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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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575

Kunstliteratur.

576

herrschte, und schmucklose Zeichnungen mit kraftvollen
Originalentwürfen abwechseln. Seine erste erfolgge-
krönte Arbeit, der „Neapolitanische Fischer mit der Mu-
schel", erinnert noch stark an Rude's Auffassung in dem
„Kinde mit der Schildkröte"; erst mit der großartigen
Gruppe des „Ugolino" begann sein Genius die eigenen
Schwingen zu entfalten; seltsamerweise fand das unter
dem südlichen Himmel geplante Werk in Jtalien mehr
Beifall als in Frankreich, wo die Akademiker die Wieder-
gabe des physischen Schmerzes übertrieben unb die Be-
wegung der Hauptgestalt theatralisch nannten — Ugo-
lino führt genau nach Dante's Dichterwort in der
Uebermacht der Verzweiflung beide Hände zum Munde.
Als Goricault den Schiffbruch der Medusa mit allem
Grausen der Wirklichkeit malte, hatte man es ihm nicht
besser gemacht. Ein vielverheißender Entwurf Carpeaux's,
„Paul und Virginie am Ufer der Rivisre Noire", von
1862, ward leider nicht ausgeführt, während das zum
Pendant sür den „Jungen Fischer" bestimmte „Mädchen
mit der Muschel" zu den schwachen Arbeiten gehört.
Nach seiner Rückkehr von Rom räumte er der Porträt-
büste einen fast zu weiten Raum in seinem Schaffen
ein; der Kampf um das Dasein zwang ihn, den stolzen
Nacken zu beugen. Die 1862 vollendete Büste der
Prinzessin Mathilde, diejenige des Malers Eugen
Giraud, wovon dieser selbst die Zeichnung zu Ches-
neau's Werk lieferte, das genial ausgeführte Porträt
des Architekten Garnier, die überaus liebreizende Büste
von Frl. Eugenie Fiocre und diejenigen von Gonnod,
Görome und Bruno Chorier, lauter in unserem Werke
reproduzirte Arbeiten, zeigen Carpcaux's ansgespro-
chene Begabung im besten Lichte. Die schvne Porträt-
statuette des kaiserlichen Prinzen mit seinem Licblings-
hnnde Nero, von 1865, cntging glücklich der Zerstörung
durch die Commune nnd befindet sich jetzt im Schlosse
zu Arencnberg. Chapu's Porträtstatue eines Knaben
vom Salon 1879 erinnerte lebhaft an Carpeaux's
Schöpsung. Die in bedentendcr Höhe angebrachten
Gruppen dcr Dreifaltigkeitskirche, die „Acäßigkeit" und
die „Barmherzigkeit", durften selbstFreundenCarpeaux's
weniger bekannt sein; der „Mäßigkeit", einer crnst nnd
würdevoll gehaltenen Frauengestalt, sind wieder zwci
liebliche Kinder zugesellt. Die Lichtdruck-Reproduktion
des Bas-Reliefs, „Der Triumph Florens", wird durch
das Fronton oberhalb desselben, „Frankrcich als Licht-
spenderin der Welt und als Beschützerin von Ackcrban
nnd Wissenschaft", ergänzt; bei der Anordnung und dcr
Modellirung der beiden allegvrischen Figuren schwcbtc
ihm vffenbar das Mcdicäergrab Michcl Angelo's vor.

Ueber das Jahr 1867 und die „Gruppe des
Tanzes" giebt Chesneau intcrcssante nene Aufschlüsse.
Wir erfahren, daß der Bildhaner das Wcrk ansänglich
mit 17 antik bekleideten Gestalten projcktirt hatte. Das

nach langen freundschaftlichen Debatten zwischen Car-
peaux und Garnier endgiltig erwählte Modell ver-
schlang dann bei der Ausführung in Stein weit mehr,
als das ganze Hvnorar betrug, weil die Gehilsen für
die schwierige, unausgesetzte Aufmerksamkeit erfordernde
Arbeit doppelten Tageslohn verlangten. Der Architekt
setzte beim Ministerium cinen neuen Zuschuß für den
hartbedrängten Künstlcr durch und half dann aus eigencn
Mitteln weiter. All dieses Entgegenkomntens unge-
achtet mußte Carpeaux seine Schöpfung unvollendet
abliefern, ehe sie an Fcinheit der Modellirung dcm
ersten Entwurfe gleich kam.

VvndemselbenwarmenPatriotismuSwicscin Kunst-
genosse David dÄngers beseelt, schuf Carpeaux 1870
das allegorische Fronton für das Rathhaus seiner Ge-
burtsstadt: „Valencienncs stößt die Jnvasion zurück"; es
sollte neben dem reizvollen Marmorbilde, „ill'nmonr
dio88ö", von 1874 sein letztes größercs Werk sein. Wohl
vollendete er noch mehrere Porträtbüsten, und seineHand
blicb bis zur lctzten Stnnde mit Thon und Bleistift
im innigstcn Vcrkehr, aber seine beste Kraft war durch
die Krankheit gebrochen, deren Martern er am 12. Okto-
ber 1875 nach langem schweren Ringen erliegen sollte.
Das Modell zu der nach der Natur entworfcnen Statue
eines „Fischcrmädchens" zeigt seinen Genius noch ein-
mal in seiner vvlten Kraft, dann aber vcrmochte cr
nur den Stift noch zu führen. Auch aus dieser Epoche
enthält Chesneau's Buch interessante Skizzen jeglicher
Art, dic Frncht der wcnigen schmerzfreicn Stundcn
unter dem svnnigen Himmcl des südlichen Frankreichs.
Das Facsimile eiucs BriefeS dcö dem Todc geweihtcn
an seincn Frcund Chörier, vom 3. Mai 1875, dicnt
zngleich eincr kleincn Fedcrzcichnung dcr Büstc, welchc
Bernard nntcr Carpeaux's eigencr Leitung Vvn ihm an-
fertigtc, zum Nahmen; cine Religuie in doppelter Hin-
sicht, zeigt sie dcn Leidenden müde, gcscnkten Hanptes,
mit gelichtetem Haupthaar und vor der Zeit gcalter-
ten Zügcn; nur das Auge bewahrt noch cincn Abglanz
des einstigen Feucrs, nnd dic Hand belvährt beim Zcich-
ncn noch die gcwohnte Meistcrschaft, während sic znin
Schreibcn den Dicnst zn vcrsagen beginnt. Dic Todtcn-
maskc des Bildhaners schließt das Werk Ivürdig ab.

Hermann Billung

M. Mcurcr, Jtalienischc Majvlika-Fliesen. Bcr-

lin, Ernst Wasmuth. 1880. Fol.

Der rühmlichst bekannte Dckorativns - Maler
Mcnrer in Berlin, Ivelchcr von seinen in Gemein-
schaft mit scinen Schülern, zum Theil anf Kostcn dcr
Prcußischcn Staatsregiernng nnternvmmenen Stndicn-
reiscn nach Jtalien eine grvße Anzahl vvrtrcfflichcr
Kopien vvn italienischen Dekvrativns-Malercicn aus
dcr besten Renaissanee - Zeit heimgebracht hat, dic
 
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