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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Berliner Kunstgewerbemuseum: Ausstellung der Spitzensammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0122

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Berliner Kunstqswerbemuseum: Ausstellung dsr Spitzensummlunct.

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Bcrliner MuscumS mag hicr nur einc herclusgegriffcn
werdcm Sie bestcht cms 5x6 Feldern; in jedem
dersclben ist eiu andercs phantastisches Tier dargestellt,
die Ränder enthalten zwischen den vornehmen Akan-
thusranken verschiedcnc Tiere ohne jede Wiederholung

_ ein wahrcs Mustertuch der Filettcchnik. Die

Arbeit ist dem Museum 1880 aus Spanien zuge-
gangen und gchört dem 16. Jahrhundert an.

Als filetartige Nadelarbeit ist eine derselben Zeit
angehörigc spanische Spitze bezeichnet. Die Fäden
zu dein Filetgrnnd kreuzen sich hier nicht wagerecht und
senkrecht, svndcrn sind, eiuem Spinngewebe ähnlich, in
quadratischen Feldern zu Kreisen ausgespannt und mit
strengen Rosettenniustern durchzogen. An derartigen
Arbeiten ist die Samnilung sehr reich. — Nur ein
kurzer Schritt ist es von diesen spanischen Nadel-
arbeiten bis zu den italienischen sog. point oonxö-
uud rotioolla-Spitzeu des 16. Jahrhunderts, bei denen
auch die kreuzweis gespannten Fädeu dcn Grund bil-
den fllr die aufzulegende und je nach dem Muster zu
benähcnde oder auszuschneidende Leinwand. Da bei
dem feineu Material die Felder viel kleiner geworden
sind, werden natnrlich dem entsprecheud die Muster
vvruehmcrcr Art sein miisscn, so daß Jlg mit Recht
daruber sagt: „Es lebt ein architektonisch strenges Ele-
meut in dem fest aussehenden, entschiedenen Sparren-
werk dieser geometrisch-symmetrischen msrlstti, aber
eher in dem Sinne, als ob hier noch ein Stiick der
svust in der Kunstwelt erstorbencnen Gvtik mit ihrer
eiserncn Konstruktivität nachleben wollte."

Hier verdient eine Decke, aus der Minutolisamm-
lung stammend, erwähnt zu werden, welche aus
7x11 quadratischen Feldern besteht, deren jedes ab-
wechselnd in point oouxö und rstiesila verschieden
gemustert ist.

Dem Muster nach schließen sich den Reticella-
spitzen die Klvppelarbeiten nus Genua an: die nctz-
artigen runden Felder, niit den Sternen und Rosetten
in den Zacken, liegen eben der Nadelarbeit wie der
Klöppelarbeit am nächsten. Es ist nbrigens intcresiant
wahrzunehmcn, wie ein Borteiimuster, bestehcnd aus
ovalen Fcldern, welche diagonal, wagerccht und senk-
recht geteilt sind, in den Genueser Klöppelarbeilen wie
in den deutschen und flandrischen immer wiederkehrt
und sich schließlich bis auf nnsere Zeit in den Häkel-
arbeiten erhalten hat. Ein lehrreiches Beispiel, wie
die Technik das Mustcr bedingt.

Von der prachtvollen venezianischen Rcliesspitze
des 17. Jahrhunderts besitzt die Sanimliing vor-
zügliche Exemplare; ich erwähne von der seinsten Art
— xoint cks roso genannt — eines Haubendcckels von
seltener Schönheit: in symmetrischer Anordnung brciten
sich von der Biitte auS Kclchcn cnlsteigend die voluten-

artig geschwungcnen Rankcn mit dcn reizvollen granat-
apfelartigcn Bliiteu übcr den Grnnd aus, welcher
durch feine Stäbchen mit den zierlichen Sternchen ge-
bildet wird. Jn den Blüten wechselt zwischcn dcn er-
habeneu Konturen dcr gcnähte, verschiedenartig ge-
mnsterte Grund ab. Ilnsere Spitzenschulen und Fabriken
sollten immer und immer wieder diese schönste Art dcr
Spitzen studiren, um in ihren Nachbildungen allen den
Feinheiten, die hier beobachtet sind, gerccht zu werden.

Jn dcr Ausführung weniger bestechend, aber im
Muster eben so schön, sind die venezianischen Nadel-
arbeiten im Stil der Litzenspitze, von denen hier etwa
cin Dutzend hervorragend schöner Stückc ausgestellt
sind. Die Technik gestattet mannigfaltigere Formen,
dcr Stil der Zeit kann in der Zeichnnng mehr aus-
geprägt werdeu. Wir haben es hier augenscheinlich
mit einer Nachahmung der Reliefspitze zu thun. Unter
den verschiedenen Kragen, Einsätzen rc., ist das schönste
Stück der Besatz einer großen Decke. Die Langseiten
werden durch einzelne Zacken gebildet, deren jeder aus
einer anderen stilisirten Blüte besteht. Die Schmal-
seiten sind breile Borten aus reichem verschlungenen
Bandornament mit Rosetten und Blüten.

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts etwa reicht
die Glanzperiode der Spitzenfabrikation Jtaliens, vom
18. Jahrhundert ab treten Belgien und Frankreich in
den Bordergrund. Der Stil Louis XIV. ist deutlich
ausgeprägt in den dichten Klöppelarbeiten aus Valen-
ciennes und Malines (Mecheln); erstere glatt.die letztereu
mit dem Faden um den Kontur. Hierher gehöreu die
Haubendeckel mit großen palmettenförinigen stilisirten
Sträußen, Barben mit ovalen Feldern, in welchen halb-
naturalistische Blumen. Von ihnen besitzt das Ber-
liner Museum zahlreiche gute Stücke. Die Spitzen
dieser Zeit versucht man heute überall nachzuahmen,
leider mit wenig Erfolg. Man verfällt dabei in
Naturalismns, sucht durch Schattirungen Effekte her-
vorzubringen und entfernt sich so immer mehr von dem
eigentlichen Charakter der Spitze.

Von den points ä'XiAsntan und ä'^lsnyon ans
der Mitte und dem Ende des 18. Jahrhunderts, jenen
Spitzcn mit dem wabenähnlichen genähten und ge-
klöppeltcn Grunde und den zierlichen Rosetten zwischen
den Streublumeii, sind wenige, aber gute Beispiele vor-
handen. Die verschiedenen Sorten der Brüsieler und
Brabanter Spitze sind wiedcr in Menge vertreten,
ebensv die deutschen, italienischen und griechischen Gold-
und Silberspitzen.

Es würde zu wcit sühren, alle die verschiedenen
Arten der modernen Spitzen aus England, Rußland,
Norwcgen, Griechcnland und Deutschland cinzeln zu
besprechen: ihre Erwähnnng genügt, um zu zeigen, daß
l die Bcrliner Tammlung die geschichtliche wic die tech-
 
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