere Partic.
Jn dieser bvt namentlich die Gestalt deö Zens des-
halb eine besvndere Schlvicrigkeit dar, wcil dcr Künstkc^'
ihn nicht als den mildcn, greisen Vnter der Gvttc'
und dcr Menschen, sonderu als den jugcndlichcn Heldcu
und Eroberer charakterisiren wollte. Es wäre für da^
 
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