Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

DOI article:
Das städtische Museum in Newyork
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0306

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
599

Das städtische Museum in Newyork.

600

rechtigt, und man muß sich auch sehr wohl hüten, seine
Klagen an den Maßstab unserer vergleichsweise klein-
lichen Verhältmsse zu legen. Wenn man es sich
beispielsweise vergegenwärtigt, aus wie knappen pe-
kuniären Berhältnissen und iu wie mühevollem Ringcn
das ebenfalls aus privater Jnitiative hervorgegangene
BerliuerKunstgewerbemuseum sich emporarbeiten mußte,
wie dies einzig und allein durch stetig wachsende Sub-
ventionen des Staates mvglich war, in dessen vollen
Besitz es jetzt endlich übergegangen ist, nachdem seine
Mitgliederzahl, welche — bei 18 Mark Jahres-
beitrag — im Jahre 1874 mit 146 ihren Höhepunkt
erreicht hatte, sich immer mehr verflüchtigte (wobei
335 Mitglieder mit einer einmaligen Zahlung von
300 Mark nicht eingerechnet sind), so ist dies bei
einem Vergleich mit den Zahlen des Newyorker Be-
richtes wahrhaft beschämend sür die hiesigen wohl-
situirten und sogenannten gebildeten Kreise, welche doch
gelegentlich auf die amerikanischen Parvenüs etwas
vornehm herabzusehen Pflegen. Die dortige Mitglieder-
liste weist die Zahl von 250 Patronen auf, welche
mindestens je 1000 Dollars zum Fonds des Museums
gezahlt haben müssen, serner 152 immerwährende Mit-
glieder mit einem Beitrage von 500 Dollars, 139
lebenslängliche Mitglieder mit einem solchen von
200 Dollars, und 1247 Mitglieder mit 10 Dollars
jährlichem Beitrag. Ebenso wie mit der Anzahl und
den Beiträgen der Mitglieder verhält es sich mit den
Zuwendungen, von denen der diesjährige Bericht eine
im Werte von etwa 20000 Dollars zu verzeichnen
hat — das Geschenk eines der Vorstandsmitglieder —,
besteheud in den von Elkington in Lvndon hergestellten
galvanischen Nachbildungen von Arbeiten in Edelmetall
aus dem Besitze des russischeu Hofes und russischer
Kirchen, eine sehr wichtige Sammlnng, welche noch
keiues unserer deutschen Museen bisher zu erwerben
die Mittel gefunden hat. Des dem Museum zuge-
slosienen bedeutenden Legats ist bereits oben gedacht
worden. Einer so großartigen Bethätigung des
Gemeinsinnes gegenüber treten denn doch die unange-
nehmen Auswüchse, von denen die dortige Geldaristo-
kratie so wenig wie irgeud eine andere srei ist, sehr be-
deutend in den Hintergrund. Jn einem bemerkenswerten
und äußerst grellcn Gegensatz zu den großen Gesichts-
punkten, von denen die Ervrterungen des Berichts ini
allgemeinen ausgehen, steht die Kleinlichkeit und das
völlige Verkennen der eigentlichen Zwecke des Jnstituts,
womit verschiedentlich die Einnahmeausfälle sowie die
Höhe der laufenden Unkosten besprochen werden, welche
das Jnstitut durch die Verpflichtung erleidet, die Samm-
lungen an bestimmten Tagen unentgeltlich geöffnet zu
halten; es wird dies geradezu als eine enorme Miets-
zahlung für die Benutzung des Gebäudes beklagt! Wie

es überall geschieht und immer geschehen wird, so ist
auch in Newyork das Museum an den freien Tagen
stark, an den Zahltagen desto schwächer besucht und
die Einnahme aus den Eintrittsgeldern, sür welche sich
der Bericht bis zu der Bezeichnung einer natürlichen
Einnahmequelle sür ein Museum versteigt, beläuft sich
auf noch nicht 3000 Dollars.

Der Bericht erwähnt des weiteren — und steht
da wieder in erfreulichstem Gegensatz zu der eben be-
sprochenen büreaukratischen Engherzigkeit — der glück-
lichen Vereinigung des Angenehmen mit dem Nützlichen,
welche dem Publikum in den Einrichtungen desMuseums
geboten ist, legt aber ganz besonderen Wert auf den
bedeutenden erziehlichen Einfluß desselben auf die Ein-
ivohuerschaft. Er findet die praktischen Resultate dieser
Erziehung nicht nur bei dem einzelnen im Hause und
in der Familie, sondern auch im Geschäftsverkehr der
Stadt und des Staates, wie eine selbst nur slüchtige
Betrachtung der etwa seit Jahre 1872 eingetretenen
Wandlung des Geschmacks beweise und zwar ebenso
wo er sich in den Handelsartikeln der Newyorker
Magazine, wie in den einheimischen Produkten, beim
Bau und der Ausstaltung der Häuser, kurz überall da
ausspricht, wo das Kunstgewerbe in Betracht kommt.
Hieran werdcn, in praktisch amerikanischer Art, zwar
wenig idealistische und schmeichelnde, aber kaufmännisch
verständige Bemerkungen über das kaufende Publikum
und seinen Geschmack geknüpft, mit welchem es —
meist urteilslos — der herrschenden Tagesmode nach-
läuft, ein auch hier zu beklagender, dort aber noch
schärfer hervortretender Übelstand.

Die verschiedenen Abteilungen der mit dem
Museum verbundenen Kunstschule, in welcher Zeichnen
und Modelliren gelehrt wird, (dem Berichte nach
aber weder in der Ausdehnung noch bis zu der
Stufe des Könnens, wie in den hiesigen Kunst-
schulen), sind im Winter von 156 Schülern be-
sucht gewesen und fahren in ihrer nutzbringenden
Thätigkeit fort. Das über die Sammlungen Ge-
sagte ist in der Hauptsache bereits mitgeteilt; eine
interesiante und wertvolle Bereicherung haben sie noch
durch das Geschenk einer bedeutenden Sammlung von
Kunstwerken erfahren, die sich auf Washington, Frank-
lin, Lafayette und andere hervorragende Amerikaner
beziehen; auch Leihausstellungen von Gemälden und
sonstigen Kunstwerken sind im Berichtsjahre mit günsti-
gem Erfolge veranstaltet worden. Jm Gegensatz zu
dem reichen Zuwachs Ler Sammlungen steht der ver-
hältnismäßig überaus schwache der Bibliothek, welche
sich im Berichtsjahre um nicht mehr als 123 Bände
vergrößert hat. Dieselbe weist noch ganz außerordent-
lich viele und große Lücken auf, und die Verwaltung
bittet sehr dringend um Zuwendungen für sie unter
 
Annotationen