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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Rosenberg, Adolf: Die Konkurrenz um das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0220

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Die Konkurrenz u,n das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig.

tektur mit Tempclgiebel erhaltcn Zu der Dürstigkeit
gesellt sich also auch uoch die Monvtvnie. Geradezu
häßlich ist der guadratische Oberbau über der durch
beide Geschosse hindurchgesührten Wartehalle. Trotz der
übermäßig hohen und schmalen Fenster, welche den-
selben öffnen, lastet er so schwer auf dem ganzen Bau-
körper, daß das gerade Gegenteil der Wirkung, die
man sich 0on cincni solchcn emporstrebendcn Anfbau
verspricht, erzielt wvrden ist. Daß dieser Entwurf in
dcr Außcnarchitcktur hinter dcm mit einem drittenPreise
gekröntcn Entwurfe vvn Giese und Weidner weit
zuriickbleibt, kann keinem Zweifel nnterwvrsen sein.
Letzterer hat aber anch im Grundriß einige Vorzüge
vor jenem vorans, sv vor allem den einer glücklicheren
Ausbildung der Mittelachse, die dadurch gewonncn ist,
daß der große Sitznngssaal im obcren Stockwerk der
Riickseite angeordnet ward, alsv alle ciner monnmentalen
Gcstaltung fähigcn Näume, Vvrhalle, Vcstibiil, Warte-
halle, Haupltreppe nnd Sitzungssaal in einer dem
Mittelkörper solgendcii Flucht liegcn. Aber wir wolten
nns auf solche rein technischen Fragen, die jetzt ohnehin
nnr noch eincn akademischen Wert haben kann, nicht
weiler cinlasien. Die äußere Gestaltiing deSProjektes von
Giese nnd Weidner ist, was die viereckigcn Ausbauten
über der Mitte und den vier Ecken betrifft, im cngen
Anschluß an das Wallotsche Neichstagsgebäude ent-
standen, ohne daß jedoch in dcn Details Entlehnnngen
nachzuweisen wären. Jn der reichen AuSbildung des
mittlercn Aufbaues ist sogar eine gewisie Originalität
nicht zu verkennen. Beide Stockwerke sind wirksam
durch eine Säulenstellung zusammengefaßt, ein Motiv,
welches selten den Eindruck der Monnmentalität ver-
fehlt. Eisenlvhr und Weigle sind diejenigen nnter
den Verfassern der preisgekrönten Entwürfe, welche
den größten Reichtum an Phantasie und zugleich eine
vollendete Formenschönheit entfaltet haben. Obwohl
sie sich init einem ganz flachen Kuppeldache mit Galerie
begnügt haben, sind sie doch zu hoher nialerischer
Wirkung gelangt, was sie zum Teil durch die stark vor-
springenden Flügelbauten nnd durch die von dem Geist
edelsten Griechentums erfüllte, von Säulen getragene
Vorhallc erreicht haben. Daß auch ihr Entwurf nichts
sür einen Justizpalast Charakteristisches enthält, wollen
wir ihnen nicht besonders anrechnen, da, wie bereits
hervorgehoben, keines der Projekte die Bestimmung des
Banes mit überzeugender Deutlichkeit zum Ausvruck
briugt. Den zweiten der beiden dritten Preise, den Ent-
wnrs von Bischer und Fneter, haben wirschon kurz
charakterisirt.

Unter der großen Zahl der übrigen Projekte, so-
weit sie sich in den Grenzen der Ausführbarkeit be-
wegen, stehen diejenigen von Giescnberg in Berlin
und von Schmicden, v. Weltzicn und Speer oben-

an. Der Giesenbergsche feffelt zunächsl durch die
Originalität der Ersindung, welche jedeni Gemeinplatz
aus dcm Wege geht, ohne sich in das Bizarre zu ver-
lieren. Ter Künstler hat vor der Hauptfront eine
oonr ck'üonnsnr angelegt, welche durch eine in flacheni
Bogen hervortretende Säulenhalle abgeschlossen wird.
Die Mitte der Anlage ist Lurch ein Kuppeldach von
mäßigcr Erhebung gekrönt, und der Sockel wächst
schräg ans deni Erdboden heraus, dadurch die Monu-
mentalität der äußeren Erscheinung verstärkend. Daß
sich größter Reichtum der Phantasie mit ruhiger Vor-
nehmheit paaren kann, beweist der zweite der zuletzt
genannten Entwürse, welcher sich in dem Formenkreise
der Schlllterschen Palastarchitektur bewegt. Über einem
Rustikaerdgeschoß erhebt sich das obere, durch Halb-
säulen gegliederte, mit einem Medaillonfriese geschmückte
Stockwerk, wclchem eine mit Figurcn besetzle Balu-
strade zum Abschluß dient. Die krönende Kuppel wird
von einer sreien Säulenstellung getragen und ist noch
von einer luftigen Laterne llberhöht. Der Mittelbau
der Hauptfront ist durch ein Giebeldreieck mit einer
Attika darüber ausgezeichnet, wclche auf den Ecken
plastische Gruppen trägt. An der Hintersront springen
die Flügel so weit hervor, daß zwischen ihnen ein
Raiim für Gartenanlagen gewonnen ist, wodurch also
auch die Rückseile im Hinblick auf die in der Um-
gegend dcs künftigen Reichsgerichts projektirten Ge-
bäude (Kunstakademie, Konservatorium u. s. w.) eine
gefällige Ausbildung erhalten hat. Wenn man von der
praktischen Ausführbarkeit nach Maßgabe der zu Ge-
bote stehenden Mittel absieht, verdient auch der geniale
und phantasievolle Entwurf von Bruno Schmitz,
einem der Sieger in der Konkurrenz um das Biktor-
Einanuel-Denknial, eine ehrenvolle Erwähnung an
erster Stelle. Ein Erzeugnis hoher Genialität ist endlick
der Entwnrf von Friedrich Thiersch, der sich leider
nnr in der Konzeption insosern vcrgriffcn hat, als er
seiner Schöpsung beinahe die äußere Erscheinung eines
Theaters gegeben. Mit desto größerem Glück sind die
inneren Näume behandelt und künstlerisch zur An-
schauung gebracht. Man kann sich eines tiefen Be-
dauerns nicht erwchren, wenn man diese mit unbe-
schreiblichem Fleiße in Aguarell durchgeführten Blätter
betrachtet und sich sagen muß, daß der Liebe Müh'
umsonst gewesen ist, daß dieser enorme Auswand von
Fleiß, Arbcitskrast und Geld zu keinem Resnltate ge-
führt hat. Angesichts solcher Arbeilen mnß doch ernst-
lich an die schon ost angeregte Gründnng eines Archi-
tektnrmnseums gedacht werden, wenn man anders an
dem unseligen System der unbeschränkten Kvnkurrenzen
festhalten und doch nicht zulaffen will, daß die bestcn
künstlerischen Kräfte der Nationen in nutzlosen Versuchen
und Wagniffen verzettelt werden. Adolf gioftnbcrg.
 
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