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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0180

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Korrespondenz aus Frankfurt a. M.

geweihten twrsätzlich zu cntziehen scheint, vorläufig un-
berührt. Man sei versichert, daß wir in nichts der
hier oft vcrnommcncn Äußernng in dcn Weg tretcn,
welche von dcr gcheimcn Schvpfnng — ganz cminen-
ter Kunstwerke natürlich, in der beschaulichen Stille
der Atclicrs, Wnnders viel erzählt. Wir sind optimi-
siisch gcnug angelegt, nm nnr ganz Vorzügliches zn
präsumiren. Allein schon die Erwägung, daß unsere
Frankfurter Maler doch nicht gerade das Minder-
wertige, Schlechte dcn nengierigen Blicken des Publi-
knms exponiren dürstcn, macht uns ein wenig znr
Skepsis geneigt. Odcr sollten wir uns täuschen? Am
Ende wäre es etwa welterhabener Stolz der Künstler,
daß sie dem proknnnni vulgrm ihr Bestes vorenthalten,
dieses zwingen, gerade ihre Meisterwerke nnr aus
Hörensagcn hin zu verehren? Wer wollte es ihnen
schließlich auch verdenken, wenn sie den schlechtcn Ge-
schmack dcr großen Masse für den delikaten ästhetischen
Genuß ihrer Schöpsungen verachteten? Mag sein, wir
verstehen diese Vvrnehme Rescrve nicht recht, — ganz
abgesehen davvn, daß unscr Glaube an so mysterivse
Wunderthätigkeit nicht besondcrs svlid fundirt ist. Uns
scheinen nun einmal die in den Ansstellungen des
Kunstvereins empfangenen Eindrücke sür unser Urteil
maßgebend, und dies vorurteilslos und von aller
Koterie unabhängig Empfnndcne teilcn wir den Lcsern
freimütig mit.

Bon fremden hier ausstellenden KUnstlerii ist der
Münchener Joseph Wenglein ein ziemlich häufiger
Gast. Die wunderbare Feinheit, mit der er Luft und
Licht behandelt, die liebcvolle Sorgfalt in Zeichnung
und Mvdellirung, die erstaunliche perspektivische Kunst

— wcnige komineu ihm darin gleich. Selbst auf eincin
flüchtig gemalten Bilde, wie es das „Jsarbett bei Baier-
brunu" ist, gewahren wir uoch etwas von jenem poeti-
schen Fluidnm, das Wengleins Herbstlandschasten zu
durchrinnen Pflegt; und das ist es, was keine Kunst
der iiachahmenden Stimniungsmaler erreicht. llnd
Nachahmer — ob bewußte oder unbewußte, wir lasien

, es dahingestellt — hat Weuglein auch hier. Aber wie
schwach sind meist diese Versuche! Der eine glaubt die
lichtzerstrcuende Wirkung durch Laubwerk schimmernder
Strahlen, das glitzcrnde Spiel feuchter Blättchen im
Sonnenschein dnrch helle Fleckchen mit mehr oder
weniger verwischten Rändern zu erreichen; der andere
bietet statt der harmonischen Stimmung herbstlicher
Farbenpracht den störenden Anblick bunter, dem Auge
schnierzlicher Kontraste. Da sind irus die Bilder des
Frankfurters Peter Burnitz deiin doch sympathischer.
Eine bestimmt gewollte Wirkung ist meist glücklich er-
reicht. Sind die Landschaften auch manchmal schwer
getönt, nüchtern aufgefaßt — rcchte Werkeltagsstimmung,

— sv sind sic darum nicht wcnigcr wahr empfunden,

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und das ist mehr wert als jene aufdringlich plumpe
Koketterie mit fremder Manier.

Vaclav Broziks „Balladensängcr" erregte auch
hier allgcmeine Aufmcrksamkeit. Dcr leichtverständ-
liche Vorgang ani Hofe irgend eines mittelalterlichen
Fürsten befriedigte in hohem Grade das naive Stoff-
interesie des großen Publiknnis. Hatte man doch
lange nicht eine so zahlreiche Versammlung schön kostü-
mirtcr Herren und Damen gesehen. Wir zollen der
Knnst der Kompositioii, dcr miss sn «eöne, dcr großen
koloristischen Kraft, der tcchnischen Birtuosität des
böhmischen Kiinstlers unseren Beifall, wiinschtcn jcdoch
dem Bilde weniger Wirkung durch die Masienhaftig-
keit des dargestellten Personals, weniger Gepränge mit
Stoff- nnd Flitterwerk und ctwas mehr Pvesie.

An roinantischen Tradilionen hält der hier scit
langeni thLtige Leopold Bode sest. Mit Vorliebe
entlehnt er dem Kreise mittelalterlicher Sagen (vom
Kaiser Karl, Lvhengrin u. dgl.) die Vorwiirfe zu seinen
oft cyklischen, meist aguarellirtcn Bildcrn, vbcr aber
er überläßt sich dem Zaubcr jener idealen Tranmwelt,
von der romantische Dichter uns erzählen (z. B. Bren-
tano, Fouguö). Es gelingt dcm sleißigen Künstler
auch mit seiner weichlichen, überall glättend vcr-
treibendcn, die Tinten zart dämpfciiden Weise, in em-
pfänglichen Gemütern die Jllusion einer dcr Realitat
entrücktcn, wie verklärten Phantasiewelt hcrvvrzurufcn.
Wir zweiseln keineswegs, daß der zartcrcr Rcgungen
bedürstige Tcil des Publiknms angesichts dieser ivnnder-
lieblichen Traumgebilde sich höchst angenehm beriihrt
finden wird. Bode's neuester Cyklns stellt in Öl
Allegoricn der „Vier Jahreszeiten" dar. Die holbe
Gestalt eincs Mädchens mit selitimentalem Ansdruck
am muiiter sprndelnden Quell (Frühling), ein selig-
keitatmendes Liebespaar am See (Sommer), eine glück-
liche Mutter mit ihrem Buben auf dcm Arm, dem der
ältere Bruder vom uahen Baum einen Apfel reicht
(Herbst), cin Grvßpapa cndlich, dcr in altchrwürdigeiu
Lehnstuhl dem Geigenspiel dcs Enkels lanscht (Wintcr)
— alle diese Gestalten im Rahnien romaulischer Land-
schaft vder altertümlicher Behansnng lasien uns ziem-
lich kalt. Jmmerhiii sind wir dem Künstler, welchcr
bestrebt ist, den kindlich naiven Glauben an die volks-
tümlichen Ideale lieblicher Märchen- und Sagenpoesie
wachzuerhalten, zu Danke vcrpflichtet. Jn unserer Zeit
konveiitionellcr Kulturlüge nnd naturalistischer Ver-
worrenheit, korrekter Langweiligkeit und impressionisti-
scher Schauerlichkeit vermöchte doch wohl hier und da
ein lebenswarmer Strahl roniantischer Sonne die frostige
Temperatur der Tage nni ein weniges zu lindern.
Freilich ein echter Künstler muß es sein, cin Künstler
wie Ludwig Richter es war, nur dann vermag solch
eine Regcnerationökur anzuschlagen; ein Künstlcr, der
 
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