Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

DOI Artikel:
Frizzoni, Gustavo: Kunstneuigkeiten aus Italien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0226

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
439

Kunstneuigkeiten aus Jtalien.

44«»

bekcmnten Florentiner Firma sind neulich in Mailand
wichtige Ergänzungen der seit mehreren Jahren bc-
gonnenen Ausnahmen vorgenommen worden. So kann
man jetzt das Madonnenbild von Giov. Bellini von
1510 in der Brera in seiner feinen Wiederherstellung
genießen. Das historisch bedeutende große Tafelbild der
heil. Jungfrau mit Heiligen und den Stiftern Lodo-
vico und Beatrice Sforza mit ihren Kindern, welches
so sehr das Gepräge eines loinbardischen Schülers des
Leonardo trägt und wohl dem Bernardino de' Conti,
wie Lermolieff vermutet, angehört, sälschlich aber dem
Zenale zugeschrieben wird, kann man in der Photogra-
phie, Dank den kalten, grauen Tönen, ebenfakls recht gut
studiren. Desglcicheu das kleine köstliche Gemälde von
cinem anderen, nurdnrch ein bezeichnetes Bild im Privat-
besitz bekannten Schüler Leonardo's, Francesco Napo-
letano, eine Muttcrgottes mit dem säugenden Kinde
darstellcnd, welches seit wenigen Jahren dnrch Tausch
mit der Venetianer Sammlung in die Galerie gelangt
ist. Die Mailänder Galcrie lieferte nämlich dasür der
ebenbürtigen venezianischen ein tüchtiges Zweiheiligen-
bild von Carlo Crivelli, da der doch stets als Bene-
zianer sich bezeichnende Maler durch kein einziges Werk
in der Lagunenstadt vertreten war.

Brogi hat außerdem bereits eine bedeutende Zahl
von Aufnahmen nach den Fresken in der Kirche des
Monastero Maggiore gemacht. Ferner hat er in der
Ambrosiana nicht nur einen wichtigen Teil der aus-
gestellten Handzeichnungen aufgenommen, darunter
mehrere echte und bewunderungswürdige Karikaturen
Leonardo's, sondern auch die wichtigsten Bilder, wie
das charakteristische Werk Bramantino's, die Anbetung
der Hirlen, die reizende heiligx Familie, die nach alter
Angabe dem Giorgione zugeschrieben wurde, heutzu-
tage unumstößlich als Bonifazio Veronese anerkannl
ist, eine Kreuztragung Vvn Cariani, die berühmten
dem Leonardo zugeschriebenen Bildnisse u. s. w. —
Zum erstenmal sind sodann durch Brogi die im
Museo artistico municipale aufbewahrten Gemälde
publizirt worden. Es befinden sich darunter bekannt-
lich einige ganz vorzügliche Kuiistwerke, welche aus
Privatsammlungen stainnien. Wir brauchen nur au
die liebliche, jugendliche Madonna mit dem Christus-
kind und dem kleinen Johannes, auf heitereni, lustigen
Landschaftsgrunde, zu erinnern, die seit wenigen Äahren,
auf Veranlassung des Schreibers dieser Zeilen, als ein
Jugendwerk Correggio's anerkannt worden ist. Des-
gleichen an die kostbaren Bildnisse vvn Antonello da
Messina, Lorenzo Lotto und Moroni, sowie an cin
ebenfalls ganz echtes kleines Tafelbild von dem seltenen
lombardischen Altmeister Bincenzo Foppa. Eine heil.
Mcigdalena von Giovanni Pietrini gehört zum An-
mutigsten, was dieser Mailändische, als Schüler oder

"Nachfolger Leonardo's bekannte Maler hervorgebracht.
Den Einfluß des großen toskanischen Meisters bemerkt
man auch in einer Folge aus dem ehemaligen Kloster
von Sant Antonio ins Museum übertragener Freskeu,
welche man bei deren Entdeckung unter der Tünche,
vor etwa drei Jahren, dem Cesare da Sesto zuge-
schrieben hatte, die für ihn aber doch etwas Befremden-
des haben und noch aus eine überzeugende Bestimmung
warten. Obwohl essich eigentlich nur um klägliche Frag-
mente handelt, da in früheren Zeiten durch Öffnungen
I von Thüren und anderen Znthaten die Mauerfläche
! des stattlichen ursprünglichen Raumes an mehreren
! Stellen durchbrochen worden war, sind es immerhin
beachtenswerte Überreste, sowohl hinsichtlich der groß-
artigen Dekoration in den grau in grau gemalten
Pilastern und Gesimsen mit feinem Rankenwerk, welche
mehrere medaillenartige Bildnisse in antiker Form nach
hergebrachtem Bramantesken Geschmacke einschließen.als
auch in dem figürlichen Teile, welcher aus mystisch-
shmbolische Gegenstände hinzuweisen scheint und uns
wiederholt die Erscheinung Christi in Beziehung zu
verschiedenen Engelscharen bringt. Jn der Abteiluug
der ausgestellten Handzeichnungen befindet sich zwar nicht
viel Bedeutendes, allein von hoher Anmut der Fvrm
ist ein in Rotstift ausgesührter Frauenkopf, in dem
wir den geistig feinen Typus eines vorzüglichen Nach-
folgers des Leonardo gewahren und der, da er voll-
kommen in Zügen und Stellung dem der merkwürdi-
gen Leda von Sodoma im ersten Saale der Galerie
Borghese in Rom entspricht, wohl als eine Vorarbeit
! dazu von dem genannten Meister zu betrachten ist.

Der Katalog dieser neuen Aufnahmen, sowie
anderer neuer in Rom ausgeführter Arbeiten, soll
nächstens gedruckt werden, als zweiter Anhang zu dem
srüher herausgegebenen.

Jn Florenz sind in ueuerer Zeit auch wieder
interestante Entdeckungen gemacht worden. Daß bei
der bereits vorgerückten Restauration von Santa Triuitü
manches bedeutende Werk der Plastik und der Bkalerci
zum Vorschein kominen werde, konnte nichts Befremden-
des haben, da ja bekannt ist, daß eiue Anzahl hervor-
ragender Künstler des 14. und des 15. JahrhundcrtS
dort gewirkt haben und das meiste von ihren
Schöpfungen seitdem verschwunden ist. Von beson-
derer Wichtigkeit ist nun die seit wenigen Wochen vor-
genommene Aufdeckung der Fresken in der Cappella
Bartolini daselbst, welche der Camaldulenser Don
Lorenzo Monaco wohl in den ersten Jahrzehnten des
15. Jahrhunderts samt dem noch vorhandenen Altar-
blatt der Berkündigung aussührte. Jn eiuer bereits
von der Tünche besreiten oberen Abteilung ist aus

1) Eben rvird durch Brogi auch eine reiche Auswahl der
Handzeichnimgeir in den Utfizien veröffentlicht.
 
Annotationen