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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Voss, Georg: Die Erweiterung der Skulpturensammlung des Mittelalters und der Renaissance in den Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0032

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siir das ganze Mittelalter typischen Gebärdcnsprache
des Schnierzes. Ebenso sind Sonne und Mond niit
den traditionellen Gesichtern der antiken Svl und Luna
beinalt. Fiir Donatellv würde indeffen die Renaiffance-
architektur des Hintergrundes, die Häuser und Tempel
Jernsalems, entschieden einen zu wcit vvrgeschritleucn
Charakter italienischer Hochrenaiffance tragen. Sv
namentlich eine größerc Tempelanlage mit einem direkt
an Bramante's Modell für den Petersdvni erinnern-
den Kuppelban. Intereffant ist an diesem Nelief ferner
die harmonische Verbinduug der kräftig mvdellirten
Figuren des Vvrdergrundes niit den nur in der Fläche
gemalten Bäumen und Bauwerken.

Unter dcn Nelicss zeichnen sich auch einige
Schenkungen von privater Seite durch besondere Schvn-
heit aus. So ein bemaltes Stuckrelief vvn Agvstino di
Ducciv aus dcs Meistcrs bester Zeit, darstellcnd eine
Biadvnna zwischen Engeln vvr einer reich verzierten
Nische. Das Werk wurde erst kürzlich von Hrn. Withelm
Jtzinger auf der Auktion Castellani erworben und von
diesem dem Berliner Museum als Geschenk überwiesen.
Ferner ein Madonnenrelief, ebenfalls aus Sluck, flolt
bemalt nnd vergoldet, eine italienische Arbeit aus dcm
Eude des 15. Jahrhunderts, gescheukt von Hrn. Otto
Wesendonck. Svdanu ciu allerdings stark verstllmnicltcs
Marmorrelief mit einem liegenden Engel, besvndcrs
intereffant als Originalwerk Giovanni Dalmata's,
deffen Arbeiten jetzt namentlich durch Hugo von
Tschudi's Forschungen näher bekannt gewordeu sind.
Das letztere Nelief ist eine Schenkung vvn Hrn. Wilhelni
Gumprecht. Svdann sei hier noch hingewiesen auf die
ungemein lebendige, durchwegrealistisch aufgefaßte, braun
bemalte Thvnsigur eines sitzenden Bettelknaben, der
sich einen Dorn aus dem Fuße zieht. Eine intereffante
Umwandlung des bekannten antiken Motivs, die hier
einem der Nachfvlger des Donatello zugeschriebcn wird.
Die Figur stammt aus Padua und ist dem Mnseum
von Hrn. Oscar Hainauer geschenkt, der diese Ab-
teilung schou dnrch manchcs schvne Stück seincr Privat-
sammlung bereichert hat. Jn Berlin, wo die den
vffentlichen Sanimlungen zugewendete Opferwilligkeit
der Millionäre sich nvch bis vor kurzem mit Vorliebe
auf die Schenkung irgend eines Raubtieres an den
zovlogischen Garten vder einer Niesenschlange an das
Aguariuiu beschränkte, müssen solche Bcispiele stets ganz
besonders hervorgehoben werden.

Aus ältereni Besitze der Mnseen, doch ebenfalls
bisher unzugänglich, stammt die in Glastischen aus-
gestellte Sammlung vvn kleineren Medaillonporträts
aus bemaltem Wachs. Es sind Arbeiten vom Anfange
des 16- Jahrhunderts an, in welchen die Künstler die
natürlichen Farben des Fleisches, der Augen, des Bar-
tcö nnd der Haarc in absvlnter Treue wiederzugeben

versucht haben. Ja, die Sucht, den Eindruck voll-
endeter Wirklichkeit hervvrzuriifen, geht in diesen Pvr-
träts so iveit, daß für die Gewänder wirkliche gewebte
Stoffe aus Seide und Goldbrvkat, für die Schmuck-
sachen natürliche Perlen nnd Metalle verwendct sind.
Sv stecken bei deiu Bilvnis einer habsburgischen Prin-
! zessin die aus brauuem Wachs inodellirteu Haare iu
einem Netz aus wirklichen Gvldsäden. Jn den Ohren
hängen echte Perlen nud vvn der Brust nietallcne
Ketten herab. Die kühnsten Farbenträume der Dres-
dener Bildhauer und Maler, welche gegenwärtig das
Problei» der Bemalung der Statneu zu lvscu ver-
suchen, sind also schvn iu diesen Werken übertrumpft,
und die Frage „Sollen wir unsere Statuen bemalen?"
läßt sich hier bis zu ihren letzten Konsequenzen
übersehen. Abgesehen von der Sammlung vvn be-
malten Tanagrafiguren bietet jetzt das Berliner
Niuseuin das einschlägige Nkateriat sür das Studium
dieser Frage in einer Reihe vvu vvrtrefflichen Werken
vom Ausgange des Biittelalters bis zum spätesten
Barockstil dar. Es seien hier nur erwähnt: die herr-
liche Porträtbüste des Giovanni Ruccetlai, die des
Filippo Strozzi von Benedetto da Majano, die des
Lorenzo de' Medici und die des Mcicchiavelli. Feruer
die Terrakottabüste eine Jünglings von Francescv
Francia. Sodann aus der deutschen Schule zwei
änßerst seltene Beispiele von bemalten Thonbüsten: die
herrlichen Porträts von Wilibald Jmhof und seiner
Gattin. Also eine glänzende Neihe von Hauptwerken
der Porträtplastik überhaupt.

Ebensalls aus älteren Beständen neu ausgestellt
ist eine Sammlung von geschuittenen Arbeiten aus
Perlmutter, Pvrträts nnd heilige Darstellungen in
Relief und ä jonr gearbeitet, das 15. bis 17. Iahr-
hundert umfaffend. Unter diesen zeichnen sich die
Medaillvn-Brustbilder von Wilibald Pirkheimer und
Stefan Schlick durch äußerst vvllendete Ausführung aus.

Die der Renaiffance angehvrenden Werke der
Sammlung haben in den umfaffenden Studien Wil-
helmBode's, des gegenwärtigen Direktors der Samm-
lnug, ihre wiffenschaftliche Bearbeituug gefunden. Fiir
die mittelalterlichen Skulpturen steht eine derartige
Behcmdlung uoch aus. Auch diese Gruppe besitzt in
der Sammlung von Elfenbeinschnitzereien eine grvße
Zahl von wichtigen Werken zumal aus dem frühen
Mittelalter. Leiver sind die dazu gehvrenden Elfen-
beintafeln aus der Zeit der christlichen Kaiser, die im
Antiquarium aufbewahrt werden, noch immer nicht
mit dieser Sammluug vereinigt, während sie dvch
nnr hier im Znsaiumenhange der christlichen Kunst-
entwickelung eingehend studirt werden können. Eine
wiffenschaftliche Bearbeitung der so vereinten Elfen-
beinskulpturen der christlichen Epvche, wie sie die hier-
 
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