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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Rosenberg, Adolf: Ausstellungen in der Berliner Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5804#0244

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475

Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie.

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die eine, die über den Tisch nach dem sallenden Becher
und der herabgleitenden Decke greift, besonders wirk-
cham ist.

Auch die Komposition der „Amazonenschlacht" hat
aus dem Wege von der ersten Skizze bis zur definitiven
Ausführung viel verloren. Während sich jetzt die ganze
Komposition in einzelne Gruppen auflöst, von denen
keine die andere beherrscht, war auf einem um 1870
gemalten Entwurfe ein dominirender Mittelpunkt in
einem Knäuel von Kämpsern geschaffen, dem von
beiden Seiten Succnrs zueilte, während sich die übrigen
Gruppen diesem Centrum unterordneten. Nach der
rcchten Seite war die Komposition noch dadurch reicher
gestaltet, daß sich der Kampf bis an's Meer fortsetzte,
in welches ein Fahrzeug hineingestoßen wird, wie es
scheint, um den Unterliegenden die Flucht zu erleichtern.
Feuerbach strich diese ganze Partie, vermuthlich weil
das Motiv fast genau mit der „Flucht der Medea"
übereinstimmte, wo auch die Barke von den Ruderern
in's Meer gestoßen wird. Die zahlreichen Vorstudien
zur Amazonenschlacht, namentlich die Serie herrlicher
Fraucnköpfe, welche in ihrer erhabenen Formenschön-
heit an die Jphigenien erinnern, und die mit außer-
ordentlicher Bravour gezeichneten Akte lassen eine un-
endlich größere und werthvollere Leistung erwartcn, als
sie uns leider das vollendete Bild vor Augen führt.
Es ist geradezu unbegrciflich, wie namentlich der groß-
artige, heroische Ausdruck in den Amazonenköpfen so
völlig verschwinden und bis zuni Trivialen und Ge-
meinen herabsinken konnte, und wie nach so eingehenden
und bewunderungswürdig ausgeführten Studien nach
dem lebenden Modell so schwülstige Figuren entstehen
konnten. Daß es Feuerbach an dramatischer Kraft
nicht sehlte, und daß nur die Reflcxion oder vielleicht
die von ihm für richtig erkannten Stilgesetze zwischen
Skizze und Ausführung gleichsam wic erkältend tratcn,
beweist eine gleichzeitig mit dem ersten Entwurfe zur
Amazonenschlacht entstandene Oelskizze, welche Ama-
zonen auf der Wolfsjagd darstellte. Hier hat der
Künstler eine wahrhaft Rubens'sche Krast entfaltet,
eine Furia, welche an die berühmtesten Löwenjagden
des großen Vlamänders erinnert.

Auch für die „Medea auf der Flucht" liegen
mehrere Vorarbeiten vor, welche uns zeigen, daß
Feuerbach ursprünglich beabsichtigte, die Kolcherin
stehend darzustellen und die Amme in den Hintergrund
links zu placiren, während sie jetzt die Mitte der
Komposition einnimmt. Wie aus einer ftüchtigen
Federskizze hervorgeht, hatte er auch einmal die Jdee,
den Vorgang dramatisch zuzuspitzcn, indem er die
Medea bereits den Dolch zu tödtlichcm Stoße zücken
ließ.

Die lichte, fröhliche Farbenskala, wclche Feuerbach

auf seinem Erstlingsbilde „Hafis in der Schenke" (bei
Herrn von Harder in Karlsruhe) anschlug, hat er nack>
diesem ersten Versuche für immer verlassen Die
Farbengluth der Venezianer hatte ihn so vollständig
gefangen genommen, daß er das Recept Couture's,
welches er aus Paris mitgebracht, fortan nä notu legte
Die Ausstellung enthält jene beiden Arbeiten, welche
Feuerbach von Venedig als Ausweis seines Studien-
sleißes nach Karlsruhe schickte, und die vor den Augen
seiner Richter so wenig Gnade fanden, daß man ihm
das Stipendium entzog — eine Kopie nach Tizian's
„Assunta", welche trotz ihres erheblich kleineren Maß-
stabes dem Farbenzauber desOriginals sehr nahe komnit,
und eine ernste, großartige Frauengestalt, die musika-
lische Poesie, welche ihre Abstammung von Palma's
h. Barbara nicht verleugnen kann. Dieses Bild, welches
sich nebst der Tizian'schen Kopie im Besitze des Groß-
herzogs von Badcn befindet, bereitet schon auf die
Stilrichtung vor, welche Vvn jetzt ab für Feuerbach
charakteristisch werden sollte. Sie zeigte sich zuerst auf
dem Dantebilde im Besitz des Grafcn v. Schack in
München (Dante mit edlen Frauen in Ravenna lust-
wandelnd), welches koloristisch noch ganz unter dein
glücklichenEinflusse derVenetianer, insbesondere Palma's,
steht. Das erste Exemplar dieses Bildes besitzt be-
kanntlich die Karlsruher Galerie. Noch entschiedencr
ist dann der spezifisch Fenerbach'sche Stil in der ersten
Jphigenie (gemalt 1862, ini Besitze des Or. Fiedler in
München) ausgeprägt. War schon auf dem Dante-
bilde die Gewandung der Fraucn von wahrhaft klassi-
schem Wurf, so tritt das Bestreben, in der Drapirnng
mit den Werken der antiken Plastik zu wetteifern, an
dieser Jphigenie, die sonst ganz aus der modernen
Romantik heraus empfunden ist, nvch deutlicher zu
Tage. Sonst hat Feuerbach nicht einmal die moderne
Haartonr jener schönen, formsnprächtigen Römerin ans
dem Volke verändert, die ein Jahrzehnt lang ihm ge-
wissermaßen seine Formensprache diktirte und auf die
definitive Bildung seines Stils von cntscheidendeni
Einfluß war. Wir finden sie unter den vor dem
Leichname Christi knienden Frauen auf der „Pietü",
wir finden sie als Eurydicc, die Orpheus aus dcr
Unterwelt emporführt, als Minerva anf dem Paris-
urtheil, als Medea, die sich zur Flucht rüstet, die über
Mordgedanken brlltet nnd an dcr Urne ihrer Kinder
trauert. Und nach ihrem Mnster sind anch die übrigen
Frauengestalten gebildet, die wir auf den in den sech-
ziger nnd erstcn siebziger Jahren entstandenen Kompo-
sitionen Feuerbach's antreffen, anch wenn sie uicht ihre
Züge tragen. Eine Porträtstudie im Besitze des Groß-
herzogs von Baden und eine zwcite in der gräflich
Schack'schen Sammlnng geben die edlen, großartigen
Formen ihres Angesichtes, das dunkle, große Auge u»d
 
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