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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Die Führich-Ausstellung in Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0274

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Die Führich AuSstellung in Frnnkfurt,

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einer Lebensphase, in der den meisten der Born phan-
tasievoller Schöpfung versiegt, die grcise Hand, dem
Willen untren, nur schwerfällig den Stift noch lenkt,
da ist es, als ob er sich anf sich selber besänne, indem
er die Jdeale seiner Werdezeit geläutert wieder auf-
grcift, nm sie in ungebrochener Kraft, mit liebevollster
Huigabe in lieblichen Gebilden zu verwirklichen. Für
das Große landschastlicher Gruppirung und Entfaltung
nicht minder empfänglich wie für die intimen Reize
ihrer Einzelerscheinungen in Wald und in Flnr, wußte
er mit wunderbar klarer, sicherer Zeichnung seine Ge-
stalten in stimmungsvolle llmgebung zu versetzen. Er
hatte ein scharfes Auge fiir das Genrehafte, erlauschte
feinsühlig die kleinen Rcize des alltäglichen Lebens, und
cr, der Jdealist, wußte das Geschaute mit realistischer
Wahrheit poesiegetränkt wiederzugeben. Mit gleicher
Licbe erfaßte er das harmlose Treiben der Tierwelt
und brachte es gern in sinnige Beziehung zu dem
Gegenstande seiner Schilderung.

Führich war sich seines Zieles wohl bewußt, kon-
seguent und nicht fanatisch, nicht leidenschaftlich im
Ausdrnck seiner Empfindung. Er blickt in die Welt
teilnahmvoll, versöhnlich, umfaßt sie mit christlicher
Liebe. Entrollt er das tragische Schauspiel des jüng-
sten Gerichtes, so zeigt er nicht den unerbittlichen
Weltenrichter Michelangelo's, gegen den die Berdamm-
ten titanisch sich auflehnen: sein richtender Christus
streckt die Rechte — gleichzeichtig mit der fluchenden
Erhebung der linken Hand — versöhnlich, rettungver-
heißend dem Sünder entgegen. Weiß er auch den
Sturm entseffelter Leidenschaft, die tiefste Erregung des
Gemütes nicht mit der überzeugenden Wahrheit eines
Cvrnelius zu ergreifendem Ausdruck zu bringen, so ge-
lingt ihm doch wohl die Darstellung realistisch beweg-
ter Momente, die Enthüllung psychischcr Vorgänge.
Das dämonisch Gewaltsame aber, das energisch Er-
schlltternde ist ihm seiner ganzen Anlage nach fremd —
wie das sentimental Verschwommene krankhasterNaturen,
das mystisch Grübclnde willenSschwachcr Entsagung.

Hchre Lauterkeit und Tiefe der Empsindung, Adel
der Gesinnnng nnd Adel der Darstcllung, das sind
Eigenschaften, die ihn in Wnhrheit auf den Platz stellcn,
den er dem Künstler einst anwies, als er schricb, dcr
Künstler dürfe sich unter die Lehrer der Menschheit
stellen, „indcm er ihr den großen Begriff einer höheren
Schönheit und Güte darstellt nnd sie erinnert an die
Verwandtschaft mit einer anderen Welt und Gott".
Das ist eine subjekliv berechtigte Auffaffung, ans der
die Jndividualitat des Meisters klar herausspricht; er
blieb sich selbst treu, als Mensch unv als KUnstler.

Jn unserer lürzen Übersicht über die ausgestellten
Werke Führichs (ver Katalog mit drei Nachträgen zäblt
309 Nummcrn) wollen wir unS begnügen mit der Er-

wähnung der charakteristischeren Originale. Jugend-
arbeiten von 1813 an hatte das nordböhmische Museum
gesandt. Es sind realistisch gehaltene Kompositions-
versuche aber noch unsrei an Vorbilder sich anlehnend:
so erinnern Engelgruppen, namentlich aber weibliche
Kvpse beinahe an Bonchersche Manier, die Anbetung
der Hirten (Rötelzeichnung 1813) erscheint wie eine
Kopie nach Paolo Veronese. Gern strebtFührich, in seinen
Aquarellen zum Beispiel, nach dem koloristischen Reiz
mannigfacher Lichteffekte („Anbetung der Hirten" vom
Jahr 1816, namenllich St. Wenzeslaus in Altbunzlau
vor seiner Ermordung 1816), und bereits tritt Füh-
richs feiner Sinn für stiinmungsvolle landschaftliche
Umgebung hervor. Jntereffant sind aus dem Beginne
der zwanziger Jahre bie beiden Scenen aus der böh-
mischen Geschichte, welche der junge Maler für den
Prager Kunstverein entwarf und lithographirte; sie
zeugen von derbrealistischer Auffaffung. Entscheidend
fiir seine Entwickelung wurde Dllrer, den er 1821 aus
dem „Marienleben" kennen lernte. Die Früchte dieser
Studien gewahren wir in den Zeichnungen, welche
Herr Rechtsanwalt Steinfeld in Höchst a/M. gesendet
hatte; sie weisen gleichzeitig aus ein andercs Bildungs-
element hin, das Führich in sich ausnahm und seiner
Jndividualität anpaßte. Wir meinen Cornelius, deffen
„Faustzeichnungen" auf ihn mächtig wirkten. Jn den
dramatisch bewegten Kompositionen zu Bürgers „Wil-
dem Jäger" (radirt von Gareis 1827) und in den
sünfzehn Bleistiftzeichnungen zu Tiecks „Genoveva"
(uns liegen die Pausen zu den radirten Blättcrn vor)
zeigt sich der Corneliussche Einfluß deutlich.

Führichs Mitarbeit in der Villa Maffimi zu Rom
veranschaulichte außer einigen gezeichneten Blättern der
Karton zu einem Fresco des Taffozimmers (1829).
Der Kartvn stellt die Scene dar, wo Armida auf
Rinaldo, der sich von ihr wendet, schießt, und lehrt
den Einfluß Overbecks aus den Künstler erkennen. Aus
der Menge von Werken, die der in seiner Entwickelung
herangereifte Führich bis zu den Fresken der Altlerchen-
felderKirche in Wien schuf, waren verhältnismäßig wenige
im Original vertreten. Wir bescheiden uns daher mit
dem Hinweis auf die lebendig konzipirte „Makkabäer-
schlacht", auf die getuschte Skizze „Macbeths", dem
die Hexen Banko's Nachkommenschast zeigen, und die
Kartons zu Glasgemälden, von denen der für St. Epore
in Nancy, welcher die heilige Elisabeth, Rosen im
Schoße bergend, darstellt, hervorgehoben zu werden
verdient. Die großen Werke Führichs fllr die malerische
AusschmUckung der Altlerchenfelder Kirche (1854—60)
waren durch Zeichnungen und Kartons vorgeführt. Eine
Farbenskizze auf Goldgrund gab die Gesamtanschauung
des mächtigen Apsisbildes llber dem Hochaltar (Dar-
stellung Ler Dreieinigkeit unter allen Heiligen); kleinere
 
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