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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Chytil, Karel: Das Rudolphinum in Prag
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0186

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Das Rudolphinum in Prag.

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Sciten des luftigen Kreissegments wcrden von massi-
vcn Flügcln flankirt, welche im Hanptgeschosse durch
ionische Pilaster belebt sind; in dieser einfach edlen
Wcise ist anch dic der Stadt zugekehrte Seite gehalten,
welche nur in dem vorderen Teile dnrch 'einen zum
Konzertsaal führenden Portikns stärkcr geglicdcrt wird.
Prächtig präsentirt sich die dem Kai zngckchrtc Scitcn-
fassade niit der lnstigcn Galerie des vorderen, dem
Portale und der elcganten Bogenstcllung des rück-
Ivärtigcn Teiles. Das Hauptgesinise des vorderen
Tciles erhielt auch einen der Bestiminung entsprechen-
den Schiuuck durch Statuen hervorragender Künstler,
Mnsiker und Komponisten; die gelungenen Arbciten
rühren aus verschiedenen Wicner, Prager, Berlincr und
Münchencr Ateliers her.

Das Jnnere des Baues ist zunieist luxurivs
dekorirt, vorzugsweise crschciut der Konzcrtsaal mit dem
Orgelgehäuse im Hintcrgrunde, den mächtigen Säulen
der Galerie, der niit inalerischeni und plastischem
Schinucke reichlich vcrsehenen Brüstiingsniaucr dcr Logen
und Tribüncn, ebensv Prächtig wie geschmackvoll aus-
gestattet. Der Kunsthof ist ein einfacher, guadratischer,
niit Oberlicht versehener Ranni, welcher gewissermaßen
das Atrium des ganzen Hauses bildet, und zur Auf-
stcllung von Schvpfungen der Plastik, namentlich einer
Saininlung von Gipsabgüssen bestiinmt ist; zur Zeit
ist sonst auch seine Ausschniückung noch ganz einfach,
und bloß auf die geschmackvollen Grotesken, welche, wic
überhaupt die dekorativen Malereien des Baues, von
Pietro J sella ansgcführt sind, beschränkt, während die
weiten Wandflächen noch der Wandgemälde, auf die
sie berechnet sind, harren. Zwischen dei» Kunsthofe
und dem Konzertsaale besinden sich die Lokalitäten deS
Konservatoriums, neben und hintcr densclben die Amts-
lokalc des patriotischen Kunstvereins und der geräumige,
sür das Kunstgcwerbemuseum provisorisch bestiinmte
Saal, in welchcm zur Zeit der Ervffnung cinc kleine,
jedoch interessante AuSstellung veranstaltet wurdc. Nebst
den Sainmlungeii, welche als Eigenliim der Prager
Handelskanimer den Kernstock des projcktirten Kunst-
gewerbemnsenms bildcn sollen, und den vom vstcrrcichi-
schen Museum geliehenen Objekten, wurden hier die
kunstvollcn Erzeugnisse dcr bestreiiominirten Goldschmiede
und Juweliere Prags cxponirt. Eine marmorneDoppel-
treppe sührt zu den Nänmen dcs oberen Stockwerkes,
und zwar zuerst in einen Vorsaal, in welchem einige
interessante Büsten aufgestellt sind. Zur rechten Hand
besindcn sich dic Säle und die Kabinctte, in welchcn
die Bildergalerie des Kunstvereins zur Aufstellung ge-
kommcn ist. Jn den durch Obcrlicht beleuchteten
Sälen und den kleinen Räumen, welche ein günstiges
Seitenlicht empsangen, kommen die Mcisterwerke dcr
Malerei erst recht zur Geltung, und die Gemälde-

sammlung, welche sonst in der ungünstigcn Ausstellung
cinen recht bescheidenen Eindruck machte, ist nun uu
stande selbst dem Laien Jntcresse und Achtung abzn-
gewinnen. Allerdings Ivurde dic Zahl dcr Kunst-
wcrke vermehrt, durch einige Gemälde, welche srühcr
ivcgcn Mangcl an Ranm im Depüt verborgen lagen,
sodann auch durch einige, welche leihweise der Sainm-
lung einvcrleibt wurdc». Die mnstergültigc Anord-
nung, wclche svwohl künstlerischcn als auch wisseu-
schaftlichen Anforderungen gerccht zu werdcn wußte,
wurde durch die ordnendc Kunst des vcrdicnstvollen
GalerieinspcktorsHcrrn Prof. Biktor Barvitius besorgt,
wobci auch der bekanntc Kiinstsrcnnd Herr Nittcr vou
Lanna und derGesckiäslslciter dcs Knnstvereins Herr I)r.
Neuniann mit Rat und That bchilflich warcn. Der
erste Saal birgt die altböhmische, dcutsche nnd niedcr-
ländische Malerschule, nnter andcrcn einige Perlen
dcr Sammlung, wie z. B. die Votivtafel dcs Erz-
bischoss Ocko, das herrlichc Dombild mit dem von
Jan Gossaert hcrriihrcnden Mittelstncke, nnd die bciden
gran iugran gcmaltenAttarflügel vonH.Hvlbeind.ä.,
in eineni anstoßenden Kabinet ist Dllrers Rosenkranz-
scst nusgestellt, welchcs, alö Eigcnlnm des Stistes
Strahov, nur auf eiiiige Monate der Galerie geliehen
wurdc. Jm zweiten Saale sindcn wir weiterc
Schöpfungen der italienischen, flandrischcn und hollandi-
sckien Sckiule; in dcn kleincrcn anliegcnden Räumen und
Kabinetten besinden sich die Gemäldc der svgcnannten
Hoserschen Sammlung, durch welche so zu sagen der
Grundslein zu dcr ganzen Galerie gelcgt Ivurde, nament-
lich die Schöpfungen dcr holländischen Kleiumcistcr, dcr
Prager und Wiener Genre- nnd Landschaftsnialcr des
18. Jahrhnndcrts, unter denen der liebenslvürdige,
anßcrhalb Prags wenig gekannte Prager Kleinmeister
Norbcrt Grund mit seincn zahlrcichen Schvpsungcn
cin ganzcs Kabinct einninimt. Ein an den zweiten großen
Saal anstoßendcs Zinimer enthält vorzugSwcisc einige
sranzösische Akalcr, während in dem nächstsolgeiidcn
Raume die Kartons nnd Zeichnungcn von Führich,
Genclli, Jar. Czermük und I. Manes untergebracht
sind. Jn dcm prachtvollen und geräumigen Kaiscr-
saale besinden sich sodann Gemäldc moderner, melsten-
teils cinheiniischer Meister. Aus dcn Räumcn dcr
Galerie gelangt man mittels cincr Wendeltrcppe ins
obere Geschoß zn dem aus zwei Abteilungen bestehen-
dcn Kupserstichkabincltc; die eine Abteilnng cnthält eine
chronologisch geordnete Sanimlung, welche dasKUnstler-
haus Lcr Großmnt des H. Ritter von Lanna ver-
dankt, die zweite Abteilnng bilden die Produkte des
böhmischcn Landsmannes Wcnzel Hollar, welche nnter
dem Namcn Hollareum eine ziemlich vollständige Kollek-
tion abgcben. Den Räumlichkciten der Galerie cnt-
sprechend, befinden sich links von dem Vorsaal die
 
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