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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Auer, Hans: Das Semper-Museum in Zürich, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0050
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Das Semper-Museum in Zürich.

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zu offenbaren. Die charaktcristische Jndividualisirimg
des Zweckes in der Gesamtanlage, die energische Kraft I
seiner Fassadenbildung, die feine Eleganz und doch be-
stiiiinitc Aceentnirung der Gliederungen, dic pompöse
Anordnung der Vorsäle, Treppen und Haupträume
und die maßvolle Dekoration, — diese ausgeprägten
Mcrkmale des Semperschcn Geistes laffen sich in jeder
sciner Bauten nachweisen.

Denn außer den beiden genannten Monumenten
brachte er in Znrich auch die Sternwarte nnd das
große Warenhaus des Herrn Kaufmanns Fierz
zur Ausfiihrung, erstere in feiner Bramantesker Archi-
tektur mit vorzüglicher Ansnützung des steigenden
Terrains zu Terrasscn- und Gartcnanlagen, das Ganze
in geschickter Maskirung der anstcigcnden Linicn mit
pergolaartiger Umzäunung abgeschlossen; — das letztere
ein etwas massiver Steinbau mit brciten Axen und
schwachcm Hauptgesims, der aber nanientlich vvn dcr
Rückseite mit dem tropischen Blumenparterre, den
prächtigen breitästigen Platanen und den an den weit-
gespannten Loggien bis zum Dache hinaufrankenden
Schlingpflanzen ein wahrhaft klassisches Architekturbild
darbietet. Auch hier schließen sich Terrassen-, Treppen-
und Pergolamotive dcm Hanptgebände an. Diese
beiden Gebäude zeigen, wie harmonisch Semper seine
Werke der umgebenden Natur anzupassen, wie schön
er namentlich die Übergänge von der Natur zur Archi-
tektur herzustellen wußte, — eine jener viel zu wenig
beachteten Aufgaben des Architekten.

Eine teilweise Ergänzung zu diesen vier in der
Schweiz zur Ausführung gelangten Entwürsen bietet
nun das Semper-Museum, das den größeren Teil
der Projekt gebliebenen Kompositionen enthält und ein
— wenn auch nicht ganz — doch nahezu vollstän-
diges Bild seiner künstlcrischen Thätigkeit in Zürich
bietet.

Das Semper-Museum ist gegenwärtig in dcr
Börse untergebracht, einem schönen Neubau des Archi-
tekten Alb. Müller, eines talentvollen Schlllers
Sempers. Das Gebäude hat auf der spitzen Ecke,
welche durch den Bauplatz bedingt war, einen runden
Ausbau, in deffen oberstem Stockwerke der im Durch-
meffer etwa 10 m haltende Kuppelsaal mit Oberlicht
sich befindet. Jn diesem für eincn solchcn Zweck ganz vor-
züglich geeigneten Raume hängen an der Wand rings-
herum die für die allgemeine Besichtigung intereffan-
testen Blätter. Jn einigen Mappen findcn sich noch
Studien und Ausführnngspläne. Dem Eingange gcgen-
über, in einer Wandnische, ist die Büste Sempers auf-
gcstellt, von seinem jüngsteii Sohn Emanuel ausge-
führt, in dem Alter des Züricher Aufenthaltes, etwas
naturalistisch behandelt. Jn der Mitte anf einem Tisch
ein Fremdenbuch, das einen verhältnismäßig lebhaften

Bcsuch des Museums nachwcist. Ein Katalog existirt
nicht und wäre auch überslüssig, wcun allc Zeichnungeu
gehörig beschrieben wären. Die Ausstcllung ist nicht
chronologisch geordnet; wir folgen, da die Zeit der
Entstehung nicht dnrchaus bekannt ist, dcr Reihenfolge,
in der die Blätter aufgehängt sind.

1. Projekt für das Nathaus in Glarus:
zwei Varianten anf vier Blättern. Das Hauptprojekt
zeigt eine sechssäulige Kolonuade an der Fassade, da-
hinter ein geräumiges Vestibül, mit vicrarmiger Treppe,
auf drei Seiten mit offenen Bogenhallen, in dcr Mitte
nach riickwärts den großen Sitzungssaal, rechts und
links die BUreaux, — in der knappsten Form und
monumentalstcn Gestaltnng alle Bedürfniffe eines kleinen
Nathauses enthaltend. Der Entwurf erscheint wie eine
Vorstudie sür das Winterthurer Stadthaus, mit dem
es das Wesentlichste gemein hat.

2. Projekt sür den Kursaal in Baden (im
Kantvn Aargau.) 1866. Eiu vollständigcs Projekt
in sechs Blättern in sj gft nat. Größe gemalt, aber
etwas unvorteilhaft in der Farbe: einer der schönsten
Entwürfe Sempcrs, zugleich seinc rvmische Nichlung
am schärfsten charakterisirend.

Jn der Mitte, Lber hohem Treppenaufgang, zu
welchem man durch einen in der Ticfe vor der Ter-
raffenmauer vorgebauten viersäuligen, dorischen Porti-
kus gelangt, liegt cin kuppelbedecktes Vestibül, rechts
und links je zwei Langbauten, an die sich parallel
liegende nicdrige Seitenschiffe anschließen. Jn dcr
rechten Seite befindet sich das Theater, links die Trink-
und Konversationssäle. Die beiden die Kuppel flan-
kirendcn Langbauten sind von außen auch seitlich mit
dcn Giebeln der römischen Thermensäle geziert, nur nm
symbolisch aufdiese Bauten hinzudeuten, denn konstruktiv
bedingt sind sie nicht, da die innere Decke horizontal
ist. Die niedrigen, als Seitenschiffe sich anlehnenden
Teile haben vorgekröpfte ionische Säulen in Axenweiten
von 6,5 iri. Neben diesen Säulen eben so hohe Pilaster
als Fenslereinfaffung. Das durchlaufende Gesims bildet
zugleich den Sturz. Die Gesimse und Attiken mit
Vasen gezieri, das Ganze anf hohem Terrassenunterbau.
Der Plan ist von unübertrefflicher Schönheit; das
Äußere hätte durch die großen Verhältniffe und durch
die prächtige Gruppirung mit der Steigerung der
einzelnen Teile bis zur mittleren Kuppel, wic durch die
eigenartige Charakteristik des Zweckes, unzweifelhaft eine
vorzügliche Wirkung gemacht. Die Ausführung schei-
terte an den zu hoch berechneten Kosten.

3. Eine Reihe von Entwürsen für den Um-
bau des „Kratz"-Quartiers in Zürich in Ver-
bindung mit einem ueuen Gebäude für die städtische
Verwaltung. Darunter sindet sich eine reizende Per-
spektive, von Sempers eigener Hand, auf gelbem
 
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