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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Die Jubiläumsfeier der Unabhängigkeit Belgiens
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https://doi.org/10.11588/diglit.5804#0372

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731

Die Jubiläumsfeier der Unabhängigkeit Belgiens.

732

zialblüthe: siebzehn in Gold- und Silberbrokat gehüllte
Amazonen mit Kronen auf den Häuptern ritten als
die siebzehn Provinzen Philipp dem Guten und seinen
Cavalieren voran, welche die Ordenskette des goldenen
Vließes über dem granatrothen Sammtgewande trugen.
Unter ven Allegorien zeigte der von 24 gleichfarbigen,
weiß und braun gefleckten Ochsen gezogene, in seiner
ganzen Ausstattung hvchst malerische Wagen des Acker-
baues das originellste Gepräge.

Fern von dem Schaugepränge dieser öffentlichen
Festlichkeiten btühten dem Kunstfreunde nicht minder
reiche Genüsse. Die nationale Ausstellung der mo-
dernen Jndustrie umfaßte zugleich eine Retrospektiv-
Ausstel lung der kunstgewerblichenAlterthümer,
überwiegend, doch nicht ausschlicßlich, vlämischen Ur-
sprungs. Der ganze große zur Linken vom Eingange
des Palastes weit vorspringende Pavillon, ein gc-
räumiger Saal mit zahlreichen zn beiden Seiten ab-
zweigenden Kabineten und einer darüber hinlaufenden
Galerie, waren mit den vereinten Schätzen der belgischen
Staats- und Privatsammlungen, denen sich Seudungen
aus dem Auslande zugesellten, gesüllt. Sämmtliche
Zweige der altvlämischen Jndustrie waren hier ver-
treten: die Teppichweberei, Spitzen, Dinanterie, Kera-
mik und Numismatik in besonderer Fülle; unter den
Wandteppichen befanden sich einige in Brüssel sür
Margaretha von Oesterreich und Karl V. auf Gold-
grnnd gewirkte Prachtexcmplare aus dem Besitze des
Königs von Spanien, unter den Miniatnren köstliche
Ueberrestc der cinst weltbcrühinten Bibliothek der Hcr-
zögc vvn Burgund. Die Sendungen des Svuth-
Kensingtou-Museums nahmen gleich denen des Samm-
lers de Somzse größere Eckkabinete ein. An geeigneter
Stelle vertheilte historische Porträts bildeten neben
den Teppichen den Schmuck der Wände und vervoll-
ftändigten den harmvnischen Eindruck des Ganzen.

Für die historische Ausstellnng der belgi-
schen Kunst griff man nicht so weit in die Ver-
gangenheit zurück: es galt die Wiedergeburt und den
Aufschwung derselben von 1830—1880 in ihrenHaupt-
meistern zu feiern; überdies hatte die altvlämischeSchule
erst 1877 bei Gelegenheit der Antwerpener Rubens-
seier ihre Verherrlichnng ersahren. Der von dem Ar-
chitekten Balat in der Rue de la Rögence erbaute,
zur Aufnahme deö dreijährigen Brüsseler Salons
bestimmte Palast der schönen Küuste ward mit ihr
erösfnet und bestand in Hinsicht auf stiaum- und Licht-
vertheilung die Probe auf das Beste. Der durch Ober-
licht erhellte große Saal des Erdgeschosses ward, iu
ber Weise wie es beim Pariser Salon üblich ist, der
Plastik eingeräumt, zur Rechten und zur Linken zweigen
den Gemälden der äkteren Schule von 1830, de»
Zeichnungen, den Radirungen und den Medaillen ge- !

widmete kleinere Räume ab. Längs der Wände zieht
sich die von der Looiöts roz-uts dotAo ckss ugunrsl-
Iists8 veranstaltete Aguarellausstellung hin und dar-
iiber prangen, weithin sichtbar und wohl placirt, 44
gewaltige Kartons von Gnffens, darnnter auch die
Entwttrfe zu den bei dem Brande der Antwerpener
Börse 1858 zerstörten Wandmalereien, sowie zwei
Kartons von der Hand seines verstorbenen Gesinnungs-
genossen Swerts. Eine offene durch Marmorsäulen
gestützte Galerie gestattet schon von unten herauf über
eine schmucke Balustrade hinweg den Blick auf die
dort untergebrachten Gemälde.

Selten wvhl trat die Schwäche der belgischen
Plastik der hvhen Blüthe der Malerei gegeniiber
schärfer als hier hcrvor. Sie trägt keinen eigcnartigen
Charakterzug; ältere Meister fehlen mit geringen Aus-
nahmen, und die besten der ausgestellten Werke,
wie Vanderstappen's kräftige Marmorstatue „Der
Mann mit dem Degen", de Vigue's „Heliotrop",
Fraikin's „Gefangener Amor" und Cuypers' „Hal-
lali", svwie Mignon's Bronzegrnppe „Kämpscnde
Stiere", haben fast alle an den internativnalen und
lokaleu Ausstellungen des letzten Jahrzehnts Theil gc-
nommen und gehören demselben an. Vaudcrstappen
uud de Vigne hatten auch die Entwürfe zu den zum
Schmucke dcr unvollendeten Fayade des Palastes der
schönen Künste bestimmteu Gruppen: „Die Krönung
dcr Kunst" und „llnterweisung in der Kunst" ausge-
stellt. Jules Pecher's Brvnzebüsten der beiden be-
rühmten Meister Hendrik Leps und van Lerius zeichneten
sich durch energische Behandlung der Hauptfvrmen
aus. Die belgische Bildhauerschnle der Gegenwart
zählt einige tüchtige ültere Meister und einen Nach-
wuchs jüngerer aufstrebeuder Talente, aber der Mv-
ment einer historischen Ausstellung war für sie ent-
schieden noch verfrüht.

Anders verhält es sich mit deu Gemälden, in
deren Sälen die kvloristischeu Vorziige, die korrekte
Zeichnnng, die kräftige und gesunde Technik, svlvie die
Abwesenheit des iu Frankreich überwucherndeu Origi-
nalitätsfiebers wvhlthätig anniuthen. Anch die Aus-
wahl unter der Fiille des Gebotencn aus Staats- und
Privatbesitz ist eine glückliche zu neunen. Die histo-
rische llebersicht beginnt mit der antikisirendeu Steif-
heit eines Paelinck, Navez und Math. vau Bree
und umfaßt dann Gustav Wappers, den späten
Jiinger vou Peter Paul RubenS, de Kepser, den
Anhänger Delarvche's und der Franzvsen, — die Cor-
nelianer Gufsens und Slverts ivaren uiiten durch
Kartvns vertreten — den Roniantiker Gallait und
deu Archaiste» Leps, die vvrtrefflichen Genremaler
Stevens, Willems und Dyckmans, Madvu,
Col und Cap, de Jonghe, Boks und Serrure,
 
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