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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5804#0284

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause.

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der Ausstellung. Sie repräsentiren das Talent des
Künstlers für elegante Detailmalerei besier als das
große Bildniß einer jungen Dame in Roth, wel-
ches die erste Abtheilung bereits enthielt. Auch Leo
Reiffenstein, ein Schüler Makart's, deffen „Patri-
zierin" uns ziemlich kalt gelassen hatte, ist in der
zweiten Ausstellungshälfte außerdem durch einen treff-
lichen „Studienkopf" mit vorzüglich modellirten Händen
vertreten, der hier erwähnt zu werden verdient.

Die „Fischhändlerin" von Ernst Zimmermann
möge uns als Uebergang dienen zur Betrachtung der
Thierstücke. Die Fische sind nämlich auf jenem Bilde
bei Weitem besier als die Händlerin; sie erinnern an
die Scenen ans dem Fischerleben am Bodensee, mit
welchen der junge Künstler vor einigen Jahren in
München Aufsehen erregte. Dieselbe Wand, an wel-
cher in der ersten Ausstellungshälfte das Zimnier-
mann'sche Bild hing, zeigt uns in der zweiten eine
Gruppe von Kühen im Wasier von Prof. R. Huber,
von farbiger energischer Malerei, und diesem Bilde
gegenüber ein Thierstück von H. Baisch in München
(„Mittagsruhe"), das wir an Wahrheit der Natur-
- wiedergabe und Feinheit des Kolorits zu den Perlen
der Ansstellung zählen. Eine Gruppe schön gesleckter
Kühe hat sich aus der Wiese unter Weidenbänmen ge-
lagert und bildet so den sarbigen Mittelpunkt des
Bildes, währcnd rechts und links der Ansblick in son-
nige Fernen führt. Das Glühen des Mittags, das
alle Kräfte der Natur wie zum Stillstand bringt, ist
in Landschast und Thieren mit wahrer Meisterschaft
wiedergegeben.

Unter den Landschaften gebührt dem „Wildbach"
von Rob. Ruß der Vortritt wegen der staunens-
werthen Kenntniß und Geschicklichkeit im Detail. Der
Lehrer des Künstlers, Alb. Zimmermann, oder Andr.
Achenbach würde uns freilich das geschilderte Natur-
schauspiel, das Daherstürmen des angeschwollenen Ge-
wässers, in seiner Großartigkeit ergreifendcr zu schildern
gewußt haben. Von unheimlich ernster Wirkung, welche
leider dnrch den schweren Ton der Malerei nicht ge-
winnt, ist L. Willroider's großgedachter „Waldbrand".
Von den Bildern des hochbegabten I. E. Schindler
hat das an Dimension nnd Kunst der Detailmalerei
importanteste, die „Praterpartie", es zu keiner unge-
theilten Anerkennung bringen kvnnen wegen des un-
schönen grauen Tones der Malerei des Baumschlags;
der mittlere Theil, namentlich der Waldweg in seiner
perspektivischen Vertiefung, bildet den Glanzpunkt dcr
Komposition. Tina Blau, Schindler's begabtc und
strebsame Schülcrin, brachte vier Bilder verschiedenen
Gegenstandcs und Werthes znr Ausstellung; das ge-
lungenste derselben ist „Vor der Stadt" betitelt und
gewährt uns einen Fernblick über die Ebene, deren

Rand die neuen Vorstadthäuser begrenzen, mit gut ab-
getönter Luft, welche durch zarte Birkenstämme schim-
mert, aber mit auffallend vernachlässigter Staffage.
Geologisch wie malerisch gleich interesiant ist „Die
Spitze des Aetna" von Prof. v. Lichteufels.
Auch H. L. Fischer und Frau Luise Begas-Par-
mentier lassen uus wieder von ihren Reisefrüchten aus
dem Süden, aus Tunis und Sicilieu, kosten. Als
Novellenbildchen von feiner poetischer Stimmung mag
Aug. Holmberg's Bild „Jm Schloßpark" crwähnt
sein. Die französische Landschaftsmalerei der frllheren
Generation ist durch einige Beispiele vertreten, in
denen man liebe alte Bekannte begrüßt; wir nennen die
Waldinterieurs von Th. Rousseau und I. Beaume,
letzteres mit Wilddieben, von einem Jäger verfolgt,
als Staffage, eiu ebenso schön gezeichnetes wie kolo-
ristisch ansprechendes Bild.

Es häugt uuzweifelhaft mit dem in's Malerisch--
Unbestimmte führenden Zuge der Zeit zusammen, daß
das Stillleben heutigeu Tages vou einer so stattlichen
Zahl junger Talente kultivirt wird. Auch die Art,
wie es kultivirt wird, erscheint uns für die Gegen-
wart charakteristisch. Es geht ganz auf in Farbenduft
und Ton. Als Farbenbouguets kann man sich nichts
Reizvolleres denken als die Stillleben von Hugo
Charlemont. Sie sind mit dem rafsinirtesten Ge-
schniack arrangirt, ihr Kolvrit ist ein wahres Labsal für
dasAuge. Aber es fehlt ihnen biswcilen die volleWahr
heit des Stofflichen, wie wir sie an dcn klassischenMeistcr-
werken des Faches bewundern. Sie wirken als GanzeS,
dasEinzelne darf man uicht inimer genau auf dic Probc
slellen. Aehnlich ist es mit einem Stilllebeu vou Hcr-
mine Lang-Laris, während unsere treffliche Camilla
Friedländer mit höchstem Fleiß ins Detail der
stofflichen Charakteristik eingeht nnd iu diescr Hinsicht
Ancrkenncnswerthes leistet; beim Anblick ihrer durch-
geschnittenen Citrvnc auf dem „Thectisch" muß jedem
Empfänglicheu das Wasser im Biuude zusammcnlaufein
Zu wünschen wäre dicser Künstlerin dagegcn cin
freierer, keckerer Wurf in der Cvnceptiou, mehr nach--
klingendes Leben in der Anordnung.

Der Preis uuter den Bildhauern blieb diesiiicll
Tilgner unbestritten, dessen bemalte Porträtbüsten
zu dem Außerordentlichsteu gehören, was dic jüngerc
Wiener Schule hervorgebracht hat. Wcnu in mancheu
früheren Arbeiten des Künstlers ein mauieristischer,
barocker Zug störte, tritt in den Büsten des Ehepaarcs
Jauner, welche unS die zweite Ausstellungshälfte
brachte, der echte Realismus von Alt-Floreuz iu vollcr
Reinheit uud Lcbcndigkcit hcrvor. Tilguer hat dicsc»
Büsteu einen matten bräuulichen Oclanstrich gegebc»
und die Wirkung der Terracotta dadurch erhöhll
Bci eiuer drittcn Büste, welchc wir im kleinen Par-
 
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